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Pop und Kultur

Nicht erst Straßenrap hat den Pop sexistisch gemacht. Wie weiter?

Oskar Piegsa
Redakteur DIE ZEIT
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Oskar PiegsaSamstag, 10.07.2021

Warum erreicht #metoo erst jetzt die Rap-Szene? Hätte das nicht viel früher passieren müssen? Weil die mit ihrem Mütterficken, Schwulenbashen etc. doch offensichtlich ein Problem ist? Der Pop-Kritiker Diedrich Diederichsen nimmt sich dieser Fragen im hier gepiqden und frei lesbaren Essay in der ZEIT an – und hilft, ein paar Dinge zu klären.

Zunächst mal, dass auch John Lennon, die Spencer Davis Group, The Who, die Rolling Stones und andere Größen der goldenen 60er-Jahre lustvoll Femizide und Gewalt gegen Frauen besangen. Das entschuldigt Gzuz und Bushido und die anderen nicht, die das heute immer noch tun, aber es ist wichtig, denn:

Rassismus und vergleichbare markierende, gruppenbezogene Ideologien der Rechten treten [...] in letzter Zeit seltener dadurch auf, dass sie den anderen ein bestimmtes Wesen, eine Essenz zuschreiben, sondern häufiger dadurch, dass sie ihnen ihrerseits einen inhärenten Rassismus oder Sexismus vorwerfen: Muslime seien misogyn, Juden islamophob, Klimaaktivistinnen klassistisch, postkoloniale Intellektuelle antisemitisch et cetera. Dass man sich daher als weißer, westlicher und männlicher Musikjournalist nicht an der strukturell rassistischen Gleichsetzung von Hip-Hop mit Sexismus beteiligen wollte, lag darüber hinaus an der unterschwelligen Implikation, dass andere Formen der Popmusik dann wohl weniger sexistisch ausfielen. Stimmt natürlich nicht.

Für Rap wie einst für Rock gelte:

Popmusik ist in all ihren Formen, die überhaupt der Rede wert sind, ein Ereignis des Zu-Wort-Kommens. Hier reden, formulieren, gestalten die, die bis dahin nicht zu Wort gekommen sind, weil zu jung, zu ausgeschlossen oder zu unartikuliert. Dieses Ereignis ist immer ein Gewinn, doch was zu Wort kommt, oft hochproblematisch, selbst wenn es sich um Befreiungen handelt. Die jungen Männer der Sechziger steckten ohne Frage in libidinösen Gefängnissen. Ihre Befreiung dekontaminierte ihre toxische Männlichkeit kaum. Gab man ihnen frei, machten sie Jagd auf Girls, fast im wörtlichen Sinne. [...] Das spricht nicht gegen Befreiung an sich, aber [...] es spricht für die Einhegung jeder Befreiung in intersektionale Strukturen.

(Man will natürlich gleich besserwisserisch nachhaken: Wirklich alle Formen der Popmusik sind ein Zu-Wort-Kommen? Was ist mit elektronischer Musik? Spalten wir aber keine Haare, sondern beißen uns auf die Zunge – dieser Text ist zu gut, um ihn hier schon zu zerreden.)

Diederichsen macht nun zwei Formen der sexualisierten Aggression von Männern im Kunst- und Kulturbetrieb (inkl. Popmusik) aus: Den »Transgressions-Muff« der machistischen Künstlergenies, wie man sie im Theater und Film lange gewähren ließ, bis es ihnen in der ersten Welle von #metoo an den Kragen ging. Quasi sexualisierte Gewalt als Herrschaftsinstrument eines einzelnen.

Und die männerbündlerischen »Bros und Dudes«: »Die Bereitschaft zu misogyner Gewalt und sexistischen Hierarchien ermöglichen strukturell den Zusammenhalt der Männerbande.« Diese beginne schon mit dem Ausschluss von Frauen aus Gruppen (»um über sie reden zu können«) und steigere sich bis zur Gewalt. Sexualisierte Gewalt als sozialer Kitt. Um diese geht es nun stärker in der zweiten Welle von #metoo. Ein Grund, sich von bestimmten Musikrichtungen abzuwenden, war sie natürlich auch schon vorher. (Mir ging es so mit Emo-Punk.)

Diederichsen schreibt davon, wie ihm Snoop Dogg die Lust am Rap verdorben hat, bis sie ihm Missy Elliot zurückgab, wie Tyler, The Creator ihm das Genre wieder madig machte, ehe Mykki Blanco ihn noch einmal aufhorchen ließ. Er erzählt die Geschichte des Rap in dieser Kurzfassung also als den Widerstreit von »großartigen«, »eleganten«, aber leider »über alle Maßen abstoßend sexistischen« Typen einerseits und dem Zu-Wort-Kommen weiblicher und queerer MCs andererseits.

Die offene Frage ist: Was ginge den Großartigen und Eleganten in ihrem Zu-Wort-Kommen verloren, wenn sie sich wie gewünscht intersektional einhegten? Wäre der Rock der 60er-Jahre weniger revolutionär gewesen, wenn er nicht das Aufbegehren der Jungs gegen ihre Muttis gewesen wäre, sondern gegen ihre Väter, oder gegen repressive, patriarchalische Strukturen?

Klingt wie eine rhetorisches Frage, ist es aber womöglich nicht. Mal pointiert gesagt: Wäre das nur um den Preis zu haben gewesen, dass man die Rolling Stones gegen Floh de Cologne eintauscht?

So gesehen ist es ein Glück, was wir heute am Rap haben. Eben nicht nur Snoop Dogg, sondern auch Missy Elliot, nicht nur Tyler, sondern auch Mykki.

Nicht erst Straßenrap hat den Pop sexistisch gemacht. Wie weiter?

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