Nachdem ich dieses Portrait über den CSU-Politiker Markus Söder im vergangenen Jahr zum ersten Mal gelesen habe, habe ich den Bundestagsabgeordneten meiner Heimatstadt angerufen. Ich wollte ebenfalls ein Politikerportrait schreiben. Ihn beim Reden studieren. Mit seinen Freunden und Feinden sprechen und die Reden der Vergangenheit mit den Taten der Gegenwart vergleichen. Ich schnappte mir eine Handvoll Reichstags-Eisbonbons aus der Pressestelle und legte los. Nach drei Wochen war ich ein Wrack - körperlich und seelisch. Und dabei ist mein Bundestagsabgeordneter im Vergleich zum Scheinwerfer Söder doch nur ein Teelicht. 

Zeit-Autor Henning Sußebach hatte mehr Durchhaltevermögen. 1200 Termine im Jahr erledigt der Herr Söder, der, nicht und mehr und nicht weniger, bayrischer Finanz- und Heimatminister ist, obwohl man manchmal glauben könnte, er ist mindestens Bundesinnenminister, in Personalunion mit ein, zwei anderen Ämtern, am besten immer denen, die gerade am meisten Feuer bekommen, so oft ist er zu hören und zu sehen und zu lesen - was also auch bedeutet: So oft wird er zitiert, gefragt, um eine Meinung gebeten. 

Sußebach beschreibt, wie Söder das schafft: gefragt zu sein. Ein Teil der Antwort ist, immer auf alles eine Antwort zu haben. Das bedeutet natürlich nicht, dass Söder alles weiß. Vom Bierzeltfranz bis zum Markus Lanz weiß auch jeder irgendwie, dass der Söder nicht alles wissen kann. Aber er sagt eben alles so gut. Und Sußebach beschreibt dies alles so gut, dass man beim Lesen dahinschmilzt. Allein der Einstieg in den Artikel, in dem er beschreibt, wie 1.000 Menschen einvernehmlich ignorieren, dass Söder pissen muss, ist ein Denkmal wert.