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Medien und Gesellschaft

Unviral Bin Laden

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterFreitag, 17.11.2023

Menschen konsumieren immer weniger Nachrichten in sozialen Medien und die Zahlen der großen Social-Media-Plattformen weisen einen Abwärtstrend auf, mit einer bemerkenswerten Ausnahme: TikTok. 

In nur drei Jahren hat sich die Anzahl der Menschen, die Nachrichten auf der Videoplattform anschauen, vervierfacht und bereits vor einem Jahr schrieb ich darüber, wie TikTok die ehemalige Top-Viralschleuder Twitter als "Memequelle Nummer 1" abgelöst hatte. Viral News passieren heute auf TikTok – und deshalb ist es wichtig, gerade für Journalisten, die Viralität einzelner Infobits auf der Plattform richtig einschätzen zu können.

Seit gestern löscht TikTok Videos unter dem Hashtag #lettertoamerica, in denen Tik Tok User einen zwanzig Jahre alten Brief von Osama Bin Laden auf die jüngsten Entwicklungen in Israel und Gaza ummünzen. Die New York Times berichtet von 14 Millionen views des Hashtags insgesamt, verteilt auf 274 Videos, die entstanden, bevor der viral Backlash auf das angebliche Internet-Phänomen einsetzte. Das entspricht rund 51094 views pro Video. Diese Zahlen erscheinen hoch, aber in Relation zu tatsächlich viralen TikTok-Videos sind sie verschwindend gering.

In einem Text über das neue, vaporisierte Internet und die Überreaktion des Weißen Hauses auf ein angebliches Ungleichgewicht zwischen der Nutzung von Pro-Palästina und Pro-Israel-Hashtags auf TikTok, beschreibt Ryan Broderick die Zahlen tatsächlicher Viralität auf der Plattform: Das erfolgreichste Video im Oktober zählte 37 Millionen Likes und 313 views. Für ein Video wohlgemerkt. Das Hashtag #Halloween zählte 20 Millarden views innerhalb von drei Monaten. Gegen solche tatsächlich viralen Phänomene sind 14 Millionen views verteilt auf 274 videos Peanuts.

Im von mir gepiqten Text auf Slate schreibt Scott Nover nun ganz richtig, dass eben nicht die Videos das Eigentliche sind, was hier viral ging, sondern der Backlash darauf: 

Ein prominenter Twitter-Nutzer veröffentlichte einen empörten Beitrag über die Videos, die einen Supercut von ihnen enthielten, und erzielte 32 Millionen Aufrufe auf X. Beim Zappen durch die TV-Sender am Donnerstag sah ich die Story in mehreren Nachrichtensendungen – jeder Moderator und Reporter war angewidert und wollte das auch zum Ausdruck bringen. Die Biden-Regierung reagierte sogar am Donnerstag: "Niemand sollte jemals die 2.977 amerikanischen Familien beleidigen, die immer noch um geliebte Menschen trauern, indem sie sich mit den abscheulichen Worten von Osama bin Laden in Verbindung bringen", schrieb der Sprecher des Weißen Hauses, Andrew Bates, auf X, während er den CNN-Artikel teilte.

Das größere Bild ist dieses: Eine der Ursachen für die Empörungskaskaden der vergangenen Jahre waren Medienhäuser, die skrupellos Einzelmeinungen in den Sozialen Medien ausschlachteten, allen voran konservative Outlets wie der Telegraph, die nur zu gerne über die drei kaum beachteten Tweets linker LGBTQ-Aktivisten berichteten und damit einen weltweiten Backlash anfachten. 

Zur Verantwortlichkeit des Journalismus im 21. Jahrhundert gehört, die Dynamiken und Qualitäten von Viralität einzuordnen und entsprechend zu begleiten oder eben gleich auf eine Berichterstattung zu verzichten über das, was ein paar vereinzelte Accounts auf TwiX oder mickrige 274 videos auf TikTok meinen. Nicht jede dämliche Meinung im Netz muss von der Presse multipliziert und viral gemacht werden, auch wenn das oft ein sicherer Klickbringer ist, eben weil es extreme und/oder extrem dumme Einzelmeinungen sind. Denn es gibt schließlich nichts emotionalisierenderes im Netz, als mit dem Finger auf die angebliche Unzahl all dieser extrem dummen Vollidioten zeigen zu können, in der absoluten Gewissheit, dass man selbst zu den Guten und Anständigen gehört. Die Dummen sind immer die anderen und es ist für Redaktionen nur allzu leicht, in dem schieren Meer an Meinungen das absolut Unsagbare herauszufischen und als Phänomen zu verkaufen wie etwa das uninteressante Tiktok-Gelaber von ein paar Kids, die finden, dass das, was ein toter islamofaschistischer Terrorist sagt, jetzt irgendwie voll gut zum Gaza-Konflikt passt.

Scott Nover bringt es abschließend auf den Punkt:
A small group of nobodies on TikTok saying dumb shit is not a viral trend that necessitates mass hysteria in response. This incident is only news because, well, it became news.
Unviral Bin Laden

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