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Klima und Wandel

Verkehr und Gebäude – Emissionsobergrenze schon nächstes Jahr?

Dominik LennéFreitag, 24.03.2023

Im Kontext des aktuellen Streits um das geplante Verbot neuer Verbrenner-Autos, neuer fossiler Heizungen sowie das Tempolimit hat die FDP ein Diskussionspapier vorgelegt, in dem sie – ihrer bekannten Liebe zum Markt folgend - die schnelle Umstellung des Verkehrs- und Gebäudebereiches auf ein Cap-and-Trade-System vorschlägt, und welches ich hier via einer Stellungnahme von Germanwatch vorstellen möchte. 

Die Basis dafür ist das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), ein Teil des Klimapakets, das 2019 noch von der Merkel-Regierung auf den Weg gebracht worden ist. Es sieht vor, dass alle Emissionen aus Kraft- und Brennstoffen, die nicht vom Europäischen Emissionshandelssystem (dem EU-ETS) abgedeckt sind, die Entwertung nationaler Emissionszertifikate erfordern. Deren Preis ist bis 2025 festgelegt und steigt von 25 auf 45 €/t_CO2 an; danach sollen die Zertifikate frei versteigert werden. Mittlerweile ist jedoch das EU-ETS 2 verabschiedet, das ab 2027 nationale durch EU-Zertifikate ersetzen soll. Die EU hat ihm aus Furcht vor den Gelbwesten bis mindestens 2031 eine Preisobergrenze von nur 45 €/t_CO2 verpasst, die durch das Verkaufen von Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve (MSR) des EU-ETS stabilisiert werden soll¹. 

Der Vorschlag im FDP-Papier besteht aus drei Punkten:

  • Aufgeben der jahresscharfen Sektorziele für die Emissionssenkung (was den Druck von Wissing nehmen würde)
  • Ab 2024 Übergang von den vorgeschriebenen Emissionspreisen des BEHG zu freier Preisbildung bei harter Emissionsobergrenze
  • Einführung einer pro-Kopf-Rückzahlung der gesamten Einnahmen

Germanwatch, eine deutsche NGO und Thinktank mit, unter Anderem, dem Thema Klimaschutz und Klimagerechtigkeit, hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, die dies differenziert kommentiert:

  • Die Aufgabe der jahresscharfen Sektorziele wird abgelehnt, aus drei Gründen: 1. habe das Bundesverfassungsgericht das Aufschieben von Emissionseinsparungen als Einschränkung der Freiheit der kommenden Generation verboten, 2. brauche man klare Verantwortungszuweisung und 3. sei ein sektoral und zeitlich gleichmäßiger Anreiz zu Investition notwendig, da sonst am Ende des Zeitraums eine Dekarbonisierungsgeschwindigkeit nötig sei, die unmöglich sei.
  • Aus ähnlichen Gründen wird auch die freie Emissionspreisbildung abgelehnt. Ja, die vorgesehenen festen Preise seien zu anspruchslos, aber freie Preisbildung gäbe 1. zu wenig Planungssicherheit, 2. das Risiko von "eskalierenden Preisen" und 3. Übergangsprobleme zum EU-ETS 2-Regime mit seinen voraussichtlich deutlich geringeren Preisen. 
  • Die Pro-Kopf-Rückzahlung der Einnahmen wird hingegen unterstützt. Technisch ist sie gerade im Finanzministerium in der Entwicklung. 

Die Vorschläge von Germanwatch sind 

  • anspruchsvollere Festpreise und (im EU-ETS 2 erlaubte) nationale Mindest-Zertifikatpreise um 75 €
  • Das Klimageld zu besteuern, was de facto eine Verminderung für Bezieher höherer Einkommen bedeutet, und es nur bis zu einem bestimmten Jahreseinkommen überhaupt auszuzahlen. 

Anmerkung:

Das BEHG ist bisher weitgehend unter dem Radar des öffentlichen Diskurses geflogen. Dies scheint sich nun zu ändern – was sehr positiv ist. 

Die Conditio sine qua non einer wirksamen CO₂-Bepreisung ist der soziale Ausgleich. Dass die EU diesen – teils durch den Widerstand der Mitgliedstaaten - nur unvollkommen hinbekommen hat, ist einerseits wegen dessen Komplexität nicht verwunderlich, andererseits aber bedauerlich, weil dies eben eine auch nur unvollkommene, d.h. weiche, Emissionsobergrenze bedeutet.  

Wir erkennen in der Diskussion ein Grunddilemma der Emissionsbepreisung: Setzen wir eine harte Emissions-Obergrenze fest, können wir keine genaue Preisvorhersage machen - setzen wir aber die Emissionspreise fest, können wir keine genaue Emissionsvorhersage machen.²  Halbwegs vorhersagbare Emissionspreise fördern die Investitionssicherheit – allerdings sind Energiepreise generell volatil, eine absolute Sicherheit ist also nicht möglich. Die Diskussion sucht hier eine Lösung: einerseits durch Preisstabilisierungsinstrumente wie die MSR im EU-ETS, andererseits durch Aufgabe der harten Emissionsobergrenze wie in der Anfangsphase des EU-ETS 2. Letztere kann allerdings dazu führen, dass die geplanten Emissionspreise korrigiert werden müssen, um das Verminderungsziel zu erreichen. Also ist auch hier die völlige Vorhersehbarkeit der Emissionspreise eine Illusion.

Das von Germanwatch gefühlte Risiko "eskalierender Preise" ist in Wahrheit nicht existent, denn dann würden auch die Rückzahlungen eskalieren. Eine kluge Organisation würde das monatlich hinbekommen. 

Auch was die Pro-Kopf-Rückzahlung angeht, ist die Diskussion noch im Fluss. Eine hundertprozentige Rückzahlung würde auf eine kräftige Umverteilung von Reich nach Arm hinauslaufen. Insbesondere für die ärmeren Menschen gäbe es nur einen geringen Anreiz zu Änderungen des Gewohnten, da sie die hohen Energiepreise locker bezahlen könnten. Das könnten wir vielleicht einfach in Kauf nehmen, weil sie ohnehin nur einen geringen Teil der Emissionen beisteuern. Ungünstiger aber ist, dass dabei keine Mittel mehr für Investitionen übrig bleiben. Deswegen bin ich ein Gegner der vollständigen Rückzahlung. Die notwendigen Investitionskosten sind sehr hoch - besonders für Wärmedämmung, aber auch für Wärmepumpen, E-Autos und Verkehrsinfrastruktur. Das Geld, um wenig liquide Mitbürger und Firmen hier zu unterstützen, muss irgendwo herkommen. Die Idee von Germanwatch, die Rückzahlung zu besteuern und auf nicht-reiche Zielgruppen zu begrenzen, ist also gut und geht in diese Richtung. Eine andere Möglichkeit ist, Teile der Einnahmen zweckgebunden als Investitionszuschuss auszuzahlen. Dieser Weg wird im EU Klimasozialfonds beschritten, kann aber durchaus auch im deutschen System begangen werden.

Wir sind gespannt, wie sich die Sache weiterentwickelt.

------

¹ Als Kontext: 45 €/t_CO₂ bedeuten für Benzin einen Preisaufschlag von 11c/l - eine Erhöhung die so gut wie keine messbare Verhaltenänderung bewirkt. (Rechnung)

² Also eine Art Unschärferelation der Emissionsbeschränkung. Das nur als Anmerkung eines Physikers.

Verkehr und Gebäude – Emissionsobergrenze schon nächstes Jahr?

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