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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Der rasende Historiker Timothy Snyder

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergDienstag, 11.04.2023

Nicht viele Osteuropahistoriker dürfen vor dem UNO-Sicherheitsrat sprechen. Bislang war es nur einer: Timothy Snyder.

Der Historiker, der im Jahre 2010 mit "Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin" ein weltweit beachtetes Werk vorlegte, schreibt mittlerweile mehr Artikel und hält Reden. Das höchste Gremium, das ihn einlud, war nun die UNO.

Was ist dran an der Russophobie, ist das Thema seines kurzen, prägnanten Vortrags. Nicht der Westen sei russophob, so seine zentrale These, sondern der Kreml, der das eigene Land in den Abgrund reißt. Die Täter spielen Opfer.

Hier findet man eine Einschätzung aus der NZZ, in der Ulrich M. Schmidt den vielsprachigen Historiker und zuletzt auch Agitator vorstellt.

Seine Deutung des russischen Überfalls auf die Ukraine ruht auf zwei Konzepten, die aus seiner Arbeit an «Bloodlands» stammen: Erstens bezeichnet er den Putinismus als «schizo-faschistisch», weil die russischen Machthaber die ukrainische Regierung als «faschistische Junta» bezeichnen, aber selbst Faschisten seien. Snyder hatte bereits den Stalinismus als eine Art sowjetischen Nationalsozialismus gedeutet.

Zweitens wirft Snyder dem Putin-Regime Völkermord in der Ukraine vor.

Kritisch wendet Ulrich M. Schmidt u. a. ein:

Putin wiederholt mit seinem Krieg nicht Stalins und Hitlers Verbrechen in der Ukraine. Er spielt vielmehr mit Versatzstücken aus der Geschichte und setzt sie zu einer monströsen Ideologie zusammen, die sich in absurden Widersprüchen verstrickt: Wir wollen unbedingt Frieden, darum führen wir Krieg. Wir kämpfen gegen den Westen und bombardieren deshalb ukrainische Städte. Die Ukrainer sind unsere Brüder, darum töten wir sie. Diese Wahnsinnslogik trägt die exklusiven Erkennungszeichen der Diktatur Putins.

In den letzten Jahren publizierte Timothy Snyder auch zahlreiche kurze Bücher über autoritäre Versuchungen in anderen Weltgegenden, nicht zuletzt in seiner amerikanischen Heimat.

Deshalb stellt hier der Guardian den rasenden Reporter, nein, Historiker in einem Longread als führenden Denker unseres dunklen Zeitalters vor.

Wer die Rede vor der UNO nicht nur hören und sehen will, findet hier den Text, der so endet:

Grundsätzlich möchte ich dem russischen Vertreter dafür danken, dass er mir dabei geholfen hat, den Punkt zu verdeutlichen, den ich in meinem Briefing darlegen wollte. Was ich zu sagen versuchte, ist, dass es dem Vertreter eines größeren Landes nicht zusteht zu sagen, dass das kleinere Land keine Geschichte hat. Der russische Vertreter hat uns gerade gesagt, dass immer dann, wenn die Ukrainer in der Vergangenheit oder in der Gegenwart behaupten, dass sie als Gesellschaft existieren, dies "Ideologie" oder "Russophobie" ist. Der russische Vertreter hat uns geholfen, indem er das Verhalten, das ich zu beschreiben versucht habe, beispielhaft dargestellt hat. Wie ich zu sagen versucht habe, ist die Ablehnung der Geschichte eines anderen oder die Bezeichnung als Krankheit eine koloniale Haltung mit völkermörderischen Folgen. Das Imperium hat nicht das Recht zu sagen, dass ein Nachbarland keine Geschichte hat. Die Behauptung, ein Land habe keine Vergangenheit, ist eine völkermörderische Hassrede. Diese Sitzung hat uns geholfen, die Verbindung zwischen den russischen Worten und Taten herzustellen. Ich danke Ihnen.

Seit Jahrzehnten hält Timothy Snyder Vorlesungen über The Making of modern Ukraine, die er immer wieder verfeinerte und aktualisierte. Seit etlichen Jahren hält er sie in New Haven, Connecticut, in der renommierten Yale-Universität.

Nun hat er die über 20 Vorlesungen à 50 Minuten ins Netz gestellt. Selbst für Kenner ist hier noch was zu finden.

Sie erklären und erzählen nicht nur die moderne Ukraine, sondern sie bringen uns die Region von der Antike bis heute näher, die von verschiedenen Herren und Besatzern bestimmt war.

Oft zeigt sich alte Geschichte in der Gegenwart. Timothy Snyder zeigt es an sprechenden Details.

Die Eltern der beiden gegenwärtigen Präsidenten Russlands und der Ukraine entschieden sich für den gleichen Vornamen. Im 20. Jahrhundert war offiziell durch die Nationalitätenpolitik der Sowjetunion nicht nur das russische Wladimir, sondern auch das ukrainische Wolodymyr möglich. Allerdings liegt die Wurzel nicht im "Urrussischen" oder "Urukrainischen", sondern bei den Wikingern.

Gestern & Heute: Der rasende Historiker Timothy Snyder

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Kommentare 2
  1. Josef Schick
    Josef Schick · vor einem Jahr

    Guter input! Jedoch verwundert es mich nicht, dass die UN einen Befürworter der kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland sucht.
    Für ein umfassendes Bild der Lage müssten sie z. B. auch Dr. Daniele Ganser als kritischen Betrachter der Situation einladen. Nur dann ist die UN, und sind berichtende Medien glaubwürdig.
    PS: Da ich sie als Empfehlung aus dem Buch „ Die vierte Gewalt“ gefunden habe, möchte ich sie nicht verlieren! Wollen wir nicht kollektiv in einen 3. Weltkrieg und/ oder in einem digital diktatorischen Land eines Tages leben, brauchen wir sie als Infoquelle!!!!

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor einem Jahr

      ist das nicht die Variante der - falsch verstandenen - Hufeisentheorie?
      ... es kann verfassungsrechtlich nur "Befürworter" des Krieges gegen russische Soldaten in der Ukraine geben, da Russland das Völkerrecht die UN-Charta verletzt hat.
      und stimmen Sie nicht zu, dass es keine Russophobie ist, Russland (im 21. Jahrhundert!) das Recht auf ein Imperium zu zusprechen?

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