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Zeit und Geschichte

Angst treibt man mit Hoffnung aus, die wir alle brauchen (Judin)

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergFreitag, 17.03.2023

Seit einem Jahr begleitet Grigori Judin, der zu den wenigen zählt, die den Krieg vorhergesagt haben, uns hier auf piqd. Seine weiteren Analysen und Prognosen besitzen, wie man leicht überprüfen kann, mehr als einen wahrer Kern. Nun gab er ein neues zweiteiliges Interview.

Oft wird der Westen kritisiert, er könne keine Kriegsziele benennen. Ein Grund dafür ist, dass auch die Gegenseite keine benennen kann. Putin

hat keine Ziele, nach deren Erreichen er beendet werden könnte. Er wird einfach immer weitergehen, weil „sie“ [in Putins Vorstellung] Feinde sind und uns töten wollen – und wir sie. Für Putin ist das eine existenzielle Konfrontation mit einem Gegner, der vorhat, ihn zu vernichten.

Wie diese Haltung dennoch Rückhalt, sogar erschreckend große Unterstützung hat, begründet Judin auch mit der Vorstellung einer großen Beleidigung.

Dieser Ansatz erklärt auch die Motive derjenigen, die hierzulande Ressentiments bedienen und sich als Friedensbewegte ausgeben, obwohl sie keine Sachkenntnis über die Sowjetunion und die Nachfolgestaaten haben.

Dieses Beleidigtsein auf die ganze Welt ist in Russland stark verwurzelt, und es wird auf den projiziert, der vermeintlich für diese Welt verantwortlich ist: die USA.

Die Vereinigten Staaten haben tatsächlich ab einem gewissen Punkt die weltweite Verantwortung übernommen – was nicht immer von Erfolg gekrönt war. Und wir sehen, dass das Ressentiment, von dem ich jetzt spreche, wahrlich nicht nur in Russland existiert (wo es katastrophale, schauderhafte Formen annimmt).

Dennoch glaubt Grigori Judin nicht, dass dieses Ressentiment im Ausland in markante Unterstützung umschlägt:

Putin hat nämlich nichts anzubieten. Er reproduziert einfach ständig dieselben Fehler, nur in immer schrecklicheren Dimensionen. Einer meiner Kollegen formulierte mal sehr treffend das Grundprinzip der russischen Außenpolitik: „Was die anderen nicht dürfen, können wir auch.“

Russland begreift sich als Imperium, das sich ausweiten kann, zumindest zu der Größe, die es schon mal hatte. Damit sind auch Teile Deutschlands gemeint und was auch in Talkshows und Kommentaren aggressiv verbreitet wird. Das heißt nicht, dass russische Truppen, die nicht mal Kiew eingenommen haben, bis in Kürze nach Berlin vorstoßen. Es geht Judin darum, die Fantasien in den Köpfen von russischen Herrschenden klar zu machen.

Bestimmte europäische Entwicklungen machte Russland nicht mit:

Die ersten Grenzen in Europa entstanden 1648, mit dem Westfälischen Frieden, der das Ende der Imperien einleitete. Da kam erstmals der Gedanke auf, zwischen den Ländern Grenzen zu ziehen: „Hier sind wir, da seid ihr.“ Ein Imperium erkennt diesen Gedanken nicht an: „Wir sind da, bis wohin wir gekommen sind. Und ihr seid dort, wo wir noch nicht sind. Sobald wir da sind, seid ihr weg.“

Noch immer glauben viele in Russland, wenn man die NATO zum richtigen Zeitpunkt auf die Probe stellt, etwa bei einem amerikanischen Präsidenten, der Europa den Rücken zuwendet, kann man erfolgreich agieren.

Es gibt so eine Phrase: „Putin hat sich verkalkuliert“. Aber wir sollten endlich aufhören, Wladimir Putin so geringzuschätzen. Sicher, wir haben gesehen, dass ein Blitzkrieg um Kyjiw geplant war, und der ist gescheitert. Aber wer sagt, dass das der einzige Plan war? Dieser Krieg wurde jahrelang vorbereitet. Es wäre merkwürdig, wenn es nur einen Plan gäbe. Bei einem Machthaber, der seit Langem an nichts anderes denkt als an die Vorbereitung auf diesen Krieg, funktioniert das so nicht. [In Putins Logik klingt das so:] „Ja, es ist nicht perfekt gelaufen, aber das macht nichts, wir bleiben dran. Wir sind bereit, so viel Blut zu vergießen, wie nötig ist – und sie sind es nicht. [Die Ukraine] gehört uns, und irgendwann werden sie das einsehen und aufhören, ihre wertvollen Ressourcen zu opfern.“

Im zweiten Teil des Interviews hält Judin Verhandlungen – zumindest in absehbarer Zeit – für aussichtslos, weil der Gewaltherrscher im Kreml

der Meinung ist, diesen Krieg zu gewinnen, und er nicht vorhat, mit jemandem zu reden.

Wenn für ihn jedoch die Zeit kommt, seine Eroberungen abzusichern, dann wird die Situation eine andere Wendung nehmen – und er weiß von diesen Stimmungen [im Westen – dek], er weiß, dass er sie bei Bedarf jederzeit für sich nutzen kann. 

Ein Weg in Offene wird sich – so Grigori Judin – erst in einem Russland ohne Putin finden, aber darauf sollte man nicht warten, sondern dieses muss vorbereitet werden.

Grigori Judin, der schon mal zusammengeschlagen worden ist, lebt immer noch in Russland – was in Stalins Reich nicht möglich gewesen wäre.

Putin versucht mit aller Kraft, das unausweichliche neue Russland zu verhindern, in dem für ihn kein Platz sein wird. ... Man muss den Menschen Hoffnung geben. Insofern sind die nachvollziehbaren, begründeten Vorwürfe [gegen die Menschen in Russland] politisch perspektivlos.

Noch mal: Sie sind verständlich, begründet und legitim, aber politisch aussichtslos. Wir haben es mit Menschen zu tun, die von ihrer eigenen Machtlosigkeit überzeugt und verängstigt sind, und Sie wollen ihnen noch zwei Kilogramm Schuld aufladen. Was soll dabei herauskommen?

Grigori Judin setzt dabei auf Ressourcen aus der russischen Kultur, diese schaffe wie alle Kulturen

Standpunkte für Selbstkritik. Daran ist nichts demütigend, es ist kein Problem, sie [die imperialen Ideen] in der russischen Kultur aufzuspüren, sie herauszustellen und zu analysieren, wie sie mit anderen Elementen zusammenhängen. Nein, sie erschöpft sich nicht darin. Genauso wie sich die deutsche Kultur nicht im deutschen Imperialismus erschöpft oder die britische Kultur im britischen.

Angst treibt man mit Hoffnung aus, die wir alle brauchen (Judin)

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