"Histoire Mondiale de la France" ist der große Überraschungsbestseller dieses Jahres in Frankreich - über 70000 Exemplare wurden bereits verkauft, außergewöhnlich für ein akademisches Buch, das von Geschichtswissenschaftlern geschrieben wurde. Die Autoren der "Histoire" decken 40000 Jahre französische Geschichte mit einzelnen, chronologisch angeordneten Essays ab. Dabei räumen sie mit einigen französischen Identitätsmythen auf, so sehr, dass sich eine wütende konservative Phalanx gegen dieses Buch etabliert hat. Was die "Histoire" so brisant macht, ist der Umstand, dass sich Frankreich gerade in einem Identitätskampf befindet, der vor allem auf dem Schauplatz seiner Geschichtsschreibung ausgetragen wird. Eine zentrale Forderung der rechtspopulistischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen etwa ist, dass im Geschichtsunterricht in den Primärstufen nur ein heldenhaftes Bild Frankreichs evoziert wird, was bedeutet, dass vom Zweiten Weltkrieg und vom Kolonialismus keine Rede mehr sein soll. Dieses Buch hält mit einer globalen Geschichte dagegen, die einen Blick auf die vielfältigen, schon immer da gewesenen Einflüsse auf die französische Kultur wirft. Dabei leistet es auch konkrete Aufklärungsarbeit: Im Wahlkampf der Front National wird etwa oft auf eine Schlacht von Poitiers von 732 verwiesen, in der Charles Martel angeblich eine islamische Invasion niedergeschlagen habe. Ein Essay dieses Buchs macht deutlich, dass es gewisse Kämpfe unter der Führung Martels wohl gegeben habe, aber dass diese weder in Poitiers noch im Jahr 732 stattfanden.