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Volk und Wirtschaft

Es reicht nicht mehr, sich anzustrengen. Demokratisch ist das nicht

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresSamstag, 06.02.2021

Die ZEIT widmet einen Schwerpunkt dem Erben (noch am Kiosk, online für Abonnenten und Abonnentinnen zugänglich).

Aktueller Anlass könnten neue Zahlen sein, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gerade veröffentlicht hat. Sie sind hier in einer (frei zugänglichen) Meldung zusammengefasst. Deren Kern: Wer hat, dem wird gegeben. Rund die Hälfte der Erbschaften geht an die reichsten zehn Prozent der Begünstigten. Zwar sinkt die relative Ungleichheit tendenziell, weil Vermögen durch Erbschaften und Schenkungen oft auf mehr Personen verteilt werden als zuvor. Aber sehr viele Menschen erben eben gar nichts. Die Kluft zwischen Vermögenden und Besitzlosen wächst. 

DIW-Chef Marcel Fratzscher denkt deshalb in einer Kolumne auf ZEIT ONLINE darüber nach, ob nicht vielleicht jeder erben sollte, staatlich finanziert (Text frei zugänglich).

In der ZEIT schauen sich Kolja Rudzio und Mark Schieritz ein wenig genauer an, wie viel in Deutschland vererbt wird, wie ungleich Erbschaften verteilt sind, und wie das mit der Erbschaftssteuer funktioniert (Paywall).

Uwe Jean Heuser und Roman Pletter interviewen (Paywall) den Soziologen Jens Beckert, der ein Buch übers Erben geschrieben hat, "Unverdientes Vermögen". Beckert sagt:

Wir sollten Erbschaften teilweise infrage stellen, wenn wir uns als Leistungsgesellschaft verstehen. Soziale Ungleichheit muss zurückgeführt werden können auf die unterschiedliche Leistung der Menschen. Daraus folgt für mich nicht, dass Erbschaften ganz konfisziert werden... Aber daraus folgt doch ein Regulierungsbedarf über das bestehende Recht hinaus.

Beckert gibt auch eine interessante Antwort auf die Frage, warum es in Deutschland keine politische Mehrheit für höhere Erbschaftssteuern gibt: Viele Menschen dächten, sie wären von einer solchen Steuer betroffen, obwohl dem gar nicht so sei. Viele Unternehmer erweckten den Eindruck, die Steuer würde der Wirtschaft schaden.

Und dann gibt es noch einen kulturellen Grund – die Familie. Erbschaften werden in unserem Kulturkreis sehr stark als ein Übertrag der Sachwalterschaft über das Eigentum der Sippe wahrgenommen und nicht als Übertragung von individuellem Vermögen. Ein staatlicher Eingriff löst darum instinktiv Abwehr aus. 

und:

Bis in die Siebzigerjahre war die Unterstützung (für die Steuer) viel größer. Und das lässt einen interessanten Gedanken zu. In einer Gesellschaft, die immer stärker auf individuelle Verantwortung setzt, steigt auch die Angst vor dem Abstieg. Das Vermögen der Familie wird dann zur Versicherung und unbedingt verteidigt.

Mein Lieblingstext im Paket ist aber der von Elisabeth von Thadden, den ich hier piqe. Von Thadden verknüpft die ungleichen Erb-Verhältnisse mit den in den vergangenen Jahren so stark gestiegenen Immobilienpreisen – und plötzlich landet man mit ihr bei den wirklich wichtigen Fragen.

Ganz grundsätzlich: Welche Folgen ergeben sich daraus für unsere Demokratie? Von Thadden schreibt:

Über Schenkungen wie über die Erwartung, später einmal zu erben, wird das Gefühl von Sicherheit bereits früh weitergegeben. Unterdessen werden all die systemrelevanten Krankenschwestern und Polizisten, die ohne Erbe oder Schenkungen auskommen müssen, an die Peripherie der Städte verdrängt und zahlen sich an der Miete wund, anstatt sparen zu können – ohne eine Aussicht auf Erleichterung

Wenn dem aber so ist, wenn also viele ihr Leben lang hart arbeiten, ohne dass sie das irgendwohin führt,

dann wird das Versprechen von demokratischen Leistungsgesellschaften zur Chimäre. Dann macht sich ein Gefühl von Ohnmacht breit. Dann wächst der Ärger, ohne eigenes Zutun zu den Verlierern zu zählen, während andere unverdient die Erfolgreichen spielen.

Daraus entsteht

... (e)in ungutes Gefühls-Gemisch, das politisch leicht entzündlich sein kann. In Großbritannien ist es frisch explodiert. Der Schriftstellergärtner Henry Wismayer hat gerade berichtet, wie sich die Wut anfühlt, Tausende von Blumenzwiebeln in den Gärten Londoner Erben ein- und wieder auszubuddeln, die tagsüber nicht viel mehr zu tun haben, als auf den Brexit zu schimpfen.

Auch Wismayers Text lohnt übrigens.
Es reicht nicht mehr, sich anzustrengen. Demokratisch ist das nicht
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Kommentare 5
  1. Georg Wallwitz
    Georg Wallwitz · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Da ich kein Zeit-Abo habe, konnte ich den Aritkel nicht lesen. Aber mir scheit aus dem Gesagten hervorzugehen, dass es gute Gründe für den Status Quo gibt - schließlich ist die SPD, die ja die "kleinen Leute" vertreten will/soll, seit 1998 mit nur kurzen Unterbrechungen an der Macht. Warum setzt sie nicht eine radikale Umkehr bei der Erbschaftssteuer durch - so wie sie es im Arbeitsrecht mit der Einführung des Mindestlohns getan hat? Diese Gründe zu beleuchten, lohnt vielleicht, dann ist es nicht so einseitig.
    Die Diskussion scheint sich zu verengen auf extrem hohe Erbschaften durch Leute, die dann nichts sinnvolle mit dem Geld anzufangen wissen. Dass Viele aber auch gesellschaftlich sinnvoll agieren, sollte jedem bewusst sein, der auf Piqd (das von ererbtem Vermögen finanziert wird) unterwegs ist und die ZEIT piqt (die von der Bucerius-Stiftung abhängt). Mir fällt nur ein einziger Qualitätsverlag ein, hinter dem nicht ein ererbtes Vermögen steht.
    Nein, ererbtes Vermögen fließt nicht immer in Champagner und Erdbeeren und rechtskonservative Taschen.
    Wenn der Staat hier aber weitgehend zugreift, dann wird zweierlei passieren: Erstens werden viele UnternehmerInnen ihr Unternehmen bald ins Ausland verlagern oder ihre Bemühungen einstellen. Wenn jemand beispielsweise ein Unternehmen aufgebaut hat, das sich für 5 Mio verkaufen lässt, kann sie sich ausrechnen, dass es bis zum Lebensende reichen wird (an dessen Ende sowieso fast alles dem Staat gehört) - und aufhören zu arbeiten und Steuern zu zahlen (dabei sollte man bedenken, dass 2018 die reichsten 3,2% der Deutschen 30% der Einkommensteuer gezahlt - die Umverteilung fuktioniert an diese Stelle recht gut).
    Ich gehe davon aus, dass bei einer hohen Erbschaftsteuer der Staat am Ende sowohl weniger Einkommensteuer, als auch weniger Erbschaftsteuer einnimmit. Es ist ja eine alte Tatsache, dass Steuererhöhungen irgendwann zu Steuermindereinnahmen führen (beliebtestes Beispiel: Tabaksteuer, die irgendwann nur noch den Schmugglern hilft).
    Und, auch das sollte gesagt sein, wenn Unternehmer und Landwirte (deren Höfe in der Regel vererbt werden, die im Verkaufsfall aber oft erhebliche Summen bringen würden) hoch besteuert würden, würden diese Betriebe entweder an den Staat, oder an Grußunternehmen fallen. Ist das erstrebenswert?

    Übrigens denke ich mir oft, dass eine höhere Erbschaftsteuer ein Segen wäre für all die Familien, die sich über das Erbe zerstritten haben. Aber ich glaube nicht, dass sie im Interesse der Allgemeinheit wäre.

    1. Alexandra Endres
      Alexandra Endres · vor 3 Jahren

      Ja, natürlich gibt es auch Beispiele dafür, dass Erbschaften eine sinnvolle Verwendung finden, das will ich gar nicht bestreiten. Wie viele Erbinnen und Erben ihr Vermögen allerdings zum Wohl der Gesellschaft einsetzen, darüber gibt es offenbar keine Statistik.

      Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht eine Passage aus dem FAQ von Rudzio/Schieritz:

      "Der Wert einer Erbschaft dürfte (in Deutschland) im Schnitt etwa 85.000 Euro betragen. (...) Der Durchschnittswert vermittelt allerdings leicht einen falschen Eindruck, weil er durch wenige große Erbschaften nach oben getrieben werden kann. Die allermeisten Nachlässe sind dieser Studie zufolge deutlich kleiner, die Hälfte beträgt weniger als 32.000 Euro. Für viele Menschen geht es also nicht um riesige Summen."

      Für einige wenige aber offenbar schon. Weiter aus dem FAQ:

      "(D)ie Summe aller Vermögen in Deutschland (war) im Jahr 1960 etwa dreimal so groß wie die Summe aller Einkommen. Inzwischen sind die Vermögen fünfmal so groß. Für den Wohlstand des Einzelnen ist also wichtiger geworden, was jemand erbt, und etwas weniger wichtig, was jemand für seine Arbeit bekommt."

      Entscheidend für die Frage, wie sinnvoll eine höhere Erbschaftsteuer wäre, scheint mir zu sein, wo man die Grenze für etwaige Freibeträge ansetzt, gerade wenn es um Betriebsvermögen geht. Im Moment jedenfalls machen, folgt man dem FAQ der ZEIT, vererbte Betriebsvermögen nur einen kleinen Teil der versteuerten Erbschaften aus:

      "Zu einem kleineren Teil handelt es sich bei den Erbschaften um Betriebsvermögen, also Unternehmen. Darauf entfielen knapp drei Milliarden Euro. Immobilien machten 17 Milliarden Euro aus. Der Großteil, 26 Milliarden Euro, gehört zur Kategorie 'übriges Vermögen', wozu etwa Wertpapiere, Versicherungen oder Bankguthaben zählen."

      Und natürlich geht es auch um politische Haltungen. Jens Beckert sagt etwa auf die Frage, ob Erben gerecht sei:

      "Da gibt es traditionell sehr unterschiedliche Antworten selbst innerhalb einer Denkrichtung. Bei den Liberalen etwa sagt die eine Seite: Erben ist gerecht, weil Eingriffe eine Verletzung der freien Verfügung über Eigentum sind. Die andere Seite sagt: Erbschaften sind nicht zu vereinbaren mit einer Leistungsgesellschaft. An die Geburt gebundene Privilegien dürfen nicht über die Chancenverteilung entscheiden."

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre

      Ja ja. Die Erben die sinnvolles mit dem Geld tun. .. Natürlich gibt es die. Aber warum sollten wir als Gesellschaft darauf vertrauen müssen?
      tun wir doch bei anderen Bereichen auch nicht.

      und wer mit dem Erbe sinnvolles tut, wird auch zukünftig Steuererleichterungen bekommen. und wert sinnvolles tun WILL wird es auch tun wenn er ein paar mehr Steuern bezahlen muss. oder?

  2. Ferdinand H
    Ferdinand H · vor 3 Jahren

    Wichtiges Thema! Leider wird sehr wenig darüber aufgeklärt und die missgeleiteten Informationen darüber behalten die Oberhand. Für die Mehrheit der Menschen wäre eine höhere Erbschaftssteuer eigentlich besser.

    1. Alexandra Endres
      Alexandra Endres · vor 3 Jahren

      Danke! :-)

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