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Europa

Folge dem Geld – Wirtschaftsverbrechen und Korruption in Europa

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 23.09.2023

Vor einer Woche hat Jürgen Klute eine piqd-Empfehlung zum Thema Katar-Gate, dem Schmiergeld-Skandal im Europäischen Parlament, abgegeben. Schmiergeld ist offensichtlich für viele Staaten ein Mittel, um ihre Politik durchzusetzen. Aber das umfasst nur einen kleinen Teil der umfangreichen Finanz- und Wirtschaftsverbrechen auf unserem Kontinent mit seinen halblegalen bis kriminellen Netzwerken. Im Mittelpunkt stehen dabei unauffällige, verdeckte Finanztransfers etwa auch zur Geldwäsche.

Der unauffällige internationale Finanztransfer, juristische Betreuung und verschiedenen Formen von Lobbying sind längst auf eine Weise professionalisiert worden, dass daraus zum Beispiel in Großbritannien eine ganze "Industrie" mit Rechtsanwälten, Buchhaltern, Immobilienmaklern und PR-Leuten entstanden ist. 

Als Antwort darauf gründete Europol im Jahr 2020 das Kompetenzzentrum für Finanz- und Wirtschaftsverbrechen, das kürzlich erstmals einen Bericht zur Bedrohungsanalyse publiziert. Darin heißt es:

Kriminelle Akteure nutzen die Schwachstellen unseres Systems aus, schwächen dabei unsere Gesellschaft und generieren dabei enorme Gewinne. Mit dem Wachsen der schweren und organisierten Kriminalität, entwickeln sich auch kriminelle Strukturen, die an Finanz- und Wirtschaftsverbrechen beteiligt sind, indem sie die illegalen Erlöse waschen und das unterirdische kriminelle Finanzsystem verwalten. Und damit in der Lage sind, den Reichtum krimineller Akteure zu erhalten. Sie müssen auch Brücken zu relevanten Akteuren mit Zugang zu (politischer) Macht oder Informationen in wichtigen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft aufbauen. Dafür ist die Korruption der Schlüssel. Daher bilden Geldwäsche, kriminelle Finanzen und Korruption weiterhin die Hauptmotoren der organisierten Kriminalitätsmaschine.

Ein zentraler Bestandteil der organisierten Kriminalität ist laut dem Papier die Geldwäscherei. Das gilt für alle "Branchen" – egal ob Drogenhändler, Zigarettenschmuggler, Mehrwertsteuerbetrüger, Wettmafias oder Geldfälscher. Die Akteure im Katar-Gate scheinen da Amateure gewesen zu sein, die recht unvorsichtig mit großen Mengen Bargeld hantiert haben.

Knapp 70 Prozent der in der EU aktiven kriminellen Netzwerke benutzen gemäss dem Bericht «Basistechniken» zur Geldwäscherei, während der Rest professionelle Geldwäschedienste oder das System der Untergrundbanken braucht. Professionelle Geldwäscher verlangen laut den Behörden typischerweise für ihre Dienste 5 bis 20 Prozent der gewaschenen Gelder.

Die Liste der praktizierten Methoden ist dabei ziemlich lang: von informellen Geldüberweisungssystemen, Bargeldschmuggel, Banküberweisungen via Konten von Strohmännern über Kryptowährungen bis hin zu fingiertem Warenhandel und der Zwischenschaltung von Scheinfirmen, d. h. dem Missbrauch legaler Geschäfte etwa von Restaurants oder Juwelierläden, aber auch Spielcasinos und Fußballklubs. Fantasie scheint gefragt, was die Summen der beschlagnahmten Gelder betrifft, sagt der Europol-Bericht:

In den EU-Mitgliedstaaten wurden pro Jahr durchschnittlich 4,1 Milliarden Euro an kriminellen Vermögenswerten in den Jahren 2020 und 2021 beschlagnahmt. Dies stellt einen Verdoppelung im Vergleich zu früheren Schätzungen dar. Es ist jedoch nur ein kleiner Teil dessen, was kriminelle Netzwerke wahrscheinlich illegal an finanziellen Gewinnen generieren. 

Immer noch gibt es keine wirklich zuverlässigen Daten über illegale Erträge aus der organisierten Kriminalität in der EU. Daher handelt es sich bei den genannten Summen – sowohl über die gesamten illegalen Gewinne als auch über den Anteil der eingezogenen Gewinne – um vorsichtige Schätzungen. Allgemein gilt die begründete Vermutung, 

dass die große Mehrheit der illegalen Erträge in den Händen der organisierten Kriminalität bleibt. Betrachtet man die Einnahmen der organisierten Kriminalität, so lagen die jüngsten Schätzungen der jährlichen Gewinne von neun kriminellen Märkten in der EU zwischen 92 und 188 Mrd. EUR. Demnach würden sich die beschlagnahmten kriminellen Gelder auf 4,4 % bis 2,2 % der gesamten illegalen Einnahmen belaufen. Wenn man bedenkt, dass selbst die höhere Schätzung von 188 Mrd. EUR zweifellos eine Unterschätzung der tatsächlichen Gewinne der schweren und organisierten Kriminalität darstellt (bei einer einzigen groß angelegten EU-Operation beliefen sich allein die beschlagnahmten kriminellen Gelder auf fast 900 Mio. EUR), bleibt der Betrag der Vermögenswerte, die die Strafverfolgungsbehörden den kriminellen Netzen entziehen konnten, immer noch unter 2 % der jährlichen Erträge aus der organisierten Kriminalität.

Sicher ein erträgliches Risiko für kriminelle Netzwerke. Dies zeigt u. a., dass die zu den Ermittlungen gegen die kriminellen Machenschaften zu wenig parallele Finanzermittlungen erfolgen. Noch sind solche integrierten Vorgehensweisen nicht in allen EU-Strafverfolgungsbehörden gängige Praxis. Das aber wäre

eine Voraussetzung für die Einziehung von mehr kriminellen Vermögenswerten und für einen besseren Schutz der Bürger und der legalen Wirtschaft ist. Die Investition von Milliarden von Euro an gewaschenen illegalen Gewinnen in die legale Wirtschaft verzerrt den Wettbewerb und die allgemeine Dynamik eines freien Marktumfelds und behindert letztlich die wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig stellt die Möglichkeit, kriminell erworbene Gelder einzubehalten und sie in kriminelle Aktivitäten oder Dienstleistungen zu reinvestieren, eine zentrale Bedrohung für die innere Sicherheit der EU dar, da sie kriminelle Strukturen und Märkte fördert.

Man fragt sich auch, ob die mittlerweile 84 Angestellten des europäischen Kompetenzzentrums für Finanz- und Wirtschaftsverbrechen ausreichen, um den gemeinsamen Markt mit fast 450 Mio. Einwohnern und ca. 23 Mio. Unternehmen erfolgreich im Blick zu behalten? Und so endet der empfohlene Artikel der NZZ sehr allgemein:

Luft nach oben in der Verbrechensbekämpfung ortet auch die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson: «Wir brauchen bessere Gesetze.» Sie erinnerte am Montag vor den Medien an Vorschläge der EU-Kommission unter anderem zur Bekämpfung der Geldwäscherei und zur Modernisierung des chronisch von Betrügern missbrauchten Mehrwertsteuersystems.


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