Das glaubte wohl niemand, dass die letzte Inszenierung Heiner Müllers auch nach einem Vierteljahrhundert noch gezeigt wird: Bertolt Brechts Parabel über den Gangster Arturo Ui, der zum Diktator aufstieg.

Brecht verhüllte Hitler und seine Herrschaft in amerikanischem Ambiente, um sie zu enthüllen.

Es ist großes Schauspielertheater, das Brecht im amerikanischen Exil schrieb. Mit Ekkehard Schall, Brechts Schwiegersohn, in der Titelrolle avancierte das Stück in den 1960er Jahren zu einem Welterfolg aus Ostberlin.

Das Gleiche wiederholte Heiner Müller mit seiner Inszenierung 1995. Das Berliner Ensemble wirbt für den Abend mit den Worten:

Die Wirkung der Inszenierung Heiner Müllers war von Anfang an enorm: "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen, bekam Preise, bereiste als Gastspiel die ganze Welt – u. a. nach Mailand, Moskau, Avignon, Mulhouse, Istanbul, Lissabon, Buenos Aires, Sao Paulo, Gunajuato, Chambéry, Villeurbanne, Berkeley, Los Angeles, Bombay, Calcutta, Neu Delhi und Caracas und wurde bis heute über 400 Mal gespielt.

Da die Aufführung coronabedingt nicht zum Jubiläum gezeigt werden kann, ist eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1996 zu sehen und dadurch mit einigen Darstellern, die mittlerweile verstorben sind: mit Bernhard Minetti oder Volker Spengler.

Neben der sensationellen Leistung von Martin Wuttke, der die Hauptgestalt spielt, überzeugt das Stück mittlerweile mit drängender Aktualität.

Politiker, die wie Gangster agieren und dabei gefilmt werden, sind zwar noch nicht üblich, aber durchaus verbreitet – man denke an die "Ministerrunde" eines Jair Bolsonaro oder an dieses Video, in dem Fallschirmjäger ihn mit Hitlergruß begrüßen.

Mehr als früher wirkt, was Bertolt Brecht über das Stück sagte:

Ui … ist ein Versuch, der kapitalistischen Welt den Aufstieg Hitlers dadurch zu erklären, daß er in ein ihr vertrautes Milieu versetzt wurde.

Die Verbindung von Politik und Verbrechen wird mit ironischem Pathos dargestellt. Arturo Ui will nicht einfach die Macht ergreifen, sondern sie soll ihm übergeben werden:

Erst brauch ich selber Schutz. Vor Polizei

Und Richter muß ich erst geschützt sein, eh

Ich andre schützen kann. 's geht nur von oben.

Hab ich den Richter nicht in meiner Tasche

Indem er was von mir in seiner hat

Bin ich ganz rechtlos...

Und im Epilog heißt es:

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.