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Zeit und Geschichte

Hellsichtiger Denker – wie der Philosoph Ernst Cassirer gegen den völkischen Zeitgeist kämpfte

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsSonntag, 12.04.2020

Er hatte die Zeichen der Zeit früher erkannt als andere: Ernst Cassirer entschloss sich, nur eine Woche nachdem die NSDAP die Reichstagswahl 1933 gewonnen hatte und vier Tage nachdem in Hamburg eine Regierung zustande kam, in der die Nationalsozialisten die Hälfte der Senatoren und den ihr nahestehenden Ersten Bürgermeister stellten, sein Heimatland zu verlassen. Der Philosoph, Professor an der Universität Hamburg, verließ am 12. März 1933 Deutschland.

In der Hansestadt hatte er vierzehn Jahre gelebt und gearbeitet. Einige seiner wichtigsten Werke entstanden hier. Und Hamburg zollte ihm zunächst durchaus Respekt. Er wurde zum Rektor der Universität gewählt – als einziger Vorsitzender jüdischen Glaubens einer deutschen Hochschule. Cassirer war ein leidenschaftlicher Anhänger der Weimarer Republik. So hielt er am 11. August 1928 im Hamburger Rathaus eine Festrede auf die Verfassung. 

"In seinem Vortrag über 'Die Idee der republikanischen Verfassung' trat Cassirer vor den geladenen Gästen der in völkischen und antidemokratischen Kreisen verbreiteten Auffassung entgegen, die Staatsform der Republik sei dem deutschen Nationalwesen fremd", schreibt Susanne Wittek für ZEIT Online.

Das anwachsende antisemitische Klima ergriff auch Hamburgs Universität. Cassirer bekam zunehmend die fehlende Solidarität des Lehrkörpers zu spüren. Der liberale Denker erfuhr den Hass völkischer und nationalsozialistischer Kreise.

Im sogenannten "Dritten Reich" wurde Cassirer zum Staatsfeind erklärt. Seit 1941 lebte er in den Vereinigten Staaten als Exilant. Für ihn war Präsident Roosevelt ein Garant für Hitlers Ende. Dessen Tod am 12. April 1945 hat ihn schwer getroffen. 

Einen Tag später schrieb Cassirer noch die Einleitung für einen Vortrag. Mittags hielt er an der New Yorker Columbia University seine letzte Lehrveranstaltung ab, speiste danach mit Professoren und spielte Schach. Kurz darauf starb er an Herzversagen. Die Befreiung Europas erlebte Ernst Cassirer nicht mehr. 
Hellsichtiger Denker – wie der Philosoph Ernst Cassirer gegen den völkischen Zeitgeist kämpfte

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Kommentare 2
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 4 Jahren

    ich mag seine Texte. um es knapp zu sagen. Dass er das Ende des Naziregimes nicht mehr erlebte, ist tatsächlich persönlich traurig...

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 4 Jahren

    Als Ergänzung und Erweiterung sei dieses Buch empfohlen:

    https://www.klett-cott...

    In der Leseprobe findet man folgende Sätze:

    Die Davoser Disputation zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger gilt heute als einschneidendes Ereignis in der Geschichte des Denkens. In den Worten des amerikanischen Philosophen Michael Friedman stellt sie gar die maßgebliche »Wegscheide für die Philosophie des 20. Jahrhunderts« dar. Das Bewusstsein, Zeuge eines Epochenwandels zu sein, beseelte bereits alle damals anwesenden Teilnehmer. So zelebriert der Heidegger -Student Otto F. Bollnow (der in den Jahren nach 1933 zu einem bekennenden Nazi-Philosophen aufstieg) in seinem Tagebuch das »erhebende Gefühl, ... einer geschichtlichen Stunde beigewohnt zu haben, ganz wie es Goethe in der ›Kampagne in Frankreich‹ ausgesprochen hatte: ›Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus‹ – in diesem Fall der Philosophiegeschichte – und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen«.
    In der Tat. Hätte Davos nicht tatsächlich stattgefunden, zukünftige Ideenhistoriker hätten es im Nachhinein erfinden müssen. Bis in kleinste Details spiegeln sich in diesem epochalen Ereignis die prägenden Kontraste der gesamten Dekade. Der jüdische Industriellenspross aus Berlin trifft auf den katholischen Küstersohn aus der badischen Provinz, hanseatische Contenance auf unverblümt-direkte Bäuerlichkeit. Cassirer ist das Hotel. Heidegger die Hütte. Unter gleißender Höhensonne treffen sie an einem Ort aufeinander, in dem die Welten, für die sie stehen, einander in unwirklicher Weise überblenden. Die traumgleiche, insulare Atmosphäre eines Davoser Kurhotels war es ja auch, die Thomas Mann zu seinem 1924 erschienenen Roman »Der Zauberberg« inspiriert hatte. Die Davoser Disputation von 1929 mochte den Teilnehmern deshalb gar als konkrete Umsetzung einer fiktionalen Vorlage erscheinen. Mit einer geradezu unheimlichen Passgenauigkeit fügten sich Cassirer und Heidegger in die ideologischen Schablonen eines Lodovico Settembrini und eines Leo Naphta, die Thomas Manns Roman für die gesamte Epoche erstellt hatte.

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