Ich kannte O.J. Simpson bisher nur als den vertrottelten Running Gag aus den Nackte-Kanone-Filmen und wußte, dass er als Sportler in den USA berühmt geworden war und später wegen der Ermordung seiner Ehefrau in einem live im Fernsehen übertragenen Prozess angeklagt gewesen ist. Aber der Prozess war in den 90ern und ich habe mich immer gewundert, wieso O.J. Simpson selbst heute noch in amerikanischen Medien und Unterhaltungssendungen so häufig als Vorlage für bitterböse Witze verwendet wird, ebenso wie als Synonym für ein skandalös unfähiges Justizsystem. 

Seit diesem Dokumentarfilm von Ezra Edelmann, der noch 20 Tage in der Arte-Mediathek zu sehen ist, weiß ich es. Die Doku ist in fünf Teile gegliedert, die jeweils rund eineinhalb Stunden lang sind. Mein Interesse an O.J. Simpsons Geschichte war nun wirklich nicht so groß, dass ich siebeneinhalb Stunden meines Lebens dafür einplanen wollte. Aber der Film ist so fesselnd, dass ich mir die Doku an einem Tag reingezogen habe. 

Das beginnt mit der unfassbaren Heldengeschichte dieses College-Football-Spielers, dem beim Laufen zuzuschauen ein geradezu hypnotisches Erlebnis ist. Es ist beinah befriedigend zu sehen, wie dieser Mann den Gesetzen der Schwerkraft zu entkommen scheint, ein bisschen so, wie man in den Tierdokus mit der Gazelle fiebert, die den Löwen entkommt. 

Es folgt der gesellschaftliche Aufstieg des Darlings der Nation, sportliche Rekorde und Erfolge im Filmgeschäft: Der Mann ist auch noch ein toller Schauspieler. In Los Angeles, wo Simpson lebt, toben derweilen Rassenunruhen. Die Bilder der von Polizisten schikanierten, verprügelten, ermordeten Schwarzen gehören in aller Ausführlichkeit zur Doku wie die Bilder des strahlenden O.J., der zu den Weißen ins Reichenviertel zieht und sich nicht auf seine Hautfarbe reduzieren lassen will. 

Jede Figur in dieser Saga über die letzten 50 Jahre US-Geschichte wird ausführlich eingeführt, die Doku entwickelt sich wie ein guter Roman, mit einem tragischen Helden.