Berichterstattung zu Jahrestagen hinterlässt bei mir oft einen etwas faden Nachgeschmack. Als wäre ein Datum schon Grund genug, sich einem Thema zu widmen, das man sonst links oder rechts liegenlassen würde. Und beim Schlagwort "Vier Jahre Maidan-Revolution in der Ukraine" überzeugt mich nicht einmal das Datum wirklich.

Das Stück von Stefan Scholl zu eben diesem Thema möchte ich dennoch zur Lektüre empfehlen, da der Weltreporter über das übliche Spurensuchen und Bilanzziehen weit hinausgeht. Er hat ein lesenswertes Feature über Kiew geschrieben, die Metropole der Maidan-Revolution, die er als hip bezeichnet:

Im fröhlichen Gewirr der Autorencafés und Craftbier-Kneipen machen junge Leute Musik, ihre Texte sind meist ukrainisch. „Kiew berlinisiert sich“, sagt der Politologe Konstantin Batosky. Neue Bioläden, Modeschneidereien und IT-Büros machten auf, sie profitierten von dem Steuerprüfmoratorium, das Poroschenko für kleine und mittlere Unternehmen ausgerufen habe.

Kiew als das neue Berlin? Das kommt dann doch überraschend. Zugleich lässt Scholl seine Gesprächspartner eine schonungslose Bilanz ziehen:

Was haben wir verändert? Einen Dreck.

Spannend finde ich auch die Frage, ob die Menschen in Kiew und der Ukraine "vor oder nach einer Revolution" leben:

Viele Politologen zweifeln, dass die schlechte Stimmung in einen neuen Aufstand münden wird. Aber niemand will ihn ausschließen.

All das macht neugierig auf Texte, die im fünften Jahr nach der Maidan-Revolution geschrieben werden – ohne ein spezielles Datum als Anlass.