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Europa

Nawalny-Film gucken, staunen und selbst urteilen

Ulrich Krökel
Osteuropa-Korrespondent / Piqer für DLF-Europaformate
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Ulrich KrökelDonnerstag, 21.01.2021

Alexei Nawalny hat in den Meinungsspalten deutscher Medien derzeit ziemlich gute Karten. Da nehme ich mich selbst als Kommentator nicht aus. Der heimtückische Giftanschlag im vergangenen August hat den 44-Jährigen hierzulande populär gemacht und ihm sogar einen gewissen Heldenstatus verliehen. Und tatsächlich kann man Nawalny zumindest eines nicht absprechen: einen ungeheuren Mut. Mitte Januar kehrte er nach Russland zurück, wohl wissend, dass ihm die Staatsmacht dort nach dem Leben trachtet. Darauf zumindest lassen die umfangreichen internationalen Recherchen zu dem Mordanschlag schließen (dazu hier ein piq des Kollegen Keno Verseck).

Doch mehr noch: Nawalnys Team veröffentlichte kurz nach der absehbaren Verhaftung ihres "Leaders" ein weiteres spektakuläres Enthüllungsvideo, das ich an dieser Stelle dringend zur Ansicht empfehlen möchte, obwohl es mit fast zwei Stunden Länge und englischen Untertiteln keine ganz leichte Kost ist (Tipp: Wer die Untertitel beim ersten Aufruf vermisst, kann über das Zahnradsymbol in die Einstellungen gehen und die englische Übersetzung dort einschalten). Wer diesen Nawalny, sein Tun und seine Rolle in Russland beurteilen möchte, der sollte sich schon einmal selbst ein Bild davon machen, was dieser Mann und sein Team so tun. Es ist ja kein Zufall, dass er in Deutschland wahlweise als Oppositionspolitiker, Dissident, Anti-Korruptionskämpfer, Bürgerrechtler, Kreml-, Putin- oder Regimekritiker bezeichnet wird.

Zur Einordnung: In dem Video geht es um massive Korruptionsvorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und sein Umfeld. Im Zentrum steht der Bau eines unglaublichen Luxusanwesens am Schwarzen Meer. Zum Staunen ist es definitiv. Nawalny behauptet schon im Titel, dass der Bau Ein Palast für Putin sei. Das Video erzähle die Geschichte der größten Bestechung, die es je in Russland (oder vielleicht auch darüber hinaus) gegeben habe. Nawalnys Team stellt dem Film eine Art Motto voran: "For many years Nawalny has been fighting for our rights. Now it's time to fight for him." Es folgt ein Aufruf zum Protest. In diesem Sinn kann man den Film auch als eine Art Bild gewordenes Pamphlet verstehen, also ein Kampfvideo.

Es entzieht sich meinen Möglichkeiten, die Vorwürfe, die Nawalny gegen Putin erhebt, zu überprüfen. Mir scheint vieles plausibel zu sein, anderes weniger, manches wichtig, anderes eher nicht. Möge sich also jeder selbst sein Urteil bilden. Ich möchte an dieser Stelle nur schnell noch davor warnen, in Nawalny einen über alle Zweifel erhabenen Hoffnungsträger für Russland zu sehen. Er ist ein Nationalist, dessen Demokratieverständnis den letzten Belastungstest noch nicht bestanden hat.

Nawalny-Film gucken, staunen und selbst urteilen

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Kommentare 25
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

    Auch ich kann nicht beurteilen, wieviel an diesen Behauptungen wahr ist.

    Nur vier Punkte, die Zweifel an Nawalny wecken:

    1.) Auf N. wird tief in Russland - angeblich im Auftrag des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter P., der die Geschicke des größten Flächenstaates der Welt seit über 20 Jahren lenkt - ein Mordanschlag verübt.

    2.) Der angebliche Auftraggeber lässt ihn nach Berlin ausfliegen, wo er nicht nur P. anklagt, sondern auch einen Geheimdienstmitarbeiter anruft, der ihm zugibt, den Anschlag verübt zu haben.

    3.) Danach fliegt er in das Reich zurück, wo P. herrscht, der ihn angeblich umbringen will, und veröffentlicht ein Video, in dem er P. anklagt.

    4.) Während dieser Vorgänge wehren sich an vielen Orten der Welt reale, glaubwürdige Kritiker wie Assange vor der Auslieferung oder Kritiker anderer autoritärer Herrscher - etwa aus der Türkei - beantragen in Deutschland Asyl.

    Ist ein vergleichbarer Fall wie der von Nawalny in der Geschichte überliefert, in der eine vergleichbare Story wie die hier aufgetischte sich bestätigt hat?

    Deutet nicht alles auf einen Machtkampf innerhalb Russlands hin und Nawalny ist bei den Frondeuren gegen Putin, die schon so mächtig den Staatsapparat unterwandert haben, dass Putin sie nicht mehr ausschalten kann?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      Na ja, so mechanisch ist das natürlich nicht. Das N. das Attentat überlebt hat, bedeutet nicht, das Putin ihn nicht mehr ausschalten kann. Bisher hat es noch jeden/jede erwischt. Sei es vor dem Kreml, vor der eigenen Wohnung oder in London. Die Vorstellung, das P. das direkt angeordnet hat, halte ich auch für naiv. Putinfreunde sterben jedenfalls seltener - oder? So einfach wird das allerdings sicher nicht laufen, das sehe ich auch so. Von einem Machtkampf muß man sicher ausgehen. Aber selbst wenn wir es nicht genau wissen, wovor sollten wir mehr Angst haben. Davor, dass offensichtlich untergeordnete Chargen der Sicherheitsdienste an solche Kampfstoffe kommen oder davor, das der Präsident das befiehlt?

      Wer ist schon ein über alle Zweifel erhabener Hoffnungsträger? Der Egomane Assange?

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Mechanisch und unglaubwürdig ist die Nawalny-Geschichte(n).

      Kein guter Thrillerautor würde das so erzählen, kein guter Historiker ebenso nicht, weil es einen solchen Stoff nach Quellenkritik nicht gibt.

      Oder wo ist das Gegenbeispiel?

      Im Gegensatz zu Nawalny sind zahlreiche Veröffentlichungen von Assange (ich kenne nicht alle) vertrauenswürdig.

      Immerhin kann man sich hier auf Investigativjournalisten von der New York Times und anderen Zeitschriften stützen, auf Organisationen wie Reporter ohne Grenzen und Zeithistoriker.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Achim Engelberg Die Wirklichkeit wird ja auch nicht von Thrillerautoren geschrieben. Und Historiker sollten versuchen bei den Fakten zu bleiben. Sicher, sie sollten auch sagen, was sie nicht wissen, was sie vermuten und was offene Fragen sind.

      Was Assange betrifft, so hat er ja nichts selbst veröffentlicht. Seine Idee mit der Whistleblower Plattform ist ja erst mal ok. Was man ihm vorwirft ist, dass er die Informationen nicht nur der US-Geheimdienste komplett und für alle zugänglich ins Netz gestellt hat. Und damit das Leben zahlreicher Dissidenten oder Informanten z.B. in Diktaturen gefährdet. Die möglichen schlimmen Folgen brisanter Informationen nimmt er billigend in Kauf. Und das verhindern auch seriöse Zeitschriften nicht ....

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg Auf Perlentaucher gibt es einen interessanten Hinweis:
      "In bestechender Klarheit beschreibt Leonid Wolkow, der Stabschef Alexei Nawalnys, im Gespräch mit Konrad Schuller von der FAS die Struktur von Wladimir Putins Machtsystem - ein Autoritarismus mit einer ergebenen Elite, aber kein Totalitarismus. Ohne Putin würde das System nicht funktionieren: "Ich glaube nicht, dass diese Elite die Macht behalten könnte - eben weil das Gleichgewicht der Mächte unter Putin so kompliziert und so stark auf ihn persönlich ausgerichtet ist. Alle Adjutanten stehen in Konkurrenz miteinander. Sie hassen sich. Ich glaube deshalb: Wenn er aus der Gleichung ausscheidet, wird das System so aus der Balance geraten, dass wir eine Chance bekommen." ...."
      https://www.perlentauc...

      Leider hab ich den Artikel in der FAS nicht gefunden.

    5. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Danke.

      Auf Blendle findet man das Interview.

      Dass Putin kein totalitärer Herrscher ist, sein kann, wird damit auch von diesem Beobachter festgestellt.

      Gleichzeitig wird von mehreren Analysten meine Vermutung, dass der Staatsapparat nicht geschlossen hinter und für Putin agiert, erhärtet

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg In dem Artikel steht, so habe ich jetzt gelesen, das P. noch kein autoritärer Herrscher ist, aber auf dem Weg dahin. Und es steht auch darin, das er versucht hat N. zu vergiften. Aber das war nicht mein Punkt. Diese Art von Struktur hätte sich auch kein Thrillerautor ausgedacht. Man kann also die Tatsache, das sich kein Autor und kein Historiker eine solche Geschichte ausdenkt, nicht als „Beweis" für die Richtigkeit nehmen. Hier ein kleiner Auszug aus dem FAS-Artikel vom 24.01.21.

      "Putin führt das Land durch persönliche Beziehungen, und die werden in dem Augenblick irrelevant, in dem er geht. Das wird für die demokratische Opposition ungeheure Möglichkeiten schaffen, und wir werden diese Gelegenheit nicht verpassen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Diktatur wie der Putinismus vererbt werden kann.
      Das Regime in Nordkorea ist über viele Generationen vererbt worden.
      Nordkorea oder Turkmenistan sind totale Autoritarismen. Putins Regime ist das nicht. Trotz aller Probleme. Wenn er sich für einen totalen Autoritarismus entscheiden würde, wenn er Menschen massenhaft in Konzentrationslager schicken und erschießen würde, würden unsere Chancen sinken. Aber Putins Regime ist eine Plutokratie. Es gibt immer noch Institutionen, die zwar nur quasidemokratisch sind, aber doch eine gewisse Komplexität des öffentlichen Lebens gewährleisten. Man kann das mit Francos Spanien vergleichen

      Unterscheidet das den Putinismus vom Stalinismus?
      Ja. Es gibt in Putins Regime eine gewisse Vielfalt. Er spielt ein ausgeklügeltes Machtspiel. Er hat viele Adjutanten und Kumpel, die jeweils für dies oder das zuständig sind. Deren Interessen tariert er so aus, dass es für jeden vorteilhaft ist, Teil dieses Systems von Gleichgewichten zu sein. Das wird sofort aufhören zu funktionieren, wenn Putin nicht mehr da ist. Wir sind also ziemlich sicher, dass wir Erfolg haben werden. Das Szenario, dass wir warten müssen, bis er stirbt, ist für uns der schlimmste Fall. Es gibt noch andere Modelle. Es kann zum Beispiel einen Putsch geben.
      ......
      Putin steht einen Schritt vor dem Punkt der massiven Repression. Wir sind jetzt schon Zeugen einer Gerichtssitzung in einem Polizeirevier geworden. Das ähnelte der Stalin’schen Methode in den Jahren des großen Terrors.

      Sie sprechen von der Behandlung Nawalnyjs nach seiner Festnahme.
      Ja. Und das Nächste wären dann Prozesse wie unter Stalin, wo ganze Gruppen pauschal verurteilt wurden. Nach dem Modell: Die auf dieser Liste bekommen Todesurteile, die auf der nächsten etwas anderes. Dort sind wir noch nicht. Aber es wäre der nächste Schritt. ..."

    7. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Unterschätze mal nicht gute Thrillerautoren. Der kürzlich verstorbene Le Carré beschrieb zum Beispiel bereits 1995 in "Our Game" vieles, was andere später kommentieren und quellenmäßig erhärteten.

      Meine Argumentation war immer breiter fundiert. Im Interview steht auch viel Propaganda und historischer Nonsens. Nach über 20 Jahren an der Spitze war noch nie ein Politiker auf dem Weg zum Alleinherrscher.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @Achim Engelberg Ich weiß nicht, ob noch nie ein Politiker nach 20 Jahren an der Spitze auf dem Weg zum Alleinherrscher war. Aber selbst wenn, was beweist das? Und natürlich ist das Interview kein wissenschaftliches Werk sondern ein politisches Statement mit entsprechender ad hoc-Analyse. Was daran wirklich Nonsens ist, das kann man diskutieren.

      Wer hat eigentlich behauptet, dass der Apparat geschlossen hinter Putin steht? Es wird ja immer wieder von Machtkämpfen berichtet, ja sogar von Attentaten auf P.. Selbst im dritten Reich gab es ja keine totale Geschlossenheit. Auch Stalin hat lange gekämpft. Oder Nordkorea?

    9. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor mehr als 3 Jahre

      dass Nawalny kein demokratischer Regimekritiker ist, sollte klar sein (auch wenn viele im Westen ihn leider sehr unkritisch sehen). Dass an dem Mordanschlag auf ihn noch viele ungeklärte fragen sind und sicher Putin diesen nicht direkt angeordnet hat, dürfte auch unbestritten sein (da traue ich dem ehemaligen KGB-Chef doch ein bissl mehr professionalität zu und den Politiker mehr Voraussicht auf die Wirkung / keinen Märtyrer zu machen).
      Aber - ein großes ABER:
      ein regimekritiker ist er weil Russland leider in den letzten Jahren zu einem undemokratischen Regime geworden ist und Putin zu einem Autokraten.
      und Nawalny ist einer der letzten echten Oppositionspolitiker geblieben.
      Dass anderswo uns genehmerer Journalisten und Politiker verfolgt oder inhaftiert werden, ändert doch daran nichts. Und hier die Mär von einer Fronde gegen den armen missverstandenen Putin zu stricken und vom deep state ala Trump zu fabulieren, deklassiert Ihre völlig richtig festgestellte unangenehme Art Nawalnys im Video (welches natürlich dennoch ungeheuerliche Korruption aufzeigt).

    10. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

      @Cornelia Gliem Nirgends schrieb ich vom armen, missverstandenen Putin.

      Aber ich glaube, dass Nawalny Unterstützer im Staatsapparat, bei Geheimdiensten sowie anderen einflussreichen Kräften hat.

      Ohne diese benennen zu können, ist es strenggenommen mehr als ein Glauben solange die Frage nicht beantwortet wird:

      Wo und wann gab es eine vergleichbare Geschichte ohne solche Unterstützer?

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