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Klima und Wandel

Die große atlantische Umwälzströmung - Stand der Forschung

Dominik LennéDonnerstag, 29.02.2024

Als "Atlantic Meridional Overturning Circulation" (AMOC) bezeichnet man jene Komponente des atlantischen Strömungssystems, die Oberflächenwasser vom Südatlantik bis in die Arktis zieht, wo es sich abkühlt, auf Grund der nun größeren Dichte absinkt und als Tiefenströmung wieder zurückfließt. Die AMOC ist also der durch die nördliche Kälte angetriebene Teil der Strömung. 

Der Golfstrom, dessen Weiterführung nach Europa Nordatlantikstrom genannt wird, ist die Komponente des Strömungssystems, die durch den tropischen Ostwind angetrieben wird. Dieser drückt Oberflächenwasser in die Karibik, wo sie von der amerikanischen Landmasse nach Norden abgelenkt wird. Da sich die Erdoberfläche weiter nördlich langsamer nach Osten bewegt als weiter südlich,  löst sich der Strom von der Küste und nimmt Kurs auf Europa (Stichwort Corioliskraft). 

Diese beiden Komponenten überlagern sich und bilden eine Gesamtströmung. Soweit so gut.

Nun haben wir allerdings ein kleines Problem: Das Grönlandeis schmilzt und das Schmelzwasser vermindert den Salzgehalt des Wassers in genau der Region, in der es durch die Kälte auf den Grund sinkt. Dadurch wird es leichter (Salzwasser ist schwerer) und die Antriebskraft für die AMOC nimmt ab: sie wird langsamer. 

Das wiederum vermindert den Transport salzigen Atlantikwassers nach Norden, und bei gleichbleibendem Süßwassereintrag vermindert sich so die Dichte des Wassers in der Absinkregion weiter - eine verstärkende Rückkopplung. Ab einem bestimmten, nicht genau bekannten Süßwassereintrag bekommt dieser Mechanismus eine Eigendynamik: die AMOC wird immer langsamer, die Dichte des arktischen Oberflächenwassers immer geringer und die Strömung kommt innerhalb einiger Jahrzehnte völlig zum Erliegen, sie kollabiert.

Dies ist keine Spekulation. Es hat im Laufe der Erdgeschichte öfter stattgefunden. 

Zwar verschwindet die windgetriebene Komponente der Strömung nicht, aber die Gesamtströmung wird deutlich schwächer. Wenn das geschieht, sinkt die mittlere Temperatur in Europa um mehrere Grad ab, je nach Ort sind bis zu 20 °C weniger im Winter möglich, und es wird deutlich trockener. Das würde massive Probleme für die Nahrungsmittelproduktion mit sich bringen, abgesehen von sonstigen Nachteilen. Aber nicht nur wir wären betroffen: die Niederschlagsgürtel der Welt würden sich verschieben, der Meeresspiegel an der amerikanischen Ostküste ansteigen, die Regenzeiten im Amazonasgebiet könnten sich umkehren, die Südhalbkugel würde deutlich wärmer werden und wegen des größeren Temperaturunterschiedes die Stürme intensiver. 

Aus nachvollziehbaren Gründen gibt es also einen Zweig der Klimawissenschaft, der versucht, die Bedingungen eines solchen Umschlagens aufzuklären und der gepiqte Artikel skizziert den Stand der Forschung, von dem ich hier einige Aussagen wiedergebe.

  • In den bisherigen Klimamodelle ist die AMOC bekannterweise zu stabil - hier ist noch viel Feinarbeit nötig.
  • Eine Methode, die Stabilität eines komplexen Systems zu charakterisieren, ist die Variabilität und Selbstkorrekturzeit gewisser Kenngrößen anzuschauen. Wenn diese zunehmen, nähert sich das System einem Umschlagpunkt. Eine spektakuläres Paper tat das im letzten Jahr und kam zu dem Schluss, dass dieser bereits in einigen Jahrzehnten zu erwarten sei - eine Aussage, die dann aber wegen zu großer Unsicherheiten angegriffen wurde.
  • Die jüngste, mit exorbitantem Rechenaufwand erstellte Untersuchung einer niederländischen Arbeitsgruppe bestimmte aus einem etwas hypothetischen Modell einen wichtigen Vorhersageparameter, der halbwegs gemessen werden kann. Man sieht, dass sich die AMOC auf den Umschlagpunkt zubewegt - die Daten sind jedoch nicht gut genug um seinen Zeitpunkt abzuschätzen.

Als Facit könnte man sagen, dass der AMOC-Stillstand zu den vielen Umschlagereignissen des Klimasystems zählt, die ebenso katastrophal wie unsicher in ihrem Zeitpunkt sind. Unsere numerischen Modelle können zwar den globalen Temperaturanstieg leidlich wiedergeben, sind aber noch nicht gut genug, brauchbare Voraussagen für solche Umschlagereignisse zu treffen; hierfür müssten auch alle regionalen Teilsysteme genau genug simuliert werden, was viel schwieriger ist. Insbesondere das Zusammenwirken der sich gerade beschleunigenden Klimaerwärmung - mit aktuell sehr hohen Wassertemperaturen - mit dem Dichte-Antrieb der AMOC ist noch so gut wie nicht verstanden. Wir führen ein globales Experiment mit äußerst ungewissem Ergebnis aus. 

Wie immer heißt es: lieber auf der sicheren Seite bleiben!


Liste von weiteren Artikeln zum Thema

Extreme Climate Impacts From Collapse of a Key Atlantic Ocean Current Could be Worse Than Expected, a New Study Warns (Inside Climate News)

Visualisierung der Meeresströmungen auf earth.nullschool.net

What is happening in the Atlantic Ocean to the AMOC? (Stefan Rahmstorf vom PIK auf RealClimate.org)

Will the Gulf Stream really shut down? (OCEANUS - the journal of our ocean planet)

Vital ocean currents regulating Earth’s climate ‘on course to a tipping point’ (Independent)



Die große atlantische Umwälzströmung - Stand der Forschung

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Kommentare 2
  1. Till Till
    Till Till · vor 2 Monaten

    "Wie immer heißt es: lieber auf der sicheren Seite bleiben!"
    Solche verharmlosenden Schlusssätze sind Balsam für die geschundenen Seelen der Bundesbürger und führen in die Irre. Wir sind schon lange nicht mehr auf der sicheren Seite; und können daher dort auch gar nicht bleiben.

    1. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor 2 Monaten

      Heiß konkret?

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