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"Es gibt eine große Bereitschaft zu Gehorsam" – Daniel Kehlmann über unsere Corona-Welt

Dmitrij Kapitelman
Lesen, Schreiben, Mirsachenmerken. Journalismus darf auch Spaß machen.
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Dmitrij KapitelmanFreitag, 08.05.2020

Dieses Interview mit Schriftsteller Daniel Kehlmann ist klug und seltsam. Seltsam, weil so ambig in seinen Aussagen. Er hört jede Folge von Drostens Podcast und sieht das Virus als genau die tödliche Gefahr, die es ist. Eine Plage, die unser aller Leben noch sehr lange erschweren wird. Aber das Robert Koch Institut, das ist Kehlmann trotzdem ein Graus. 

"Diese grauen Hüter über die Zahlen sind Beamte, sie müssen die Folgen einer stillgelegten Gesellschaft nicht fürchten. Gleichzeitig erleben sie einen Machtzuwachs, von dem sie nie hätten träumen können... Es ist schon albtraumhaft, dass die Zukunft der Gesellschaft... an der Entwicklung einer statistischen Größe liegt, von der praktisch kaum vermittelbar ist, wie sie überhaupt ermittelt wird."

Das führt Kehlmann weiter zu dem Punkt, dass in der Krise eine gewaltige Bereitschaft zum Gehorsam entstanden sei. Insbesondere in Deutschland, wo der beliebteste Krisenpolitiker, Markus Söder, auch als der Regideste auftrat. Und ein Impfstoff könnte diese Aushöhlung der Freiheitsrechte vielleicht nicht mehr kurieren. 

"Die Gesellschaft geht jedes Mal nicht ganz so weit zurück, wie sie zuvor vorangegangen ist... Es lohnt sich einfach im Augenblick für Politiker nicht, für größere Freiheit einzutreten."

Alles sehr streitbar. Aber moderat und abwägend vorgetragen. Kann man sich schon mit konfrontieren, würde ich meinen.


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Kommentare 10
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

    Ein ausgesprochen kluges, zupackendes Interview!

    Ja, Schriftsteller müssen zuspitzen oder sie sind keine. Immer wieder gibt es erhellend-erklärende Stellen, die niemals eitel-selbstbezogen sind!

    Ein Beispiel ist die Passage zur amerikanischen Übersetzung des Romans "Tyll":

    Diese Pandemie unterbrach Sie aber in einem ziemlichen Überflug.

    Ach, ich hatte mit dem Timing viel Glück. „Tyll“ wurde hier noch überall rezensiert, bevor die Zeitungen nur noch über Corona schrieben, und ich konnte fast alle Veranstaltungen noch abhalten. Aber ein Aspekt an „Tyll“, der damals natürlich weniger beachtet wurde, rückte hier in den Vordergrund: dass der Roman zu Zeiten der Pest spielt, während einer weltweiten Seuche. Das war nun auf einmal wieder aktuell.

    Wie oft müssen Sie momentan an die Pest denken?

    Wenn man sich eingehend mit der Pest beschäftigt hat, weiß man, wie viel schlimmer frühere Krankheiten gewütet haben. Corona hat etwa 0,5 Prozent Sterblichkeitsrate, das ist viel, aber die Cholera hatte fünfzig Prozent, die Pest bis zu siebzig. An der sogenannten Hongkong-Grippe starben 1968 noch über eine Million Menschen – man muss sich vorstellen, wie die Welt heute aussähe, wenn man damals den Summer of Love abgesagt und alle unter Lock-down gesetzt hätte. Die Geschichte zeigt einem durchaus, wie radikal und wie schnell eine Seuche wirklich alles umwälzen kann. Doch selbst die Pest hat uns nicht ausradiert. Am Ende hat sie sogar die Renaissance gebracht. Ich bezweifle, dass Covid-19 etwas vergleichbar Be-freiendes bewirken kann. Aber es hat etwas Beruhigendes zu wissen, dass Menschen auch in der Mitte der Pest-Epidemie irgendwie noch ihr normales Leben weitergeführt haben. Und dass wir Menschen letztlich eine sehr widerstandsfähige Gattung sind.

  2. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

    Schwierig, schwierig, dieser Text. Ich habe persönlich große Probleme damit, dass vielfach so getan wird, als seien die Maßnahmen in Bayern so super krass gewesen. Das empfinde ich ganz anders. Auch die Sache mit dem "Gehorsam": Viele Menschen haben sich sehr schnell sehr vernünftig verhalten: Das ist was Gutes und nichts Schlechtes. Leider kippt das gerade massiv. Was aber tatsächlich komplett untergegangen ist, ist das sehr weitreichende bayrische Infektionsschutzgesetz. Ohne Intervention der Opposition wäre das beinahe ohne zeitliche Begrenzung durchgegangen. Das, in Kombination mit dem PAG, ist schon ziemlich furchteinflößend.

    1. Dmitrij Kapitelman
      Dmitrij Kapitelman · vor fast 4 Jahre

      Teile deine Bedenken, liebe Daniela. Und finde auch sehr schwierig, vernünftiges Verhalten als politischen Gehorsam zu stigmatisieren. (Was Bayern angeht, ist Kehlmann glaube ich ein wenig von dem Polizeitweet über das Leseverbot im Park geschädigt.)
      Habe unter anderem deshalb auch zwei Tage überlegt, ob ich diesen Text piqen soll.

      Wo aber tatsächlich beängstigende politische Anmaßungen zustande kommen, beispielhaft PAG-Infektgesetz, habe ich lieber einen Kehlmann ohne Verschwörungsgedöns und wissenschaftsaffin als Kritiker in der öffentlichen Wahrnehmung. Verstehst du, wie ich das meine?

    2. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 4 Jahre

      @Dmitrij Kapitelman Ja, aber gerade bei einem Schriftsteller hätte ich mir einen sorgsameren Umgang mit Worten gewünscht. Man kann an der Performance des RKI vieles kritisieren, aber aus ihnen gefährliche Gestalten wie aus Momo zu machen, die angeblich "die Folgen einer stillgelegten Gesellschaft nicht fürchten" müssen, finde ich komplett daneben. Als wären das unempathische Menschen, denen es egal wäre, was rund um sie passiert. Ziemlich heftige Unterstellung.

    3. Dmitrij Kapitelman
      Dmitrij Kapitelman · vor fast 4 Jahre

      @Daniela Becker Das ist eine ziemlich heftige Unterstellung. Da hast du Recht. In Wortwahl und Inhalt. Ich war mehr auf seine Aussagen zur Reproduktionszahl und der Beschreibung, dass grundlegende Freiheitsrechte zur disziplinarischen Verfehlung werden, fixiert. Und dem Vergleich zwischen USA und Europa. Aber jetzt bringst du mich doch ins Zweifeln, ob es richtig war, den Text zu auszusuchen.

    4. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 4 Jahre

      @Dmitrij Kapitelman Das ist halt das Problem: Er trennt nicht sauber zwischen berechtigter Kritik an Krisen- und Wissenschaftskommunikation sowie politischen und juristischen Maßnahmen, die aus wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet wurden. Kehlmann ist ja bei weitem nicht der einzige "Intellektuelle", dem das leider in den letzten Wochen nicht (gut genug) gelingt - und das ist auch menschlich, weil wir uns alle in einer sehr unangenehmen Ausnahmesituation befinden. Ich seh das Interview deswegen als Zeitdokument, das man sich ruhig durchlesen kann :)

    5. Kommentar entfernt
      Kommentar entfernt · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

      Dieser Kommentar wurde gelöscht.

    6. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor fast 4 Jahre

      (in Antwort auf gelöschten Kommentar) Sagen wir so: Ich habe Kehlmann zugunsten angenommen, dass er nicht verstanden hat, wie R berechnet wird - zumal es da ja tatsächlich im Laufe der Zeit sich verändernde Ansätze gab. Aber wie gesagt, das geht schon sehr in Richtung uninfomiertes Geraune.

    7. Yvonne Franke
      Yvonne Franke · vor fast 4 Jahre

      @Dmitrij Kapitelman Ach, lass mal Dmitrij. Wenn man sich so kritisch damit auseinandersetzt wie Du und Daniela ist es doch sehr anregend. Wobei ich bei dem Teil über die Bereitschaft zum Gehorsam auch ganz schön mit den Ohren geschlackert habe.

    8. Olaf Tulpe
      Olaf Tulpe · vor fast 4 Jahre

      @Dmitrij Kapitelman Sind die Vorwürfe ggü. RKI nicht sogar mehr als heftige Unterstellung, nämlich nach Definition eine Verschwörungstheorie? Leider hakt der Interviewer nicht nach und fordert Aufklärung, sondern fragt "Sie plädieren für eine schnellere Lockerung der Beschränkungen?". Damit wird dem Gesagten erstmal Glauben geschenkt, anstatt die Inhalte zu prüfen. Z.B. passt es nicht zusammen, dass Kehlmann angeblich die Podcasts von Drosten gehört haben mag, denn dort wurde öfter erklärt, wie der Wert R berechnet wird, und dass er eben nicht "unmittelbar aus der Natur ablesbar" ist.

      Zur Unterscheidung zw. 'salonfähigen' Verschwörungstheorien und -mythen gibt es eine sehr gute Podcast-Folge vom Antisemitismus-Beauftragten von B-W: https://scilogs.spektr...

    9. Dmitrij Kapitelman
      Dmitrij Kapitelman · vor fast 4 Jahre

      @Olaf Tulpe Hmm.. Nein, für mein Empfinden überschreitet er nicht die Linie zur Verschwörungstheorie. Nicht jedes politische Misstrauen/institutionelle Kritik ist verschwörungstheoretisch. Das wäre für mich ein Ausschlusskriterium gewesen.

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