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Zeit und Geschichte

Unpiq: Fabian Wolff – das Gegenteil eines Fehlers ist ein Fehler

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergSamstag, 22.07.2023

Dieser Unpiq ist in vielerlei Hinsicht charakteristisch.

Zunächst der Fakt: Fabian Wolff, der als jüdischer Vertreter besonders aggressiv seine "Minderheitenposition" vertrat, der in zentralen Medien häufig seine Meinung publizieren durfte, ist kein Jude, sondern das, was er häufig verdammte: 

Ein Deutscher.

Mit dem extrem langen, verschlungenen Text (gut 50.000 Zeichen), den Fabian Wolff in der ZEIT publizieren durfte, will die renommierte Zeitung wahrscheinlich verschleiern, dass sie den Autor jahrelang aufbaute.

Nun schaltete sie seine Beiträge frei mit dem Vorsatz:

Hinweis: Der Autor hat im Jahr 2023, nach Erscheinen dieses Artikels, seine Familiengeschichte recherchiert. Aus seinen Nachforschungen geht hervor, dass er nicht aus einer jüdischen Familie stammt.

Etliche reagierten empört, sprachen von einer "Entpolitisierung seines Betrugs" (Tom Uhlig in der Jungle World) oder nannten Fabian Wolff einen "Kostümjuden" (Philipp Peyman Engel in der Jüdischen Allgemeinen).

Bevor ich auf letzteren Text näher eingehe, muss man von Fabian Wolff und piqd sprechen. Auch bei uns erhielt er elf piqs von Experten, die wohl überprüft werden sollten. 

Den bislang letzten übrigens ist ein piq von mir, wo er eine Nebenrolle spielt. Nach meiner Überprüfung kann er so weiter bestehen. 

Aber: Fällt jemanden, der es nun hört oder liest, etwas ein oder auf, was man doch ändern sollte?

Der nun in der allseitigen Kritik stehende Artikel von Fabian Wolff wurde von Mohamed Amjahid empfohlen und fand Beachtung.

Heute liest er sich grotesk falsch; ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wie ich damals auf den Beitrag reagiert hätte, ohne das Wissen des Betrugs von heute.  

Aber den im piq zitierten Schluss hätte ich schon damals als erbärmlich empfunden, was man mit den Grundpositionen meiner piqs überprüfen kann.

Aber das Ausmaß, in dem Fabian Wolff sich eine Identität erfindet und aggressiv instrumentalisiert: das hätte ich – wahrscheinlich – nicht für möglich gehalten.

Auf den als Unpiq charakterisierten Rechtfertigungstext von Fabian Wolff reagierte der oben erwähnte Philipp Peyman Engel in seinem Beitrag "Kostümjude".

Er hebt ihn in doppelter Weise auf eine höhere Ebene:

Er enthüllt, dass die Jüdische Allgemeine seit geraumer Zeit wusste, dass Fabian Wolff ein Kostümjude ist, aber es nicht schrieb:

Ausschlaggebend waren für uns moralische Erwägungen: Kurz zuvor hatte der »Spiegel« in einer großen Recherche herausgefunden, dass die Star-Bloggerin Marie Sophie Hingst wie Fabian Wolff ihre jüdische Familiengeschichte frei erfunden hatte. Wenige Wochen nach Erscheinen des »Spiegel«-Textes nahm Hingst sich das Leben.

Aber das ist nicht das einzige Beispiel, das Philipp Peymann Engel enthüllt oder nochmals erläutert:

Schon der Fall Max Czollek war ein äußerst unangenehmes Beispiel für kulturelle Aneignung, was nur dank der Entschlossenheit des Schriftstellers Maxim Biller und des Zentralrats der Juden öffentlich wurde. Immerhin hatte Czollek noch einen jüdischen Großvater.

Bei Fabian Wolff ist es noch extremer. Er ist ein Hochstapler und Lügner, der sich jahrelang ... wider besseres Wissen als Jude ausgegeben hat. Und obendrein jeden Nichtjuden, der nicht seine extrem antiisraelische Position teilte, zum Beispiel als »Kartoffel« abwertete.

Wahrscheinlich gibt es zahlreiche "SprecherInnen von Minderheiten", die mit einem gefälschten Ticket reisen.

Das zeigt noch eine andere Ebene. Im Jahre 1967 publizierte Roland Barthes einen kurzen, aber wirkmächtigen Essay "Der Tod des Autors", der eine Lawine auslöste oder Teil einer solcher war.

Ende der 1980er-Jahre war der Text nahezu alles, der Autor abgewertet. 

Selbst Autorenbiographien waren verpönt. Heute findet man auf der Webseite des Suhrkamp-Verlags sowohl die gesammelten Schriften von Roland Barthes mit dem anregenden Aufsatz "Der Tod des Autors" und eine verdienstvolle Biographie des leider zu früh tödlich verunglückten Autors.

Im Vergleich zu Ende der 1980er-Jahre drehte sich die Situation; nun will man "SprecherInnen von Minderheiten". Die "AutorInnen" sind nahezu alles, der Text abgewertet.

Diese Situation zeigt durch Enthüllungen wie die über Fabian Wolff seine Grenzen. Wohin wird sie aufgelöst?

Mittlerweile steht vor dem Haupttext dieses Unpiqs auf ZEIT-ONLINE:

Vor Publikation dieses Textes hatten wir die Aussagen des Autors einem Faktencheck unterzogen, wie es unseren Standards entspricht. Nach Erscheinen wurde in anderen Medien nahegelegt, Fabian Wolff schreibe hier die Unwahrheit. Wir gehen diesen Vorwürfen nach, wie es ebenfalls unseren Standards entspricht.

Unpiq: Fabian Wolff – das Gegenteil eines Fehlers ist ein Fehler

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Kommentare 19
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 9 Monaten

    Ein neuer Schritt:
    https://blog.zeit.de/g...?

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 9 Monaten

    Die SZ löschte nun alle Artikel von Fabian Wolff:
    https://www.juedische-...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 9 Monaten

      Ich würde sie als Beispiel kennzeichnen und stehen lassen ….

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      @Thomas Wahl Ich finde das auch besser.

  3. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 9 Monaten

    Die Debatte geht weiter.

    »Fake Jews bedienen eine Marktlücke«
    Die Judaistin und Historikerin Barbara Steiner über »Kostümjuden«, ihre Motive und den Fall Fabian Wolff
    https://www.juedische-...

    Aufschlussreich finde ich, warum Sie Schwierigkeiten mit dem Ausdruck "Kostümjude" hat.

  4. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 9 Monaten

    Die Diskussion geht weiter.

    Nele Pollatschek schreibt in der SZ:

    "Der Fall Wolff ist speziell und dennoch von großer Relevanz, weil sich die Diskussionen um Sprecherpositionen mit solcher Regelmäßigkeit wiederholen – in Deutschland meist jüdische, in Amerika betrifft das Phänomen häufig schwarze und indigene Menschen –, dass man die Gelegenheit nutzen muss, um daran zu erinnern, was eine Täuschung ist, was eine schwerwiegende Täuschung ist, wenn man ein Argument an eine Sprecherposition bindet. Wer nach eigener Meinung jüdisch ist, aber nicht „als Jude“ schreibt, der muss nicht sagen, ob er Konvertit oder Vaterjude oder Großvaterjude oder erst seit einem Fernsehereignis mit 18 oder nur so im allerweitesten Sinne Jude ist – ob seine Expertise also eine andere ist als die, die man bei der Selbstbezeichnung „Jude“ vermutet. Wer sich aber öffentlich als Jude äußert, besonders im Widerspruch zu gängigen jüdischen Erfahrungen, der muss sich vor Augen halten, was kooperative Leser annehmen und wo man diese Erwartungen ausräumen muss, wenn man nicht täuschen möchte."

    https://www.sueddeutsc...
    Alternativ bei blendle:
    https://blendle.com/i/...

  5. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 9 Monaten · bearbeitet vor 9 Monaten

    Ich finde das alles sehr merkwürdig. Wir wissen, dass es so was wie menschliche Rassen nicht gibt. Und dann bekommt man mit und durch einen Tropfen jüdischen Blutes so etwas wie eine jüdische Identität und schreibt "Ich bin Jude in Deutschland"? Obwohl man gar nicht in einer jüdischen Kultur aufgewachsen ist? Und keiner wundert sich?

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      Der Beitrag entstand, weil mir einfiel, als ich von der Enthüllung hörte, dass ich den Autor empfohlen hatte. Allerdings ist die Literaturkritik, die ich verlinkte, gut. Dabei bemerkte ich, dass Fabian Wolff häufiger Auftritte auf Piqd hatte - alle von Experten. Und hier fand ich nicht nur Bedenkliches, sondern Unsinn und starke Ressentiments gegen "Deutsche".
      Es war von der ZEIT u. a. gut, andere Stimme zu Wort kommen zu lassen, aber das scheint aus dem Ruder gelaufen zu sein. Die "SprecherInnen von Minderheiten" konnten oft historischen und politischen Blödsinn schreiben und es kam an, was man auch an den Likes auf Piqd erkennen kann.
      Der größere Skandal ist nicht, dass der Autor keine jüdische Großmutter oder andere jüdische Vorfahren hat, sondern welche Rechte er dadurch bekam: Wie darf ein junger Mann, der in Berlin geboren und aufgewachsen ist, alles Deutsche ohne Begründung in großen Blättern niederschreiben? Wie kann er als "Jude", der nicht in einer "jüdischen Kultur" aufgewachsen ist, über ein Land wie Israel, das er offensichtlich nicht kennt, so scharf urteilen und deutsche Kritiker als "Kartoffeln" abkanzeln?

      Es hat immer Hochstapler gegeben und so wird es bleiben. Flunkern ist menschlich, aber das Ausmaß ist durch die neue "Identitätspolitik" bedenklich geworden. Hier erhielten "SprecherInnen von Minderheiten" viel Platz, den sie gar nicht füllen konnten und wo sie Widersinniges als Mitglied einer "vulnerablen Gruppe" schreiben durften.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 9 Monaten

      @Achim Engelberg Ja, unbedingte Zustimmung. Aber wie soll das weitergehen? Ein Land aus radikalen, sich bekämpfenden Minderheiten? Moralische Kämpfe gehen über in radikale Taten? Der Verstand schweigt? Welche Gesellschaftstheorie hat das bisher prophezeit? Doch Dekadenz?

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      @Thomas Wahl Möglicherweise haben wir auch den Höhepunkt schon überschritten. Da es viele ungeklärte Stellen noch gibt, hilft zuweilen die Chronologie:

      Der letzte "Skandalartikel", so weit bekannt ist, erschien am 2. Mai 2021 und wurde auf Piqd einen Tag später empfohlen.

      Seit September 2021 wissen etliche Redaktionen, nach bislang unwidersprochener Aussage in der Jüdischen Allgemeinen, dass Fabian Wolff kein Jude ist.

      Vielleicht gab es eine interne Regelung, die aus Gründen, die wir noch nicht kennen, jetzt hinfällig geworden ist.

      Seitdem sind etliche, die sich mit falschen Biographien schmückten, aufgeflogen.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 9 Monaten · bearbeitet vor 9 Monaten

      @Achim Engelberg Mag sein. Aber dann kommt der nächste Aufreger aus Identitäts-, Gender-, oder xy-Phobiepolitik.

  6. Dagmar Feldt
    Dagmar Feldt · vor 9 Monaten

    ich stolpere über folgenden Satz: „ ist kein Jude, sondern das, was er häufig verdammte:
    Ein Deutscher.“ Seit wann ist Jude sein und Deutscher sein (wieder) etwas was sich gegenseitig ausschließt. Vielleicht einfach bei „kein Jude“ belassen, das sondern ein Deutscher macht mir richtig Bauchschmerzen und ist sicher nicht so gemeint…

    1. Detlev Devantié
      Detlev Devantié · vor 9 Monaten

      Das wollte ich gerade auch schreiben. Eine bemerkenswert fragwürdige Kennzeichnung, die hoffentlich!! Nicht auf die Haltung des Kommentators schließen lässt.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      Ich beziehe mich auf den Text, der mit dem Satz anfängt:
      "Ich mag es nicht, diesen Text auf Deutsch zu schreiben, manchmal empfinde ich Deutsch an sich als Belastung."
      Im weiterem Text baut der Autor Wolff diesen Gegensatz auf.
      So spricht er etwa von "Jüdinnen*Juden und Deutsche".

      Und das wurde von Leuten von der ZEIT angenommen und publiziert, hier auf Piqd empfohlen und erhielt viele Likes.

      Auch in anderen Texten ist das "Deutsche" das Negative.

    3. Dagmar Feldt
      Dagmar Feldt · vor 9 Monaten

      @Achim Engelberg okay verstanden, danke

    4. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 9 Monaten

      @Achim Engelberg Ich finde nicht, dass dieser Hinweis den Kommentar von @Dagmar Feldt aufhebt. Das steht da einleitend und sogar extra hervorgehoben als "Fakt". Und eine Aussage auf Basis falscher Kategorisierungen kann von vornherein nicht faktisch sein. Wobei hinzukommt, dass man sich bei einem "Deutschen" wahrscheinlich noch mehrheitlich darauf einigen kann, dass damit eine Staatsbürgerschaft gemeint ist (wenn keine weiteren Attribute dabeistehen), während man beim "Juden" sofort im Getümmel landet, denn es "gibt" Juden, die nicht der jüdischen Religion anhängen, und was ist Judentum dann, denn eine Ethnie ist es ja auch nicht...

      Aber das Thema ist ja hier das "Kostümjudentum", und das ist auch schräg, denn keine Aussage sollte mehr oder weniger richtig sein, nur weil eine Person mit einer bestimmten Identität oder Nicht-Identität sie trifft. Man mag meinetwegen im ersten Schritt beurteilen, was von einer Aussage an sich zu halten ist und dann – GANZ abgesehen davon! – hinzufügen, was das über den Menschen sagt, der eben diese Aussage getroffen hat. Aber das gehört sauber getrennt.

    5. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      @Michael Praschma Es ist ein Fakt, dass Fabian Wolff Deutscher ist.

    6. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 9 Monaten

      @Achim Engelberg Habe ich mich so undeutlich ausgedrückt? – Da steht, er sei nicht Jude, sondern (!) Deutscher. Und damit kann der ganze Satz nicht mehr etwas Faktisches ausdrücken; einfacher gesagt: Der Satz ist unsinnig.

    7. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 9 Monaten

      @Michael Praschma Der Satz ist nicht unsinnig, da er in einer Erklärung eingebunden ist.

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