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Volk und Wirtschaft

Bricht der vierte soziale Paradigmenwechsel die grüne Hegemonie?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSonntag, 14.01.2024

Unter Paradigma versteht man jeweils fundamentale Denkweisen und Grundannahmen, die von bestimmten sozialen Gruppen handlungsleitend geteilt, entwickelt und auch gegen konkurrierende Paradigmen verteidigt werden. So heißt es etwa bei Wikipedia:

Seit dem späten 18. Jahrhundert bezeichnete Paradigma eine bestimmte Art der Weltanschauung oder eine Lehrmeinung. ….. Nach Ludwig Wittgenstein sind Paradigmen Muster oder Standards, mit denen Erfahrung verglichen und beurteilt wird. Sie liegen vor der Erfahrung (a priori) und geben eine Orientierung vor.

In dem hier empfohlenen Artikel meint Andreas Rödder (u.a. Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz), das die Bundesrepublik sich gerade in ihrem vierten politisch-kulturellen Paradigmenwechsel befindet. Alle 15 bis 20 Jahre habe 

die Bundes­republik einen solchen Paradigmenwechsel erlebt: Mit dem ersten Ölpreisschock ging im Jahr 1973 das Ende der Moder­nisierungsideologie einher; der Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze markierte das Ende des Kalten Krieges; die Weltfinanzkrise des Jahres 2008 stellte die Hegemonie der neoliberalen Deutungsmuster infrage. Und die Krisen des Jahres 2023 zerstörten das grüne Paradigma, das in Deutschland seither die Oberhand gewonnen hatte.

Diese zeitweise dominierenden Paradigmen bildeten den Rahmen für das, was mehrheitlich als richtig oder falsch, als öffentliche Meinung, angenommen wurde und wird. Was man demzufolge auch öffentlich sagen kann, ohne ins Abseits zu geraten.

Die öffentliche Meinung ist nicht nur ein diskursives oder kulturelles Phänomen. Sie ist auch von enormer praktischer Bedeutung. Die Grenzen des Sagbaren bestimmen in demokratischen Systemen den Rahmen des Machbaren. Oft bemerkt man ihn erst dann, wenn sich jemand aus der Konsenszone des öffent­lichen Diskurses hinaus in die Grenzbereiche des Sagbaren bewegt. Und weil demokratische Politiker dies üblicherweise meiden, da an diesen Grenzen Skandal und Ächtung drohen, ist dieser Rahmen des Denkens und des Redens so entscheidend. Ohne dass die meisten Bürger ihn bemerken, bestimmt er die politischen Entscheidungen vorher.

Wem es gelingt, den Raum des Sagbaren zu definieren, die eigenen Ziele als die einzig wahren und moralischen hinzustellen, bestimmt den öffentlichen Diskursraum und verfügt damit über die „kulturelle Hegemonie“, wie es der Marxist Antonio Gramsci formulierte:

Die Vorherrschaft einer sozialen Gruppe zeigt sich auf zwei Arten, als Beherrschung und als intellektuelle sowie moralische Führung. Eine soziale Gruppe ist dominant, wenn sie die gegnerischen Gruppen unterwirft und die verbündeten Gruppen anführt. Eine soziale Gruppe kann, ja muss sogar vor der Machtübernahme die Führung übernommen haben; wenn sie dann an der Macht ist […] wird sie dominant, aber sie muss weiterhin führend bleiben.

Verliert die Gruppe die intellektuelle sowie moralische Führung, verliert sie letztendlich auch die Macht. So meint Rödder im Artikel:

Wer die öffentliche Deutungshoheit besitzt und die eigenen Vorstellungen als allgemein erstrebenswert etablieren kann, braucht keine Mehrheiten und muss nicht einmal formell regieren, um Macht im Staate auszuüben. Ein etabliertes Paradigma regiert. So erklärt sich, dass die SPD im Zeichen des neoliberalen Paradigmas um die Jahrtausendwende auch ohne Regierungsbeteiligung der FDP das Konzept der „unternehmerischen Universität“ beförderte, die sich statt an ihrem Bildungsauftrag in erster Linie an den Gesetzen des Marktes orientiert. Und die Grünen waren 16 Jahre lang in der Oppo­sition, derweil alle Merkel-Regierungen dem grünen Paradigma vom Atomausstieg bis zur Migrationspolitik folgten.

Die Geschichte zeigt aber, dass hegemoniale Paradigmen immer nur auf Zeit gelten und die konkurrierenden sozial-kulturellen Denkmuster immer dynamisch sind. Es sind dann oft einschneidende äußere Ereignisse, die grundlegende Verschiebungen einleiten, indem sie die absolute Gültigkeit des herrschenden Paradigmas in Frage stellen, seine Begrenztheit aufzeigen. So beendete für Rödder 1973 der Ölpreisschock und die Konjunkturkrise die Phase der Experimente einer rationalen strategischen Zukunftsplanung und des überbordenden Zukunftsoptimismus . 

Alles schien machbar und planbar, Wissenschaft und Technik waren der Schlüssel für die bemannte Raumfahrt zum Mond ebenso wie für Überschallflüge zwischen den Kontinenten ….usw.

Die Kernkraft mit ihrem Versprechen unbegrenzter Verfügbarkeit von Energie erwähnt Rödder hierbei nicht, obwohl sie genau dahin gehört. Man sollte hier auch sagen, dass nicht alle Annahmen eines verdrängten Paradigmas damit widerlegt sind und auch das neue Paradigma ist nicht zwangsläufig des Gegenteil des alten. Und so folgte dem übertriebenen Machbarkeitsglauben auch kein tiefer Zukunftspessimismus (jedenfalls noch nicht). 

Aber das ausbleibende Wachstum, die hohe Inflation sowie steigende Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung, eine globale Kräfteverschiebung waren mit den Mitteln der nationalen Globalsteuerung etc. wider Erwarten nicht zu bewältigen. In  dieser Phase der Ratlosigkeit erfolgte - der heute von Links immer wieder verteufelte - Paradigmenwandel vorrangig in der politischen Ökonomie, 

mit der Abwendung vom keynesianischen Glauben an die politische Steuerung der Wirtschaft hin zur Marktorientierung Milton Friedmans. Es waren insbesondere die USA zur Zeit der Präsidentschaft Ronald Reagans und Großbritannien in der Ära Margaret Thatchers, die in den Achtzigerjahren auf die Freisetzung von Marktkräften durch Deregulierung und Privatisierung setzten. Alles in allem kam es zu einem erheb­lichen Wohlstandsschub und weltweit zur signifikanten Reduzierung von Armut. Am Ende des Jahrzehnts herrschte in der gesamten westlichen Welt der „Washington Consensus“: die Überzeugung von der Notwendigkeit konsolidierter Staatshaushalte und stabiler Währungen, von Freihandel, deregulierten Märkten und dem Ab­bau von Subventionen.

Dieser Wohlstandsschub führte mit dem Zusammenbruch des Ostblocks zu einem neuen optimistischen Paradigma, das - so Rödder - eher eine Verstärkung des vorhergehenden war. 

Im Glauben, nicht nur den Kalten Krieg gewonnen, sondern auch das „Ende der Geschichte“ erreicht zu haben, setzte der Westen auf die globale Verbreitung seiner Vorstellungen, während Di­gitalisierung und neue Märkte für ungekannte Volumina und Umlaufgeschwindigkeiten von Kapital sorgten. Nach 1990 erlebte die Marktorientierung eine massive Verstärkung – und zugleich ihre Ideologisierung.

Und hier begeht m.E. Rödder selbst einen Denkfehler. Sicher wollten Clintons Demokraten, Tony Blairs New Labour und die erste rot-grüne Regierung in Deutschland dynamische globale Märkte mit weniger Regulierung und weniger Hürden. Aber es entstanden keine unregulierten freien Märkte. Die hat es auch nie gegeben. So stieg die Zahl der Freihandelsverträge, also völkerrechtlicher Abkommen, die genau regeln sollten, wie Freihandel zu gestalten ist. Wo Protektionismus abzuschaffen ist und wo nicht. Welche Rechte und Pflichten gelten.  Diese komplexen Regeln und die pauschale Diskriminierung (als neoliberal) waren u.a. der Grund, warum viele Abkommen scheiterten.

Auch war es keine "neoliberale Marktideologie" die 

immer weitere Gesellschaftsbereiche von der „Bildungsökonomie“ über die „unternehmerische Universität“ bis zum Gesundheitswesen nach den Prinzipien des Marktes 

umzugestalten versuchte

und durch quantifizierende Instrumente zu steuern: Quoten und Zahlen, Rankings und Modelle verselbständigten sich vom Hilfsmittel zum Ziel an sich.

Wirklich "freie" Märkte bräuchten diese Hilfsmittel nicht. Die Umstellung der öffentlichen  Sektoren von der Kameralistik zum Doppik z.B. war keine Privatisierung sondern der Versuch über Quantifizierung Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu messen und zu erhöhen um öffentliche Mittel sparsam zu verwenden. Das deutsche Gesundheitswesen funktioniert nicht wirklich marktwirtschaftlich un nicht wirklich gut. Auch wenn etwa ein Teil der Kliniken und Praxen privat betrieben werden. Preise, Leistungsumfang und auch der Zugang zum System sind streng vorgeschrieben. Im strengen Sinn gibt es dadurch auf diesem Sektor auch nur eingeschränkten Wettbewerb. Bestenfalls simuliert man also eine "Marktwirtschaft". Das aber nur nebenbei. Jedenfalls kriselte das globale westliche System. Recht hat Rödder daher, wenn er feststellt:

Mit der Welt­finanzkrise von 2008 verlor das neoliberale, marktideologische Paradigma ebenso an Glaubwürdigkeit, wie es dem keynesianischen Paradigma 1973 widerfahren war. 2010 musste sich der Westen in Davos von dem chinesischen Ministerpräsidenten anhören, sein Wirtschaftsmodell sei undiszipliniert, nicht nachhaltig und falsch. ….. Staaten mussten Banken retten, und mit der Kritik an den Auswüchsen neoliberaler Privatisierungen und Dere­gulierungen wuchsen neue Ansprüche an staatliche Regulierung und Steuerung. 

Das nun dominant werdende „grüne" Denkmuster hatte sich seit den Achtzigerjahren in den westlichen Demokratien aufgebaut und so Rödder in der WELT

seit der Weltfinanzkrise von 2008 die politische Öffentlichkeit dominiert. Sie hat die neuralgischen Zonen des Diskurses bestimmt: Klima und Energie, Migration und Integration, Geschlecht und Sexualität. Und sie hat die Grenzen des Sagbaren festgelegt: Wer als „Klimaleugner“, „Rassist“ oder „transphob“ galt, war aus der Debatte verbannt.

In Deutschland wurde das neue Paradigma zunächst durch die Partei „Die Grünen“  - gegründet 1980 - vertreten, um dann weit auszustrahlen. Diese grüne Bewegung entsteht in den Siebziger­jahren mit der Friedensbewegung, der Umwelt- und Antikernkraftbewegung sowie der neu­en Frauenbewegung. Intellektuell ist sie 

ein Kind der dekonstruktivistischen Postmoderne, die sich seit den Siebzigerjahren an westlichen Uni­versitäten verbreitete. Ihr Wesenskern lag in der Kritik an der „großen Erzählung“ (Jean-François Lyotard) der westlichen Mo­derne, vom zivilisatorischen Fortschritt durch Aufklärung und Rationalität, Industrialisierung und Technologie. 

Nun an der politischen Macht stellt sich dieses sogenannte grüne Paradigma als Antwort auf die neuen Ansprüche an den Staat sehr schnell als problematisch und realitätsfern heraus. Nicht unerheblich trägt dazu auch die Moralisierung als Instrument der Macht bei. Wieder Rödder in der WELT:
Die grüne Hegemonie hat ideologisch überzogen, indem sie den Rahmen des Sagbaren immer enger gezogen und immer aggressiver das Stigma „Nazi“ verteilt hat, ….. Irgendwann setzt dann ein, was man Reaktanz nennt: „Wenn das Nazi ist, dann bin ich eben Nazi“, sagen sich die Leute. Hinzu kam der Einbruch der Wirklichkeit: das Hamas-Attentat und die Sympathiebekundungen von Linken und Muslimen. Der russische Überfall auf die Ukraine, der die deutsche Ideologie der „Zivilmacht“ ad absurdum geführt hat. Und das Heizungsgesetz hat eine Ahnung verschafft, dass die grüne Klima- und Energiepolitik nicht funktionieren kann.

Und nun redeten selbst Grüne wie Robert Habeck, Cem Özdemir und Ricarda Lang ganz anders. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk änderte seine Sprachregelungen. Man sieht einen Glaubwürdigkeitsverlust auch bei

der seit 2015 dominanten Migrationskultur ebenso wie der kosmopolitischen Friedenskultur, des Paradigmas der Gender-Fluidität und der Energie- und Klimapolitik. Mit dem Kollaps ihrer Eckpfeiler brach die Hegemonie der grünen Deutungskultur zusammen.

Was kommt nun? Rödder sagt nach der Hegemonie eher linker Narrative einen Pendelschlag nach rechts vorher. Und er sieht - bei aller grundsätzlichen Offenheit von Geschichte - drei konkretere Szenarien:

  • Neugründung einer konservativen Partei zwischen Union und AfD, die Unzufriedene beider Parteien sammelt
  • Weitere Stärkung der populistischen Bewegungen, die Modelle von nationaler und sozialer beziehungsweise nationalis­tischer und sozialistischer Politik propagieren
  • Die etablierte bürgerliche Mitte (sprich vor allem die CDU) fängt den Pendelschlag weitgehend ab.

Leider sind auch viel bürgerkriegsähnliche oder diktatorische Katastrophen-Szenarien denkbar. Ich hoffe nur, das neue Paradigma ermöglicht dem Land und der EU pragmatisch das Überleben in einer zunehmend unübersichtlichen, problemgeladenen, multipolaren Welt mit ihren unterschiedlichen regional dominierenden fundamentalen Denkweisen und Grundannahmen.

Bricht der vierte soziale Paradigmenwechsel die grüne Hegemonie?
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Kommentare 4
  1. Fabio Brill
    Fabio Brill · vor 4 Monaten

    Naja. Als Kontext sollte man vielleicht erwähnen dass Herr Rödder selbst CDU Mitglied ist, und dort offenbar eher zum rechten Teil gehört - laut Wikipedia musste er den Vorsitz der CDU Grundwertekommission räumen nachdem er für Zusammenarbeit mit der AfD plädiert hatte. Wenn so jemand das Ende der „grünen Hegemonie“ identifiziert und gleichzeitig als Antwort die Gründung einer neuen Partei zwischen CDU und AfD vorschlägt, dann mag das vielleicht seine persönliche Wunschvorstellung oder strategische Positionierung sein. Das ist völlig legitim und ich möchte das hier gar nicht werten, aber wenn man schon einen so langen piq Beitrag dazu schreibt dann wäre die Einordnung doch angemessen?

    Analytisch hat er durchaus ein paar Punkte, was mich jedoch irritiert ist die Aussage dass nach der Finanzkrise 2008 ein Paradigmenwechsel weg von der Marktorientierung stattgefunden hätte. Ist das denn wirklich eine adäquate Beschreibung der Lage in Deutschland, dass hier seit über 15 Jahren die realen Entscheidungen einen grundsätzlich anderen wirtschaftspolitischen Anstrich hätten? Sind denn die Finanzmärkte jetzt reguliert? Es geht ja in dem Artikel um eine Art Zeitgeist (nicht zu verwechseln mit dem bei Historikern beliebten Weltgeist…) der bestimmte Entwicklungen angeblich unabhängig von der regierenden Parteienkonstellation determiniert. Haben denn aber nicht gerade die Grünen real sehr heftige Schlappen kassiert („veggie day“) und große Kompromisse eingehen müssen, weil eben die Kräfteverhältnisse jenseits der Schönwetterreden noch immer ganz andere sind? Ist denn nicht ein herrschendes Paradigma noch immer Wirtschaftswachstum, und eben nicht „Post-Wachstumsgesellschaft“?

    Ein anderes Zukunftsszenario*: vielleicht beginnt sich die „nachhaltige“ Denkweise auch erst langsam wirklich als prägendes Paradigma in realen Entscheidungen durchzusetzen, nachdem sie die letzten Jahrzehnte eher für Sonntagsreden verwendet wurde. Das muss jedoch nicht für alle Bereiche gelten. Dass zB Migrationspolitik und Umweltschutz nur in einer Kombipackung verkauft werden ist kein Naturgesetz. Möglicherweise verändern sich tatsächlich Teile von herrschenden Paradigmen, in unterschiedliche Richtungen?

    *ohne Wahrscheinlichkeitsangabe

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten

      Es ist m.E. kein guter Stil bei Analysen sofort auf die Parteizugehörigkeit zu verweisen. Man sollte die Argumente aufsich wirken lassen, nicht die Parteischublade. Ich hatte ja auch extra auf den Wikipedia-Beitrag zu Rödder verwiesen. Jeder, dem es wichtig ist, konnte also nachsehen. Rödder hat nicht vorgeschlagen eine Partei zw. CDU und AfD zu gründen, sondern er hält es für ein realistisches Szenario, das eine solche Partei an Einfluß gewinnt. Es könnten ja auch die Freien Wähler sein. Mit dieser Hypothese ist er nicht allein. Und als CDU-Mann dürfte ihn das auch nicht gefallen.

      Er hat auch nicht für eine Zusammenarbeit mit der AfD plädiert. Man sollte schon seine Originalaussage nennen (soviel Genauigkeit und Fairness sollte schon sein):
      "Hat die CDU in Thüringen die Brandmauer nach rechts eingerissen?
      Ich halte schon das Wort „Brandmauer“ für falsch. Es teilt die Welt in zwei Lager: „wir“ und „die“, auf der einen Seite das grüne Auenland, auf der anderen Seite die verbrannte Erde. Dieser Begriff bringt uns ständig in Schnappatmung. Das ist schädlich für unsere Demokratie.

      Laut Unvereinbarkeitsbeschluss lehnt die CDU „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit AfD und Linkspartei ab. In Thüringen hat die CDU eine Senkung der Grunderwerbsteuer mit den Stimmen der AfD durchgesetzt. Wo ist der Unterschied zwischen zusammenarbeiten und gemeinsam abstimmen?
      Die CDU tut gut daran, ihre eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen. Das heißt: Keine Koalition, keine formellen Absprachen mit der AfD. Wenn die CDU einen Antrag einbringt und dafür eine Mehrheit erhält, ist das normales parlamentarisches Verhalten.

      Inoffiziell gab es wohl eine Absprache. Erst zog die AfD ihren Antrag zurück. Dann brachte die CDU ihren Antrag ein.
      Nochmal: Die CDU sollte sich weder formell noch informell danach richten, was die AfD tut. Wenn sie aber aus Überzeugung eine Gesetzesvorlage einbringt, ist es völlig egal, wer zustimmt.

      Mit diesem Argument könnte die CDU nach der nächsten Wahl eine Minderheitsregierung in Thüringen bilden, die sich von der AfD tolerieren lässt.
      Die entscheidende Frage wäre: Ist es eine Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheit immer wieder neu suchen muss? Dann ist es völlig in Ordnung. Problematisch wäre es erst, wenn sich die CDU offiziell von der AfD tolerieren ließe und dafür Absprachen eingehen würde. Das wäre eine rote Linie.

      Wo sehen Sie inhaltlich die rote Linie?
      Es gibt klare rote Linien nach rechtsaußen, ich nenne nur die Relativierung des Nationalsozialismus oder die Befürwortung des Krieges gegen die Ukraine. Ansonsten zählt die Sache: Die Senkung der Grunderwerbsteuer ist sinnvoll. Was, wenn die AfD frühere Vorlagen der CDU einbringt? Soll die CDU aus Prinzip gegen ihre eigenen Überzeugungen stimmen? Parlamentarismus heißt, die Inhalte an erste Stelle zu setzen.

      Legitimiert man damit nicht eine Partei, die immer wieder durch rassistische und demokratiefeindliche Aussagen auffällt?
      Die AfD hat das Ziel, die Union zu zerstören, denn nur so kann sie die politische Rechte erobern. Diese Logik muss die CDU verstehen. Sie ist eingeklemmt zwischen den Grünen, die eine kulturelle Hegemonie besitzen, und der AfD, die die CDU beseitigen will. Kurz: die Grünen sind inhaltlich der Hauptgegner, die AfD der Feind. …."

      https://www.stern.de/p...

      Zur Regulierung der Finanzmärkte - die waren in D nie unreguliert.

    2. Fabio Brill
      Fabio Brill · vor 3 Monaten

      @Thomas Wahl Danke für den Originaltext. Auf die Parteizugehörigkeit hatte ich verwiesen da hier ein dezidiert politischer Mensch schreibt. Hier nun die Gegenüberstellung im Interview, auch im Licht der aktuellen Demonstrationen (leider Z+ paywall)

      https://www.zeit.de/20...

  2. Gordon Hünies
    Gordon Hünies · vor 4 Monaten · bearbeitet vor 4 Monaten

    Sehr schöner Artikel und Darlegung der Prinzipien von Paradigmen. Ich persönlich sehe hier eine spannende Kopplung zu John W Kingdon und seiner "Multiple Streams Theory" (1984).

    Besonders gut fand ich den Hinweis darauf, dass der Kontrolleure des Paradigma die Macht haben kann ohne formal zu regieren. Genau diese Beobachtung fehlte mir persönlich zu teilen. So wunderte ich mich, daß die SPD die Age da 2010 einführte, eine Physikerin der CDU den Ausstieg aus der Kerntechnik besiedelte, die CDU die Wehpflicht abschaffte, die Pazifisten von Rot Grün den ersten Angriffskrieg seit dem 2ten Weltkrieg starteten und so fort.

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