Er war nicht attraktiv, konnte ungerecht und böswillig sein, besaß keine auffällige Statur und soll gar wie ein Dorfpolizist gewirkt haben. So gesehen war dieser Nestor Machno keineswegs ein Che Guevara, mit dem er zuweilen verglichen wird. Allerdings besaß er wie der Argentinier einen willensstarken Blick, dem niemand lange standhalten konnte. Und beide hatten einen utopischen Anspruch sowie eine draufgängerische Bereitschaft zu Gewalt, die bei dem Ukrainer noch deutlich ausgeprägter gewesen sein dürfte. Aber er lebte auch in einer anderen Zeit.

Der Anarchist Macho führte in den frühen 1920er-Jahren eine freiwillige ukrainische Volksarmee an, die sich aus Partisanen und Bauern rekrutierte, denen sie immer wieder geholfen hatte. Dem Sohn eines freien Bauerns schwebte weniger ein Nationalstaat vor als ein Land voller unabhängiger Bauernschaften. Seine Truppen, Machnowschtschina genannt, kontrollierten zeitweise gar einen erheblichen Teil ihrer Heimat und setzten auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft, wie sie Bakunin und Kropotkin skizziert hatten (wie gut Machno deren Werke kannte, sei mal dahingestellt). 

In einer Region, die extrem hart vom Ersten Weltkrieg und dem darauffolgenden Russischen Bürgerkrieg gebeutelt war, mussten seine Männer gegen eine Vielzahl von feindlichen, gut gedrillten Soldaten kämpfen: gegen Nationalisten, zaristische Einheiten, deutsch-österreichische Truppen und Bolschewisten. Mit Letzteren paktierten sie teilweise, wenngleich Nestor Machno früh deren Gefährlichkeit erkannte. Und tatsächlich wurden seine Partisanen später brutal von den Bolschewisten zerrieben.

Nestor Machno selbst rettete sich nach Frankreich, wo er 1934 starb. Vom Autor des gut 40-minütigen Features, dem in Lemberg geborenen Mark Zak, ist 2019 übrigens das Buch "Erinnert Euch an mich. Über Nestor Machno" erschienen (hier eine Rezension). Bedauerlich nur, dass im DLF-Feature nicht verraten wird, ob man sich in der heutigen Ukraine noch an Machno erinnert oder sich gar von ihm inspirieren lässt.

Hierzulande wird Nestor Machno und seine Volksarmee in der anarchistischen Szene kritisch diskutiert. So erschien 2018 in der Zeitschrift Graswurzelrevolution ein anonym verfasster, längerer Text zur Gewaltkultur der Machno-Bewegung.