Gibt es eine islamische Philosophie oder gar eine arabische Aufklärung? Oder sollte man diese Begriffe nicht gleich am besten in Anführungszeichen setzen? Jedenfalls gab es immer mal wieder Denker im arabischen Raum, die sich nicht von religiösen Autoritäten haben einschüchtern und eingrenzen lassen. Dass ihre philosophischen Auffassungen jedoch die gesellschaftlichen Systeme und Kulturen im Nahen Osten dauerhaft geprägt hätten, lässt sich nicht erkennen. Aber solche Wirkungen sind vielleicht auch gar nicht so relevant, wie dieses Hörstück über den andalusischen Philosophen Averroës zeigt: Er zählt zu jenen arabischsprachigen Denkern, welche die griechische Philosophie nicht nur vor dem Vergessen bewahrt haben, sondern auch wichtige Kommentare zur abendländischen Philosophie verfassten und damit die spätere Rezeption der alten griechischen Schriften beeinflussten. In einer religiös geprägten Welt gelang es Averroës zudem, dem philosophischen Denken erhebliche, bis dahin kaum für möglich gehaltene Spielräume zu eröffnen. Kurz gesagt setzte er durch, dass bildhafte Koranpassagen von philosophisch geschulten Gelehrten interpretiert werden durften. Darüber hinaus formulierte er eigene, ketzerisch-philosophische Ideen zur Entstehung der Welt und zur Sterblichkeit der individuellen Seele, die in diesem Hörstück vorgestellt werden. Während die Geschichte der arabischen Provinz al-Andalus bis heute erstaunlich wenig erforscht ist - eigentlich weiß man sogar fast gar nichts -, wird Averroës' Werk an arabischen Universitäten wieder gelesen.