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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Ihr Ziel ist ein Kapitalismus ohne Demokratie

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMittwoch, 13.12.2023

Seit den 1950er Jahren bezeichnen sich damals immer wichtiger werdende Feinde der Demokratie als "Neoliberale". Der immer lesenswerte kanadische Historiker Quinn Slobodian schreibt in seinem gerade auf Deutsch bei Suhrkamp erschienenen Buch "Kapitalismus ohne Demokratie" über diese Gruppe:

Es gibt verschiedene Definitionen für den Begriff, aber in diesem Buch werden mit der Mont Pèlerin Society (oder verwandten Denkfabriken) assoziierte Personen als Neoliberale bezeichnet. 

Unter den Neoliberalen waren Intellektuelle mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen, die jedoch durch die Überzeugung geeint wurden, dass der Kapitalismus im Zeitalter der Massendemokratie vor der Demokratie geschützt werden musste.

Tom Wohlfahrth stellt das Buch hier in der taz vor und endet seine Rezension über neue Versuche der "Neoliberalen" mit den Worten, dass Quinn Slobodian 

ihren zynischen Visionären ein beeindruckend akribisch recherchiertes und dabei erfreulich pointiert geschriebenes Buch, das wir als Warnung vor einer (bereits gegenwärtigen) Zukunft verstehen müssen, in der Staaten als Unternehmen auch rechtlich nicht mehr dem Staatsvolk als Ganzem gehören, sondern allenfalls noch seinen reichsten Vertretern.

Man darf sich von den libertären Fluchtfantasien nicht täuschen lassen. Am Ende weiß auch jemand wie Peter Thiel – Paypal- und Palantir-Gründer sowie Seastead-Unterstützer –, dass eines noch besser ist, als „mühsam einen neuen Staat zu errichten“: nämlich „den existierenden Staat zu übernehmen“.

Die Gefahr vor den apokalyptischen Reitern des "Neoliberalismus", die Freiheit predigen und Diktaturen errichten, ist noch nicht gebannt. Sie sind die größte Gefahr für die Menschheit.

Wer tiefer in diese Welt mit dem Reisebegleiter Quinn Slobodian eintauchen will, findet auf dessen Webseite diverse Routen; so etwa ein Gespräch über das Buch "Kapitalismus ohne Demokratie" mit dem österreichischen politischen Schriftsteller Robert Misik, der auf Piqd kein Unbekannter ist. Hier ein piq, der seinen großartigen Orwell-Essay vorstellt, und damit gleichzeitig auf seine Webseite führt, wo viele Beiträge zu hier erläuterten Zusammenhängen zu lesen sind.

Ach, Quinn Slobodian mittlerweile als Standardwerk erkannte Schrift "Globalisten. Das Ende der Imperien und die Geburt des Neoliberalismus" ist immer noch lesenswert; man findet sie in deutscher Übersetzung von Stephan Gebauer wie das neue Werk bei Suhrkamp.

Gestern & Heute: Ihr Ziel ist ein Kapitalismus ohne Demokratie

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Kommentare 16
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 5 Monaten

    Nur mal so nebenbei, Neoliberale haben fast alle eine starke Rolle des Staates gefordert, Aber nicht als Wirtschaftsplaner ….. Hier wird alles vermischt und umgerührt. Orwell hat vor allem vorm Stalinismus gewarnt und Neoliberale sind nicht gleich Marktradikale.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 5 Monaten

      Natürlich setzen Neoliberale auf den diktatorischen Staat, deshalb durften sie zuerst in der faschistischen Militärdiktatur in Chile ran. Und sie taten es.

      Den Orwell-Piq erwähnte ich ja nur, um auf die Webseite von Robert Misik hinzuweisen. Sein Gespräch mit Quinn Slobodian ermöglicht einen guten Einstieg, da auf der Webseite sehr viele Beiträge sind. Allerdings fand ich keinen, wo etwas unzulässlich vermischt wird, sondern wie es in der verlinkten Rezension zum neuen Buch steht, dass es ein "beeindruckend akribisch recherchiertes und dabei erfreulich pointiert geschriebenes Buch" ist.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Es gibt das eine Beispiel Chile, wo eine Gruppe Wirtschaftsliberaler mit einer Diktatur zusammengearbeitet hat. Das war beschämend. Aber das immer mantramäßig zu wiederholen und als grundlegendes Merkmal des "Neoliberalismus" darzustellen, das ist zwar eine bewährte populistische Methode aber keine sachliche Auseinandersetzung mit den vielfältigen wirtschaftsliberalen Strömungen und ihren Wirkungen. Funktioniert leider immer wieder. Dann der Tonfall - die apokalyptischen Reiter usw.. In einer Zeit wo Haß und Wut in unseren Gesellschaften zunimmt, da finde ich das keinen guten Ton. Sorry ….

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl Im zweiten Land, in Großbritannien, in denen ihr Programm umsetzten, schwächten sie die Gewerkschaften so stark, dass viele verarmten.
      Und jetzt arbeiten sie an der Abschaffung der Demokratie. Das ist kein Mantra, sondern ein gerade auf Deutsch erschienenes Buch. Wo haben Sie denn ein gutes Gemeinwesen erreicht?

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Also GB war unter der sozialistischen Regierung vor Tatcher schon auf dem absteigenden Ast. Mit und durch die starken Gewerkschaften. Tatcher wurde erst dadurch möglich, hat aber die Deindustrialisierung des Landes nur zeitweise aufgehalten.

      Ich finde übrigens die Gemeinwesen in den westlichen Ländern wesentlich besser als in allen anderen Weltregionen. Nicht ideal, nicht selbstverständlich, das muß man erst mal schaffen und erhalten.

      Die Demokratie ist sicher in Gefahr sich selber abzuschaffen. Nur ist das ein komplizierter Prozess und keine neoliberale Verschwörung.

    5. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl Klar, oft wird erst verändert, wenn es eine Krise gibt.

      Allerdings, wo Neoliberale ans Ruder kamen, wurde es stets schlimmer. Hier der Russland-China-Vergleich: https://www.piqd.de/us...

      In vielen westlichen Ländern, wo es besser ist, durften Neoliberale nicht voll ran und sie konnten Errungenschaften des letzten Jahrhunderts nicht voll zerstören.

      Wo ist das Beispiel, wo ein neoliberales Programm die Lage verbesserte?

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Das ist das Problem, wenn man alles wo jemand was von freien Märkten und Privatisierung erzählt dann als Neoliberalismus bezeichnet. Eine wissenschaftliche Methode ist das nicht. Zum Neoliberalismus gehört auch ein starker Staat mit funktionierenden Institutionen, der die Regeln des Wettbewerbs überwacht, etwa die Bildung von Monopolen verhindert und auch unlauteren Wettbewerb verhindern. Auch den Sozialstaat wollen sie nicht abschaffen aber zumindest auf ein bestimmtes Maß optimieren. In welchem Maß, da sind sich die Vordenker sicher nicht einig. Auch kann man den starken Staat u.U. als diktatorisch gestalten und hat das teilweise auch getan. Das unterscheidet Neoliberale nun aber wirklich nicht von Sozialisten. Und auch manch ein Demokrat hat versucht Demokratie mit Macht einzuführen (nicht nur in D nach 1945 oder in Südkorea - und mehr oder weniger erfolgreich).

      Raubtierprivatisierung ist also kein Liberalismus und schon gar kein Neoliberalismus. Hatte ich aber in dem Kommentar zum China-Rußland Piq schon geschrieben. Eine sich bereichernde Machelite - seien es die Kinder der Nomenklatura in Rußland oder die roten Prinzen in China - sind (meist) keine Neoliberalen oder keine guten Unternehmer sondern macht- und geldgierige Egoisten. Die gibt es natürlich immer und überall.

      So zeigt das nur, dass man nicht weiß, was die (sicher nicht ganz homogenen) Vertreter wirklich geschrieben/gewollt haben. Man sollte daraus auch nicht nur einzelne Sätze zitieren. Das gilt sicher für alle großen Konzepte - von Marx, Weber bis Keynes.

      In diesem Sinne war m.E. China viel eher ein neoliberales Experiment. Deng hat zumindest bestimmte Zweige der Volkswirtschaft für den Wettbewerb frei gegeben und den starken Staat als Steuerungsinstrument erhalten. Das war gegenüber Gorbatschov die richtige Reihenfolge. Hätten die Chinesen später noch den Staat demokratisiert, dann hätte es eine liberale Demokratie werden können. So könnte es auch wieder zurück kippen in eine Diktatur. Siehe hier:
      https://www.piqd.de/us...

      Im übrigen haben ja alle asiatischen Tiger (Südkorea, Taiwan, Singapur, Honkong, Japan (?) so was wie eine Entwicklungsdiktatur hin zu demokratischeren Strukturen hinter sich. Das scheint ein realistischer Weg zu sein. Selbst das könnte man, mit zugedrückten Augen, als Neoliberalismus sehen. Aber ein Begriff, der alles erklärt, der erklärt letztendlich nichts - fürchte ich.

      Und wenn Du mir jetzt noch ein sozialistisches Programm nennst, das "die Lage" (welche) verbessert hat (Rußlands Bolschwiki, Venezuela, Pol Pot, Vietnam?), dann bin ich zu frieden. Oder meinst Du den schwedischen Weg zum Sozialismus, der fast im Staatsbankrott endete? Ich denke, wie der Neoliberalismus nicht allein irgendwie freie Märkte bedeutet, ist nicht ein mehr oder weniger großes Sozialsystem oder eine radikale Umverteilung schon Sozialismus. Ein starker Sozialstaat und Wohlstand geht nur mit starker und effizienter Wirtschaft.

    7. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl ...also mich freut es, den vorletzten Satz von dir zu lesen Thomas. Weil in meiner Wahrnehmung diskutierst häufig genau so, dass ich den Eindruck habe, dass du das eben doch immer gleich "Sozialismus" findest.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten

      @Marcus von Jordan Das wäre ein großes Mißverständnis. Ich habe doch eigentlich nie gefordert den Sozialstaat abzuschaffen oder so? Ich bin doch nicht blöd, meine Rente hängt am Sozialsystem. Es ging mir eigentlich immer um die Balance. Und darum, das im Westen die Sozialstaaten und auch der staatliche Einfluß durch aus stark sind und daher ein einfaches immer mehr nicht die Lösung sein kann. Und das im Extrem im Sozialismus endet.

    9. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl Ich habe kein sozialistisches Programm genannt; bitte den Link ansehen.

      Alle vorgestellten Autoren sind anerkannte Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler.

      Die Kennzeichnungen von Quinn Slobodian, und über den geht es in diesem Piqd, sind vollkommen andere als in Deinen Kommentaren. Niemals behauptet er, Neoliberalismus heißt freie Märkte.

      Wo Neoliberale an die Macht kommen, wird der Sozialstark so stark abgebaut, dass viele verarmen.

      Der Neoliberalismus bleibt ein, nicht der einzige, apokalyptischer Reiter.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Wenn es nicht um freie Märkte geht, dann ist es kein Neoliberalismus. Worüber reden wir oder Slobodian da? Hayek (lies einfach mal was er geschrieben hat) und den anderen in der Mont Pèlerin Society ging es nicht um den Schutz der Märkte vor der Demokratie sondern vor den Totalitarismen. Das sie die Demokratie an sich abschaffen wollten ist Unsinn. Und in einer Demokratie ist eine Forderung nach weniger Staat und weniger Sozialstaat nicht undemokratisch und keine Abschaffung der Demokratie. Nicht mal bedeutet es zwangsläufig mehr Armut oder mehr Ungerechtigkeit. Demokratie heißt nicht möglichst viel Staat sondern demokratisch legitimierte Versuche die Relationen von Staat, Zivilgesellschaft, Individualismus und Wirtschaft ständig zu optimieren und an die globale Entwicklung anzupassen.

      Nein du hast kein sozialistisches Programm genannt. Dann hättest Du feststellen müssen, das diese die Lage auch meist nicht verbessert haben und eben Gegner der Demokratie waren. Man könnte da auch apokalyptische Reiter vermuten. Aber wir sind hier nicht in der Bibel.

      Und nein, Neoliberale im wirklichen Sinne kommen meist an die Macht, wenn Diktaturen, der überzogene Sozialstaat und andere historische Entwicklungen Wirtschaft und Wohlstand gefährdet haben, die steigende Armut nicht mehr zu verhindern war. Klassisch in GB, in China nach Mao, schon im Ansatz völlig mißglückt nach Gorbi (ich glaube nicht, dass dort Neoliberale wirklich Macht hatten). Und in Chile war es ein großer Fehler der Gruppe sich mit Pinochet einzulassen. Aber wie gesagt, die diktatorische Versuchung kennen Sozialisten fast noch öfter. Bitte lies doch mal gründlich, was ich schreibe. Sonst hat es keinen Zweck.

    11. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl Einmal ist es notwendig, daß die Wirtschaftspartner zu jedem Preis kaufen und verkaufen dürfen, zu dem sie einen Kontrahenten finden, und daß, wenn irgend etwas überhaupt produziert, verkauft oder gekauft werden darf, dies jedermann erlaubt sein muß. Es ist ferner wesentlich, daß die verschiedenen Erwerbszweige allen zu den gleichen Bedingungen offenstehen und da das Recht sich jedem Versuch von Individuen oder Gruppen widersetzt, die Gewerbefreiheit durch offene oder verschleierte Gewalt zu beschränken. Jeder Versuch, die Preise oder die Mengen bestimmter Produkte zu regulieren, vereitelt eine befriedigende Abstimmung der Wirtschaftsakte der Individuen durch den Wettbewerb, da Preisänderungen dann nicht mehr alle wesentlichen Datenänderungen registrieren und den einzelner. keinen
      zuverlässigen Anhaltspunkt füir ihre Wirtschaftsakte liefern. Das gilt jedoch nicht unbedingt für Maßnahmen, die sich darauf beschränken, zu bestimmen, welche Produktionsmethoden erlaubt sind und welche nicht, solange diese Beschränkungen auf alle eventuellen Produzenten gleichmäßig angewandt werden und nicht indirekt zur Beherrschung der Preise und der Produktionsmengen dienen. Obwohl jede. derartige Reglementierung der Produktionsmethoden Mehrausgaben verursacht, d.h. zur Erzeugung einer bestimmten Gütermenge einen Mehraufwand an Produktionsmitteln erfordert, so kann sie doch sehr wohl am Platze sein. Das Verbot, gewisse giftige Substanzen zu benutzen oder die Forderung besonderer Vorsichtsmaßregeln bei ihrer Verwendung, die Beschränkung der Arbeitszeit oder die Forderung bestimmter sanitärer Vorschriften ist mit der Beibehaltung des Leistungswettbewerbs durchaus vereinbar. Es fragt sich in diesem Zusammenhang nur, ob im einzelnen Fall die Vorteile größer sind als die gesellschaftlichen Kosten. Die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs ist sehr wohl auch mit einem ausgedehnten System der Sozialfürsorge vereinbar- solange dieses so organisiert ist, daß es den Wettbewerb nicht weitgehend lahmlegt.
      Es ist bedauerlich, wenn auch durchaus erklärlich, dass man in der Vergangenheit diesen positiven Erfordernissen für das erfolgreiche Funktionieren des Konkurrenzsystems viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt hat als den negativen. Das Funktionieren des Wettbewerbs setzt nicht nur eine zweckmäßige Organisation bestimmter Institutionen wie z. B. des Geldes, der Märkte und der Informationsquellen voraus, wofür wir uns in vollem Umfang auf die Privatinitiative verlassen können, sondern es hängt vor allem von der Existenz entsprechenden Rechtssystems ab, das die doppelte Aufgabe hat, den Wettbewerb aufrechtzuerhalten und ihn mit einem Maximum an Nutzen arbeiten zu lassen. Es genügt keineswegs, daß das Recht das Prinzip des Privateigentums und der Vertragsfreiheit anerkennt. Denn es hängt viel davon ab, welche genaue rechtliche Definition dem Eigentumsrecht je nach den Gegenständen gegeben wird, auf die es sich bezieht. Leider ist die systematische Erforschung der Rechtsformen, die den Leistungswettbewerb sicherstellen, arg vernachlässigt worden. Und es lassen sich gewichtige Gründe dafür anführen, daß ernste Mängel auf diesem Gebiet, besonders im Gesellschafts- und Patentrecht, nicht nur zu einem weit schlechteren Funktionieren des Wettbewerbs geführt haben, als man hätte erwarten dürfen, sondern ihn auf vielen Gebieten sogar vernichtet haben. …..

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl "Schließlich gibt es unumstrittene Bereiche, in denen das Recht außerstande ist, die Hauptvoraussetzung für die positive Wirksamkeit des freien Wettbewerbs und des Privateigentums zu schaffen, nämlich die, daß der Eigentümer für den Nutzen, den die Verwendung seines Eigentums stiftet, belohnt wird und für den Schaden, den es anderen verursacht, aufkommen muß. Wo es beispielsweise unmöglich ist, den Genuß gewisser Leistungen von der Zahlung eines Preises abhängig zu machen, wird der Wettbewerb diese Leistungen nicht hervorbringen. Das Preissystem wird gleichfalls unwirksam, wenn der durch eine bestimmte Verwendung des Eigentums hervorgerufene Schaden nicht wirksam auf den betreffenden Eigentümer abgewälzt werden kann. In allen diesen Beispielen besteht eine Divergenz zwischen den Posten, die unter die private Kalkulation fallen, und denen, die das Wohl der Gesellschaft betreffen. In jedem Falle, wo die Divergenz ein großes Ausmaß annimmt, muß man eine andere Methode als den Wettbewerb ausfindig machen, um die betreffenden Leistungen hervorzurufen. So können weder die Kosten der Aufstellung von Wegweisern noch in den meisten Fällen die Kosten des Straßenbaues jedem einzelnen Benutzer aufgebürdet werden. Auch gewisse Schäden, die durch Abholzung, bestimmte landwirtschaftliche Anbaumethoden oder den Rauch oder Lärm der Fabriken verursacht werden, können nicht auf den betreffenden Eigentümer beschränkt werden oder auf solche, die bereit sind, sich gegen eine ausbedungene Entschädigung den Schaden gefallen zu lassen. Unter solchen Umständen müssen wir irgendeinen Ersatz für die Regulierung des Preismechanismus finden. Aber die Tatsache, das wir in Fällen, in denen die Bedingungen für das richtige Funktionieren des Leistungswettbewerbs nicht hergestellt werden können, die automatische Regulierung durch staatliche Lenkung ersetzen müssen, ist durchaus kein Beweis dafür, daß wir den Wettbewerb dort ausschalten solten, wo er funktionieren kann.

      Die Schaffung von Bedingungen, unter denen der Wettbewerb den größtmöglichen Nutzen stiftet, seine Ersetzung in Fällen, in denen kein echter Wettbewerb möglich ist, die Bereitstellung von Leistungen, die, um mit Adam Smith zu reden, "zwar der Gesellschaft als Ganzem höchst nützlich, doch der Art sind, daß sie für einen einzelnen oder eine geringe Zahl von einzelnen nicht rentieren" das alles sind Aufgaben,die in der Tat ein weites und unumstrittenes Gebiet für die Betätigung des Staates darstellen. Kein vernünftiger Mensch kann sich ein Wirtschaftssystem vorstellen, in dem der Staat ganz untätig ist. Ein reibungslos arbeitendes Konkurrenzsystem braucht so gut wie jedes andere einen klug durchdachten und seinen Erfordernissen fortlaufend angepaßten rechtlichen Rahmen. Selbst die wesentliche Vorbedingung für das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs, nämlich die Verhütung von Betrug und Vorspiegelung falscher Tatsachen, einschließlich der Ausbeutung von Unwissenheit, setzt der Tätigkeit des Gesetzgebers ein hohes und noch keineswegs restlos erreichtes Ziel."

      Der Weg zur Knechtschaft (Olzog Edition)" von Friedrich A. von Hayek

    13. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten · bearbeitet vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Hier ein kleiner Text von Hayek zur Klarstellung. In der Tat fordert er einen starken aber keinen totalitären Staat und nicht die Abschaffung der Demokratie. Letzteres wäre aber auch nicht der Unterschied zu den Sozialisten. Die haben das oft genug praktiziert, wahrscheinlich öfter als Neoliberale:

      "Meine Absicht war es zu zeigen, daß es nicht die besonderen Ziele waren, denen die verschiedenen totalitären Systeme zu dienen vorgaben, die ihre Brutalität hervorriefen, sondern daß diese eine notwendige Folge jedes Versuches sein müssen, eine ganze Gesellschaft völlig den von den Herrschern bestimmten Zielen dienstbar zu machen. Der Gegensatz zwischen einer freiheitlichen Ordnung, in der der einzelne innerhalb der Schranken der Regeln des gerechten Verhaltens sein Wissen in der Verfolgung seiner selbst gewählten Ziele verwenden darf, und einem System, unter dem alle den von der Obrigkeit festgesetzten Zielen dienen müssen, scheint mir immer noch grundsätzlich und unüberbrückbar.

      Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, das, wenn man sich gegen diese Art von Planwirtschaft wendet, man damit kein dogmatischer Anhänger des Laissez-faire ist. Der Liberalismus lehrt, daß wir den bestmöglichen Gebrauch von den Kräften des Wettbewerbs machen sollen, um die Wirtschaftsaktivität der Individuen aufeinander abzustimmen, er lehrt aber nicht, daß wir die Dinge sich selber überlassen sollen. Er beruht auf der Überzeugung, daß dort, wo ein echter Leistungswettbewerb möglich ist, diese Methode der Wirtschaftssteuerung jeder anderen überlegen ist. Er leugnet nicht, sondern legt sogar besonderen Nachdruck darauf, daß ein sorgfältig durchdachter rechtlicher Rahmen die Vorbedingung für ein ersprießliches Funktio- nieren der Konkurrenz ist und daß sowohl die jetzigen wie die früheren Rechtsnormen von Vollkommenheit weit entfernt sind. Der Liberalismus leugnet auch nicht, daß wir dort, wo die Bedingungen für einen echten Leistungswettbewerb nicht geschaffen werden können, zu anderen Methoden der Wirtschaftssteuerung greifen müssen. Er lehnt es jedoch ab, den Wettbewerb durch schlechtere Methoden der Ordnung des Wirtschaftslebens zuersetzen. Er hält die Konkurrenz nicht allein deshalb für über legen, weil sie in den meisten Fällen die wirksamste Methode ist,
      die wir kennen, sondern vor allem deshalb, weil sie die einzige Methode ist, die uns gestattet, unsere wirtschaftliche Tätigkeit ohne einen zwangsweisen oder willkürlichen Eingriff Behörden zu koordinieren. In Wahrheit ist es eines der Hauptargumente zugunsten der freien Konkurrenz, daß sie eine bewußte Wirtschaftslenkung überflüssig macht und den Individuen die Entscheidung überläßt, ob die Aussichten in einem besonderen Erwerbszweig groß genug sind, um die damit verbundenen Nachteile und Risiken zu kompensieren.
      Die erfolgreiche Anwendung des Wettbewerbs als des Ordnungsprinzips der Gesellschaft ist mit einigen Arten von Zwangseingriffen in das Wirtschaftsleben unvereinbar; es läßt aber andere zu, die seine Wirkung kräftig unterstützen können, ja, es macht sogar bestimmte Arten der staatlichen Aktivität notwendig. Aber wenn man besonderen Nachdruck auf die negativen Erfordernisse gelegt hat, auf die Punkte, in denen Zwangsmaßnahmen sich verbieten, so hat das seinen guten Grund. …."

      (Fortsetzung folgt)

    14. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 5 Monaten

      @Thomas Wahl Trotz ellenlanger Kommentare: Schon beim Erscheinen der Bücher von Hayek warnten kluge Leute vor dieser Theorie: In der Praxis werde sie verheerend wirken.

      Im Chile von Pinochet wurde sie umgesetzt; der Diktatur lud ihn ein, er besuchte ihn gleich mehrfach und verteidigte den Massenmörder.

      Es bleibt bei allen Kommentaren die Frage unbeantwortet:

      Wo haben Neoliberale denn ein gutes Gemeinwesen erreicht?

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 5 Monaten

      @Achim Engelberg Wer hat nach deiner Meinung überhaupt mal ein gutes Gemeinwesen erreicht? Was verstehst Du überhaupt darunter? Solche Suggestivfragen sind doch ein rethorischer Trick. Wenn ich sage, das im Westen eigentlich ganz gute Gemeinwesen existieren, dann kommt die Antwort, na ja, da konnten die Neoliberalen nicht wie sie wollten. Obwohl die ganze Zeit gewarnt wurde vor der riesigen Gefahr des angeblichen Neoliberalismus. Ich diskutiere das mit linken Freunden schon seit den 80er Jahren. Und immer kommt dann Chile als Beleg für alles.

      Ja, in Chile hat man versucht das Konzept von Hayek im Extrem wirtschaftspolitisch umzusetzen. Hayek hat da auch moralisch und konzeptionell tragisch überzogen. (Und wurde dafür von vielen aus dem Kreis der Neoliberalen hart kritisiert. Hayek ging zunehmend oft bis zum Äußersten. Plädierte allerdings auch für ein Mindesteinkommen, „unter das niemand zu sinken brauche“, diese Mindestabsicherung sei eine selbstverständliche Pflicht der Gesellschaft.) So ist das alles kein Beweis dafür, dass "die Neoliberalisten oder "der Neoliberalismus" die Demokratie abschaffen wollen oder tun und als apokalyptische Reiter über den Globus toben. So wie Stalin mit seinen Massenmorden kein Beweis ist, dass alle Sozialisten das anstreben. Und wenn der Sozialismus nach Stalin wirtschaftlich, sozial und demokratisch erfolgreicher gewesen wäre, dann wäre das wahrscheinlich ein völlig anderer Pfad der Weltgeschichte. War er aber nicht. Und in Südamerika ist so Chile der wohlhabendste und funktionierendste demokratische Staat. Nicht Cuba, nicht Nicaragua und nicht Venezuela und auch nicht alle anderen korrupten Machodiktaturen.

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