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Zeit und Geschichte

Geschichte reimt sich? Die Arroganz der Geschichte

Moritz Hoffmann
Freier Historiker. Zeitgeschichte, Digitale Public History. Verantwortlich für @digitalpast und @9Nov38.
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Moritz HoffmannMontag, 25.07.2016

Zumindest in meiner Twitter-Blase ging der hier verlinkte Artikel in diesen Tagen gleich mehrmals rum – passend zu immer lächerlicheren Fotos von Boris Johnson zu aktuellen Umfragen, die Trump als kommenden US-Präsidenten sehen, bis zur Einsicht, dass der dezentralisierte Terror nun irgendwie auch nach Deutschland zurückgekommen ist. Das ist meines Erachtens ziemlich traurig: Denn die schöne Überschrift „History tells us what may happen next with Brexit & Trump“ bietet so ein schönes, sicheres Deutungsangebot, sie verführt dazu, zu glauben, dass HistorikerInnen die Zukunft vorhersagen können. Genauer: dass sich Geschichte wiederholt.

Das Problem, um ein wohl fälschlicherweise Mark Twain zugeschriebenes Zitat zu bemühen: Geschichte wiederholt sich eben nicht, sie reimt sich nur. Natürlich gibt es immer wieder ähnliche Ereignisketten, Eskalationen, Verhaltensmuster. Aber diese funktionieren immer nur aus der Retrospektive – und sie sind nie so deckungsgleich, dass man sie als Blaupause verwenden könnte, ohne dabei die Teilchen abzuschneiden und zu vergessen, die eben nicht passen.

Dazu kommt, dass, wenn eine Öffentlichkeit schon mal Fragen an HistorikerInnen hat, ausgerechnet in diesem Artikel eine unschöne, penetrante Arroganz zum Vorschein kommt – gleich mehrmals betont Tobias Stone (der nicht einmal Neuzeithistoriker ist, aber über den Ersten Weltkrieg spricht), dass es alles relativ offensichtlich wäre für jene, die wie er vom Fach sind – alle anderen bezeichnet er implizit als Idioten, die nicht weiter als fünf Minuten nach vorne wie nach hinten sehen können.

Tatsache ist: Es gibt keine historische Parallele zum Brexit, und es gibt auch keine zu einer möglichen Präsidentschaft von Trump. Das liegt allein schon an der massiven Demokratisierung der Medienöffentlichkeiten seit den 1990er Jahren. Aufmerksamkeit, Meinungsbildung, Diskurs funktionieren völlig anders - abseits von Eliten - als zu gedruckten Zeiten. Warum ein Archäologe daraus eine Glaskugel für den Zukunftsblick ableiten können soll, ist schleierhaft.

Mein piqd-Kollege Moritz Orendt hat den Artikel schon empfohlen — er findet ihn besser als ich.

Geschichte reimt sich? Die Arroganz der Geschichte

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Kommentare 3
  1. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 7 Jahre

    Vielen Dank für Deine Einordnung zu diesem Text! Mir wurde er auch auf Medium empfohlen und - ich fand wie Moritz - dass er sich eigentlich recht logisch anhört. Auch der Artikel, in dem Tobias Stone auf einige Kommentare eingeht https://medium.com/@th... und immer sachlich seinen Standpunkt verteidigt fand ich lesenswert.

    Es ist ja sehr beruhigend zu hören, dass unsere Generation oder die nächste also vielleicht doch nicht per se auf einen Atomkrieg zusteuert, aber ist es nicht eine zentrale Aufgabe von Historikern Schlüsse aus der Vergangenheit für die Zukunft zu ziehen? Auch wenn die Bedingungen nie zu 100% gleich sind? Dann dürften z.B. auch Ärzte und Volkswirte keine Prognosen wagen. Vielleicht könnte man den Artikel aufgreifen und weiter entwickeln, z.B. unter Berücksichtigung der veränderten Medienöffentlichkeit heutzutage, oder mit anderen Standpunkten zu einzelnen Teilen des Inhalts.

    In jedem Fall ein lesenswerter Artikel und ein lesenswerter Pitchtext von Dir der zum Nachdenken anregt.

    1. Michael Tschäni
      Michael Tschäni · vor mehr als 7 Jahre

      Nein, Prognosen für die Zukunft zu machen wäre im Gegenteil sogar sehr gefährlich, weil die Geschichtswissenschaft das einfach nicht kann. Mal abgesehen davon, dass ein Grossteil der Historiker sich mit Epochen befassen, die einfach weit zurückliegen. Oder was möchtest du aus einer Einordnung des Pietismus für heute ablesen? Je näher du dann zu der Neuzeit kommst, desto breiter werden die Datengrundlagen und auch die beteiligten Fachgebiete. Beschäftigst du dich mit Wirtschaftsgeschichte, so kannst du vielleicht die Finanzkrisen der 30er Jahre mit derjenigen von 2008 und später vergleichen. Aber welche Auswirkungen das auf die Beziehungen von Russland mit z.B. den baltischen Staaten hat, da müsstest du dich auch noch in diese politische Geschichte und in diese Sprachen eingearbeitet haben. Du bräuchtest also ein Team und vor allem eine Theorie, die alles umfasst. Statt einer einzelnen Disziplin sind wir also bei der Welterklärung angekommen. Stattdessen beschränken sich Historiker auf das, was sie können, z.B. vergessene Tagebücher des 17. Jahrhunderts zu transkibieren und damit lesbar machen. Dazu gibt es dann mittlerweile auch Versuche der Digitalisierung, um diese Quellen .....

    2. Michael Tschäni
      Michael Tschäni · vor mehr als 7 Jahre

      @Michael Tschäni ...einer grössen Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Aber bevor diese Daten digitalisiert sind und vielleicht auch mit Big Data nutzbar sind, vergeht noch einige Zeit. Das natürlich auch, weil die Ressourcen eben lieber Volkswirten zur Verfügung gestellt werden, die damit wirkliche Wirtschatsprognosen machen können. In Kurz um meinen Rant zu beenden: Der Artikel ist reiner Populismus und schlicht nicht beantwortbar, denn er wirft so viele Hypothesen auf, die mit einem "kann sein, sieht aber nicht danach aus" beantwortet können. So weit in die Zukunft zu blicken ist schlicht unmöglich und eben auch unwissenschaftlich. Also keine Panik, und weiterschauen. Besonders wir, die da eben auch eine Wissenslücke haben im Vergleich zu den Menschen, die in Berlin oder Washington mit den Informationen von Geheimdiensten und Experten gefüttert werden. (so, und jetzt lese ich mal den anderen piqd-Teaser text :))

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