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Volk und Wirtschaft

Wachstum, Krieg und Frieden mit Kartoffeln

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 01.12.2021

Der Beitrag macht deutlich, wie entscheidend eine ausreichende und sichere Ernährungsbasis bzw. Mangel und Hunger für die Entwicklung ganzer Gesellschaften ist. Man kann sagen, mit der Kartoffel begann der Aufstieg Europas zur weltweiten Dominanz:

Im späten 16. Jahrhundert brachten Spanier die Kartoffel aus der südamerikanischen Anden-Region (vermutlich aus dem heutigen Peru) nach Europa, wo sie sich schnell in vielen Regionen verbreitete. Für die Landbevölkerung änderte sich damit das Leben radikal. Eine vierköpfige Familie brauchte im Vergleich zu vorher, als sie sich mit Rüben, Getreide und Reis über Wasser halten musste, nur noch ein Drittel des Landes, um von den Ackerfrüchten satt zu werden. In Kombination mit Milchprodukten lieferten Kartoffeln zudem alle Vitamine, die ein Mensch zum Leben braucht.

Die Folgen waren gewaltig. In vielen nordeuropäischen Ländern explodierten die Bevölkerungszahlen. Die höhere Produktivität der Landwirtschaft führte zu höherer Bevölkerungsdichte, zu wachsenden Städten und größerer Gesundheit. So nahm auch die Körpergröße der Menschen zu. 

Die Kartoffel legte die Basis für die Industrielle Revolution. Denn ohne bessere Ernten wäre die Arbeitsteilung nicht möglich gewesen. Vermutlich minderte sie auch die Ungleichheit. Weil sich ihr Anbau selbst auf kleinen Fläche lohnte, konnten auch Arme ihre Ernährung stabilisieren. Die Kartoffel beflügelte indirekt aber auch die Massenauswanderung. Nach Weizen-Missernten hatten Bauern auf Kartoffeln umgestellt, die Kälte vertrugen und auch auf schlechten Böden gediehen. 

Die Kehrseite einer tendenziellen Monokultur der Ernährung zeigte sich u. a. in Irland, wo der Kartoffelanbau besonders ausgeprägt war. Dort hatte die Kraut- und Knollenfäule die Kartoffeln befallen. Von 1845 an führten Missernten zu schweren Hungersnöten.
Rund eine Million Iren starben, eine weitere Million wanderte aus, überwiegend nach England und Nordamerika.

Bei der Analyse der Ausbreitung der Kartoffel fanden Forscher aber noch einen weiteren Effekt: In den Regionen, in denen sie angebaut werden konnten, sank die Zahl militärischer Konflikte. 

In Quadranten, deren Klima den Anbau von Kartoffeln erlaubt, sank nach 1700 die Zahl der Konflikte dramatisch. Kartoffel-Anbaugebiete erzeugten 26 Prozent weniger Scharmützel und Schlachten. Der Rückgang der Konflikte begann sofort und hielt über lange Zeit.

Um sicher auf den Kartoffelanbau als Ursache schließen zu können, prüften die Wissenschaftler alternative Erklärungen. 

So wäre es möglich, dass Herrscher über Kartoffelgebiete die Konflikte nicht klein halten, sondern in andere, erdapfelarme Regionen auslagern. Doch selbst wenn darauf kontrolliert wird, bleibt der Zusammenhang robust. Die Ökonomen überprüften außerdem, ob andere neu eingeführte Ackerfrüchte wie Süßkartoffeln oder Mais ebenfalls Konflikte reduzierten und kamen zum Ergebnis: Nur die Kartoffel vermochte das.

Eine mögliche Wirkungskette wäre als Erklärung folgende: Wachsende Produktivität führt zu wachsenden Ernten, es sinkt der Zwang zur Eroberung neuer Anbaugebiete. Zugleich sank mit steigenden Ernten der Druck auf  Bauern, sich als Soldat zu verdingen. Aber auch die Fürsten konnten über höhere besteuerbare Einkommen disponieren. 

Andererseits sorgten reiche Kartoffelernten dafür, dass Armeen leichter versorgt werden konnten, und senkten damit die Schwelle für Konflikte. Nicht diskutiert wird vom Forscherteam überdies die Frage, warum Kartoffelregionen nicht vermehrt zum Angriffsziel wurden.

Steven Pinker liefert, so der Autor des Artikels, in seinem Buch “The better angels of our nature: why violence has declined” (auf Deutsch “Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit”) eine etwas andere Erklärung. 

Er argumentierte, dass Gewalt generell zurückgegangen ist, unter anderem wegen wachsenden Handels. Handel wiederum ist die Folge der Arbeitsteilung, die durch die Kartoffel als besonders produktive Bodenfrucht erleichtert wurde. Die Kartoffel bleibt wichtig, die Wirkungsketten unterscheiden sich in den Deutungen.

Wie auch immer und bei allen offenen Fragen – das Beispiel der Kartoffel zeigt, wie eine scheinbar kleine Innovation sehr große und nicht vorhergesehene Wirkungen entfalten kann, in dem sie weitere Veränderungen ermöglicht und nach sich zieht. Und so bleibt die Zukunft prinzipiell offen.

Wachstum, Krieg und Frieden mit Kartoffeln

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