Anja Rützel ist unter den Medienkritiker:innen bereits eine Art lebende Legende. Seit vielen Jahren schreibt sie unter anderem für den "Spiegel" über Reality-TV und findet dabei stets eine gute Balance zwischen dem Spaß am Trash und substantieller Kritik an der Art und Weise, wie die Formate aufgebaut und inszeniert sind. Seit April dieses Jahres hat sie nun auch einen Podcast, in dem sie diese Tradition gemeinsam mit Gästen in unterhaltsamen Gesprächen fortsetzt. Und einen interessanten Twist gibt es auch noch.

Verbrechen am Fernsehen heißt der Podcast, in dem Rützel als Richterin über das Schicksal aktueller Reality-Produktionen entscheidet, die sie zuvor mit einer gastierenden Person seziert. Der Gast oder die Gästin bringt zudem selbst ein Format mit, für das er oder sie selbst einen Soft Spot hat, und das anschließend ebenfalls abgeurteilt wird. Vielleicht am spannendsten ist das dritte Segment, in dem die Podcaster:innen sich erneut einen "Cold Case" aus der Fernsehvergangenheit vornehmen und jede Woche wieder zeigen, dass früher beileibe nicht alles besser war im Fernsehen. Ein weiteres Highlight: Um das umständliche und teure Rechtemanagement von Fernseh-Ausschnitten zu umgehen lässt Rützels Produktionsfirma Studio Bummens einzelne Szenen aus den besprochenen Sendungen von einem "Burgtheater-Ensemble" täuschend echt nachspielen.

Gepiqt habe ich eine Folge aus dem August mit dem Gast Lars Tönsfeuerborn, der selbst schon eine Reality-Karriere hinter sich hat und 2019 die Show Prince Charming gewann. Nicht nur, weil Tönsfeuerborn inzwischen eine interessante Reflexion von beiden Seiten des Trash-Feuers abliefern kann, sondern auch weil der "Cold Case" grandios ausgewählt ist. Denn über die Mini-Playback-Show würde man heute wahrscheinlich wirklich die Füße über dem Kopf zusammenschlagen. (Wer mehr Background sucht: Ich habe Anja Rützel vor kurzem in meinem eigenen Podcast Läuft zu Verbrechen am Fernsehen interviewt.)