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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Wie die Linke in einen Zangengriff geriet

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMontag, 08.05.2023

Krieg spaltet immer. Aber der in der Ukraine zerreißt viele Linke. Warum das so ist, das erklärt der erste aktuelle Artikel mit unterschiedlichen Prägungen während der europäischen Teilung.

Die Gräben, die sich im letzten Jahr aufgetan haben, werden sich so schnell nicht zuschütten lassen,

schreibt Anna Jikhareva, eine 1986 in Moskau geborene Politikwissenschaftlerin, die heute als Reporterin bei der WoZ in Zürich arbeitet. Sie ist – was selten vorkommt – eine Kennerin des Ostens wie des Westens.

Während viele osteuropäische Linke unter der Besatzung und/oder Bedrohung durch die Sowjetunion/Russland litten, sahen viele westeuropäische Linke nur die Schandtaten des "Westens", vor allem die der USA.

Für viele war der Antiamerikanismus als linke Identität ihr ganzes politisches Leben lang prägend. Umso schwerer tun sie sich damit, den russischen Imperialismus zu erkennen. Kritik an den USA aber ist scheinheilig, wenn deren Folge die Verharmlosung des russischen Autoritarismus ist. Schon im Syrienkrieg hatten einige Linke bloss die Einmischung des Westens kritisiert, nicht aber den syrischen Machthaber und dessen Helfer im Iran und in Russland. Eine traurige Kontinuität falscher Allianzen.

Die Opfer des Stalinismus spiel(t)en im Westen keine große Rolle, im Osten sind sie Teil der Familiengeschichte. Es gibt kaum eine Familie, wo es keine Inhaftierten, Ermordeten oder Deportierten gibt.


Ein Vorzug des Beitrages ist, dass in ihm viele in unseren Breiten kaum bekannte linke Positionen skizziert und durch kräftige Zitate charakterisiert werden.

Das ist der eine Zangenkopf, den anderen beschreibt Anna Jikhareva in diesem mit Kaspar Surber verfassten älteren Beitrag.

Wenn die Ukraine nach dem Krieg in die EU aufgenommen werden sollte, könnte sie ein neoliberales Versuchslabor werden, das insgesamt Europa unsozialer machen könnte.

Eine neoliberale Agenda hatte bereits der Präsident Petro Poroschenko verfolgt, die Regierung Selenski machte dann im gleichen Stil weiter. Seine Partei mag zwar Sluha Narodu heißen, Diener des Volkes, sie diente nach der Wahl 2019 aber vor allem Investoren und Kreditgebern und brachte eine neoliberale Reform nach der anderen durchs Parlament, so etwa im Gesundheitssektor.

Das ist noch eine offene Frage, aber die Erfahrung der letzten Jahre zeigt überdeutlich, dass ein Großteil der ukrainischen Eliten einen Klassenkampf von oben führt. Kurz vor dem schrecklichen 24. Februar 2022 war der populäre Schauspieler Selenski ein unbeliebter Präsident, weil er gegen Gewerkschaften und Beschäftigte agierte.

Warum es auch im Westen wichtig sein wird, welche Politik im Osten gemacht wird, schreibt Anna Jikharev im ersten, jüngeren Artikel:

Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat nicht nur Russland erneut gewaltsam die Grenzen in Europa verschoben. Auch der Mittelpunkt des Kontinents liegt – ebenso wie seine Zukunft – nun weiter östlich.

Gestern & Heute: Wie die Linke in einen Zangengriff geriet

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Kommentare 11
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 11 Monaten · bearbeitet vor 11 Monaten

    Der wichtige Artikel von Anna Jikhareva, als Hauptbeitrag dieses Piqs verlinkt, zeigt die Komplexität des Themas im internationalen Maßstab. Die Diskussion unten drehte sich bisher vor allem um den zweiten Zangenkopf der Linken, die neoliberalen Reformen.

    Auch in Deutschland haben sehr viele Menschen Auswirkungen der Arbeitsmarktliberalisierung zu spüren bekommen. Insbesondere die „modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ haben mit der EU-Osterweiterung m. E. weniger zu tun, als mit allgemeinen Tendenzen weltweit. Und hier dürfte wesentlich auch die antiamerikanistisch ausgerichtete Kritik der Linken ansetzen, die neoliberale Politik und die US-dominierten internationalen Finanzinstitutionen im Blick.

    Stefan Scholl schrieb im Magazin der Hans-Böckler-Stiftung 03/2022 über die Zerstrittenheit ukrainischer Gewerkschaften und Korruptionsvorwürfe gegen ihre Führungen – alles Hindernisse, um neoliberalen Tendenzen wirksam entgegenzutreten: www.boeckler.de/de/mag...

    Jikhareva und Surber verweisen darauf, dass die vor den Änderungen bestehenden Arbeitsgesetze in der Ukraine noch aus der Sowjetzeit stammten. „Auch wenn sie oft missachtet wurden, konnten sich Arbeiterinnen und Arbeiter immerhin vor Gericht darauf berufen.“ Das größte Problem, die ausufernde Korruption, erwähnt der Artikel nicht. Auch die Justiz ist von ihr tief durchdrungen. Zur Durchsetzung ihrer Rechte werden Menschen genötigt, Bestechungsgelder zu zahlen. Interessant wäre, wie viele arbeitsrechtliche Verfahren überhaupt geführt und wie viele von ihnen zu Gunsten der Arbeitnehmerseite entschieden wurden. Im Fall des Obersten Gerichtshofs spricht das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine von einem „System großangelegter Bestechungen“: www.ardmediathek.de/vi... Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

    Auch außerhalb der Justiz ist Korruption weit verbreitet. Bspw. wurden dem Odessaer Bürgermeister Truchanow seit langem Korruption und mafiöse Machenschaften vorgeworfen. Berichte der BBC und der SZ hatte ich in www.piqd.de/zeitgeschi... verlinkt, und bereits 2016 deckte Micheil Saakaschwili diese Verstrickungen auf (Deinen Piq habe ich gerade entdeckt): www.piqd.de/europa-eu/... Anfang Mai 2023 kam Truchanow in Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs der Veruntreuung, nachdem er vor vier Jahren von einem Gericht in Odessa in dieser Sache freigesprochen wurde: www.n-tv.de/politik/Bu...

    Ich führe diese Beispiele an, weil ich mich frage, ob die Menschen in der Ukraine wirklich eine starke Beeinträchtigung durch die Arbeitsmarktreformen spüren, ob sie davon etwas mitbekommen? Oder sind es eher die Alltagsprobleme der Korruption, des Gesundheitswesens und, ja, des schrecklichen Krieges? Ist die Kritik der Linken und der Gewerkschaften – bei allen seriösen Hintergründen und möglichen Folgen der Reformen – überstrapaziert? „We are strong“ – das gilt entscheidend für den Widerstand der Ukrainer gegen die Aggression. Die neoliberale Öffnung für den internationalen Business zeugt doch aber von der Fragilität des Landes, das auf Hilfe dringend angewiesen ist und es auch nach dem Krieg sein wird. Hoffnung bleibt.

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

    Wenn die Ukraine irgendwann teil der EU ist, gelten dort die mindeststandards der EU. Wenn wir also in der eu für echte soziale Marktwirtschaft kämpfen kommt das auch der Ukraine zur gute.

    die Linke - ach ja.
    Wir brauchen glaube ich eine Neue Linke.
    ohne das Erbe des Leninsmus und der sed - ohne reflexhafter Hass auf den Satan USA.
    ohne sich populistisch anzubiedern.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      Hoffentlich.

      Etliche Wissenschaftler wie Philipp Ther zeigten auf, dass die Mindeststandard bei der Osterweiterung der EU gesenkt worden sind, was dann auch Auswirkungen in Westeuropa hatte.

      https://www.suhrkamp.d...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Ich würde nicht sagen, es "begann ein Großexperiment kontinentalen Ausmaßes: Die ehemaligen Staaten des »Ostblocks« wurden binnen kurzer Zeit auf eine neoliberale Ordnung getrimmt und dem Regime der Privatisierung und Liberalisierung unterworfen." Eigentlich haben alle Länder einen eigenen Weg gesucht, ihr spezifisches Experiment gemacht und auch die Ergebnisse waren unterschiedlich. Was stimmt, privatisiert wurde überall. Was nach zig Jahren Staatswirtschaft nicht verwundert. Welche politisch-ökonomische Kraft sollte einen anderen Weg durchsetzen? In einigen Ex-Sowjetrepubliken hat es m.W. Versuche gegeben die alten Wirtschaftsstrukturen autokratisch zu halten? Aber damit hab ich mich nicht intensiv beschäftigt.

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Im Buch - wie auch in späteren Studien - ist das durchaus differenziert. Allerdings gibt es doch Einheitliches, etwa durch EU-Regeln.
      Kein westliches Land hat heute noch die Standards der 1980er Jahre. Das hat auch mit dem Verschwinden der traditionellen Arbeiterklasse zu tun.
      Deutlich wird das in dieser Studie:
      https://www.blaetter.d...

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Ja, aber der EU-Beitritt war etwas später. Ich würde die Regelungen da auch nicht als Neoliberal bezeichnen. Eher im Gegenteil.

    5. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Viele Veränderungen wurden aber begründet mit dem Weg nach EUropa. Dazu gab es viele Widersprüche. Polen hatte die schärfste neoliberale Rhetorik in der Politik, die aber nur in einigen Bereichen in die Praxis umgesetzt worden sind. So was steht und kann auch nicht auf dem Klappentext stehen.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Das war von mir auch nicht als Kritik am Buch gedacht. Ging mir nur beim Lesen durch den Kopf.

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

    Danke für den spannenden piqd. Wirklich gute Übersicht über Linke Irrungen und Wirrungen.

    Aber ist die ständige Warnung vor dem bösen Neoliberalismus nicht auch eines dieser raunenden "propagandistischen Narrative" für ein naives linkes Publikum? Natürlich ist/wird die Ukraine, wie jeder Staat ein Versuchslabor. Das ist doch das Wesen von Geschichte. Und man wird vieles an Wegen ausprobieren. Auch solche Methoden, die man als "neoliberal" bezeichnen kann - wenn man will.

    Ist. "die Linke" (die ja so einheitlich nicht ist) wirklich in einen Zangengriff geraten? Hat sie sich nicht selbst da hineingearbeitet?

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      "Wir haben das Schlechte vom Kapitalismus und vom Kommunismus", sagte mir mal grinsend ein neuer Gewerkschafter. Warum neuer? Die alten aus sowjetischen Zeiten waren schnell Teil der neuen Oligarchie (so bereicherte sich alte Nomenklatura) und trälerte weitgehend die reine neoliberale Lehre (bei der Umsetzung ging es nicht so schnell).

      Im Januar letzten Jahres war Selenskyj einer der unbeliebtesten Präsidenten.

      Auch deutsche Gewerkschaften warnen vor der Ukraine. Sie kennen Tarifverhandlungen mit dem Druck billiger osteuropäischer Arbeitskräfte.

      Hier ein gewerkschaftlicher Warnruf:
      https://www.rnd.de/wir...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Wenn der Westen seine Sonderstellung/Vorsprung bei Löhnen und Sozialsystemen behalten will, dann muß er wieder die Grenzen schließen und seinen Vorsprung bei Technologie neu ausbauen. Und vor allem die Produktivität wieder steigern. Dürfte aber bei der Demographie schwerfallen.

      Was besagt die Beliebtheit eines Präsidenten über seine Wirksamkeit? Nichts! In Demokratien wird er abgewählt, wenn er unbeliebt ist. Wer nichts großartig verspricht, der hat gar keine Chance. Demokratie neigt zu Populismus. Trump verspricht gerade, den Ukrainekrieg an einem Tag zu beenden - und wird dafür bejubelt. Andere versprechen hohe Löhne, sichere Renten oder "Wir schaffen das". Oder billigen Strom nur aus Wind und Sonne.

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