Den meisten deutschsprachigen Medien war die Kandidatur von Xenia Sobtschak für das Präsidentenamt in Russland kaum mehr als eine Randnotiz wert - zu Recht, wie sich aus der glasklaren Analyse von Kirill Martynow in der Nowaja Gazeta ergibt, die dank dekoder.org auf Deutsch zugänglich ist. In dem Text bleibt keine der zentralen Fragen offen. Kurz zusammengefasst: Die Tochter von Anatoli Sobtschak, dem postsowjetischen Reformbürgermeister von Sankt Petersburg und politischen Ziehvater Wladimir Putins, ist eine reine Zählkandidatin und zugleich ein Feigenblatt für die abgekartete Wiederwahl des ewigen Kremlherrschers.

Wenn man auf der Ziehvater-Ebene bleibt, könnte man Xenia Sobtschak als die kleine politische Schwester des großen Bruders Putin bezeichnen. Martynow erklärt es so:

Neben der traditionellen Entourage in Person von [Kommunistenführer] Sjuganow und [Rechtsaußen] Shirinowski braucht der Kreml bei diesen Wahlen zwei Spoiler: Einerseits einen ultrakonservativen Kandidaten, neben dem Putin für die entsprechenden Zielgruppen wie ein vernünftiger Kompromiss aussieht, wie ein Zentrist. Auf der anderen Seite muss diese Konstruktion gestützt werden von einem verhältnismäßig liberalen und protestlerischen Spoiler. Unmittelbare Aufgabe dieses Kandidaten ist es, der Welt freie und demokratische Wahlen zu demonstrieren.

Die Wahl 2018 wird also wieder einmal eine Farce werden, was niemanden überraschen dürfte, der die Verhältnisse in Russland nicht mit verblendeten Augen betrachtet. Und da eine Farce bekanntlich eine Art von Komödie ist, schreibt Martynow auch zu Recht:

Witzig, dass das alles so dargeboten wird, als wäre Putin verärgert über diese Dreistigkeit Sobtschaks, was Xenia jedoch nicht daran hindere, zu kandidieren.

Fazit: Wer diesen Text gelesen hat, weiß im Grunde schon jetzt alles über die sogenannte Präsidentenwahl in Russland 2018.