Es sind nicht viele, aber es gibt sie: ukrainische und russische Linke. Linke, nicht Alt-Stalinisten oder nationalistisch ausgerichtete Kommunisten. Diese ukrainischen und russischen Linken blicken – nicht ganz überraschend – anders als der größere Teil der Linken in Deutschland auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Im Januar haben einige von ihnen in Berlin demonstriert:

„Etwa 150 Menschen stehen an einem kalten Januarabend vor dem russischen Haus der Kultur in Berlin. Unter dem Motto „Erinnern heißt Kämpfen“ protestieren vornehmlich ukrainische und russische Linke gegen die russische imperialistische Aggression gegen die Ukraine, gegen Faschismus weltweit sowie politischen Terror in Russland.“

So beginnt Anastasia Tikhomirova ihren Essay, den die taz veröffentlicht hat. Tikhomirova ist freie Journalistin, Kulturwissenschaftlerin und Moderatorin. 2021 arbeitet sie im Rahmen eines internationalen Journalistenprogramms eine Zeit bei der Novaya Gazeta in Moskau. In ihrem Essay reflektiert sie den aus ihrer Sicht völlig idealisierten, romantischen und realitätsfernen Blick des linken Teils der deutschen Gesellschaft auf Russland, der sich in theoretischen Belehrungen ergeht, aber Solidarität mit „den Bedrohten“ verweigert. Mit einem Zitat des Osteuropahistorikers Karl Schlögel bringt sie das Versagen der gegenwärtigen Linken in Deutschland am Ende ihres Essays auf den Punkt: „Wer den Bedrohten nicht beisteht, hat den Antifaschismus verraten.“

Unter der mittlerweile unübersehbar gewordenen Zahl der Artikel zum Krieg Russlands gegen die Ukraine ist dieser einer der wenigen, die herausstellen, wie sehr auch die Sicht und Haltung der Linken in Deutschland kontextgebunden ist.