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Europa

Die erstaunliche Liebe der Ostdeutschen zu Putin-Russland

Ulrich Krökel
Osteuropa-Korrespondent / Piqer für DLF-Europaformate
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Ulrich KrökelSamstag, 05.09.2020

Wer regelmäßig über die russische Politik und Wladimir Putin schreibt, wird die kritischen Kommentare von Leserinnen und Lesern kennen: Warum immer auf den armen Russen herumgehackt werde, während doch die Amis die wahren Schurken seien? Das ist, grob zusammengefasst, die Grundtendenz der Zuschriften, von denen der größere Teil aus den östlichen Bundesländern stammt. Mich, der ich im "Zonenrandgebiet" als Wessi aufgewachsen bin, hat das lange gewundert. Schließlich waren es doch die Deutschen in der DDR, die 45 Jahre lang unter sowjetischer Fremdsteuerung leben mussten.

Kerstin Decker ist dem Phänomen schon vor gut einem Jahr in einer äußerst lesenswerten Reportage nachgegangen. Den Text aus dem Tagesspiegel empfehle ich hier zum Wiederlesen, weil die kritischen Kommentare nach dem Giftanschlag auf Alexei Nawalny wieder da sind, zum Beispiel: Warum nur um einen Mann wie Nawalny so viel Aufhebens gemacht werde, der doch in Wirklichkeit ein Populist, Nationalist, Ausländerfeind und Homosexuellenhasser sei? Und wenn jetzt auch noch auf Befehl der Amis die Pipeline Nordstream II nicht zu Ende gebaut werde, dann sei das doch der letzte Beleg für eine Fremdsteuerung aus den USA.

Solche und ähnliche Debattenbeiträge sind natürlich nur die grellleuchtende Spitze des Eisbergs. Decker widmet sich in ihrer Reportage dagegen der Tiefendimension des Phänomens. Sie hat Menschen getroffen, die im Westen meist vorschnell in die Schublade mit der Aufschrift "Putin-Versteher" gesteckt werden. Cornelius Weiss gehört dazu, Mitgründer der Bürgerinitiative "Gute Nachbarschaft mit Russland e.V.", Chemiker, bis 1997 Rektor der Leipziger Universität, SPD-Landtagsabgeordneter, zuletzt Alterspräsident des Sächsischen Landtags:

Weiss schämt sich wie die anderen hier [im Leipziger Café Yellow] für die Europäer und Amerikaner, die so tun, als hätten sie den Krieg allein gewonnen – und die zugleich Sanktionen gegen Russland verhängen. Gerade haben sie dem Ministerpräsidenten aller Sachsen einen Beifalls- und Beistandsbrief geschrieben, denn Michael Kretschmer hatte eine neue Russland-Politik gefordert: „Unsere Leipziger Bürgerinitiative müht sich seit drei Jahren darum, dass dieses für den Frieden in Europa eminent wichtige Verhältnis aus dem Tal herauskommt, in das es geschichtsvergessene und kurzsichtige Politiker und Medien hineingesteuert haben.

Decker stellt all die Fragen, die bei dem Thema gestellt werden müssen, zum Beispiel: Was ist mit der Krim, was mit der Ostukraine, was mit Flug MH 17? Heute müsste man weiterfragen: Und was ist mit Nawalny? Die Antworten von Deckers Protagonist*innen bleiben für mich oft unbefriedigend, sind aber in jedem Fall nachlesenswert. Und bedenkenswert bleibt auch Deckers Resümee:

Die innerdeutsche Grenze gibt es immer noch. Es ist eine unsichtbare, eine epistemologische Grenze. Osten und Westen denken verschieden. Der Westen denkt primär rechtsförmig, der Osten primär genealogisch. Er fragt zuerst, wie eine Sache geworden ist. Die Dinge ausschließlich rechtsförmig zu betrachten, heißt abstrakt zu bleiben. Aber Interessen sind nie abstrakt, Sanktionen sind nie abstrakt. Nahezu jedes Jahr am 22. Juni wurden die Sanktionen gegen Russland verlängert, am Tag des Überfalls auf die Sowjetunion.

Die erstaunliche Liebe der Ostdeutschen zu Putin-Russland

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Kommentare 4
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

    Wie die meisten Artikel von Kerstin Decker ist das bedenkenswert.

    Ergänzend sei dieser Piq vom Mai erwähnt:
    https://www.piqd.de/ze...

    Im Interview mit der in Deutschland lebenden Susan Neiman findet man diese Passage:

    "Heißt das, dass Deutschland auch in punkto Erinnerungskultur immer noch ein geteiltes Land ist?

    Das ist leider so. Wenn ich in meinem Buch für eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Vergangenheit plädiere, dann meine ich genau das: Dass man einen universelleren Blick auf die Nazi-Ideologie werfen muss. Der Tod von sechs Millionen Juden wird ja nicht dadurch relativiert, indem daran erinnert wird, dass auch 16 Millionen Bürger der Sowjetunion ermordet wurden und 13 Millionen Soldaten der Roten Armee fielen. Das sind also große große Opferzahlen, denen wir am 8. Mai ebenfalls gedenken müssen."

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Also dieses "immer noch" wundert mich doch. Ist nicht jedes Land in seinen Erinnerungskulturen gespalten. Der Versuch eine "Einheitserinnerung" oder gar ein Einheitsweltbild herzustellen wird wieder schiefgehen. Müssen wir nicht auch akzeptieren lernen, dass es immer Gruppen mit uns abartig erscheinenden Meinungen gibt? Was nicht heißt, die Auseinandersetzung abzubrechen.

      Im übrigen ist auch das Weltbild der Westdeutschen alles andere als gleich.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl In jedem Land gibt es regionale Erinnerungen. Aber es geht hier doch wohl um spaltende Erinnerungen, an denen sich Konflikte entzünden können.

      Um im Herkunftsland von Susan Neiman, den USA, zu bleiben: Am Nord-Süd-Konflikt, der zum bislang blutigsten Krieg auf dem Gebiet der USA entwickelte, entzündeten sich immer wieder Kämpfe für oder gegen Rassismus.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Achim Engelberg Was ich so von anderen Ländern sehe, ist das doch nicht anders. Man muß ja gar nicht nach Jugoslawien oder in die Tschechoslowakei gehen. Frankreich, Spanien usw.

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