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Zeit und Geschichte

Historiker Neitzel über Ukrainekrieg: "Wir sind im Marathonlauf"

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerMittwoch, 20.12.2023

Wir haben hier bereits hin und wieder mal auf den Podcast "Was tun, Herr General?" hingewiesen, bei dem mdr-Moderator Tim Deisinger mit dem Ex-Nato-General Erhard Bühler über den russischen Angriff auf die Ukraine spricht.

Empfehlen will ich diese Folge aus zwei Gründen: Zum einen ist der Militärhistoriker Sönke Neitzel zu Gast, dem man immer gut zuhören kann, zum anderen geht es um die großen Bögen dieses Konfliktes, was ich schon deshalb hilfreich ist, weil man im Kleinklein der Tagespolitik den Überblick verliert.

Historiker Neitzel zeichnet ein Bild der Ungewissheit: Während die ukrainische Gegenoffensive gescheitert sei und es anders als von vielen erwartet keine schnellen Erfolge gegeben habe, hätten sich die Russen erfolgreich entlang der Front eingegraben. Wie der Krieg weitergehe, der sicherlich noch lange dauern dürfte, hänge nicht zuletzt vom Willen des Westens ab, der Ukraine weiter Ressourcen und Waffen zur Verfügung zu stellen.

Neitzel nimmt allerdings einen Stimmungswandel im Westen wahr, der dazu führe, dass Putin sein Geduldsspiel spielen könne. Eine Perspektive für Verhandlungen sieht er derzeit jedenfalls nicht. Dass die Ukraine noch eine erfolgreiche Gegenoffensive starten könnte, hält er für unwahrscheinlich.

Spannend ist das Gespräch für alle historisch Interessierten, weil Neitzel immer mal wieder auf geschichtliche Ereignisse verweist, etwa auf die Isonzo-Schlacht im Ersten Weltkrieg oder die Schlacht bei Stalingrad. Dabei macht er klar, wie schwierig es auch für die Forschung ist, die Motivation von Frontsoldaten zu ergründen – auf heute bezogen heißt das, man sollte nicht zu leichtfertig von schlecht motivierten russischen Soldaten ausgehen.

Historiker Neitzel über Ukrainekrieg: "Wir sind im Marathonlauf"

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Kommentare 12
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 4 Monaten · bearbeitet vor 4 Monaten

    Ergänzend zur Frage Verhandlungsoptionen:

    Opinion page NYT:
    Serge Schmemann, Redakteur, Pulitzer-Preisträger und Ex-Korrespondent in Moskau, Bonn und Jerusalem, schreibt:
    „Die Ukraine benötigt nicht ihr gesamtes Territorium, um Putin zu besiegen“.
    Sobald sich die Möglichkeit für Verhandlungen öffne, solle die Ukraine darauf eingehen. Dies sei kein Friedensgeschenk an Putin, wie sehr er es auch für sich als Sieg verbuchen würde.
    https://www.nytimes.co...
    New York, 27. Dezember - Printausgabe vom Folgetag

    Kiew, 29. Dezember
    Russland antwortete prompt mit den heftigsten Luftangriffen auf die Ukraine seit Kriegsbeginn - in der Hauptstadt sowie zahlreichen Städten im Osten und Westen des Landes gab es viele zivile Opfer
    https://www.tagesschau...

    Anders Åslund entgegnet Schmeemann, den er als großrussischen Imperialisten bezeichnet, menschenverachtend wie Putin, nur das Territorium im Kopf:
    Opinion page Kyiv Post, 30. Dezember
    https://www.kyivpost.c...

  2. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 4 Monaten

    Danke, alles ernüchternd.

    Sönke Neitzel hatte ich bisher immer sehr aufmerksam zugehört.
    Seine militärhistorischen Vergleiche regen zum Nachdenken an.
    Es ist aber ein großer Unterschied:
    Die Ukraine kämpft allein an einer Front gegen einen wirtschaftlich übermächtigen Feind und ist dazu nur mit Hilfe von außen in der Lage.

    Was an einigen Stellen störend auffiel, sind vielleicht unbeabsichtigte, dennoch unverkennbare russozentrische Aussagen.
    - Die militärstrategischen Kapazitäten Russlands, so Neitzel sinngemäß, dürfe man nicht unterschätzen. Schließlich hätte ja Russland, oder "der Russe", den II. Weltkrieg gewonnen.
    Die Ukrainer aber ebenfalls - nicht nur in der Sowjetarmee, auch mit ihren Partisanen - das sollte er wissen.
    Für den Hörer wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie beide Kriegsparteien mit ihren Militärführungen im Vergleich aufgestellt sind, angefangen von dem dilettantischen, von purem Vernichtungswahn getriebenen Marsch auf Kiew.
    - Wozu die Wiedergabe einer - zumal nicht belegten - Äußerung Putins gegenüber Scholz, das russische Volk könne einen viel höheren Leidensdruck aushalten, als die Menschen im Westen?
    Geht es also um einen West-Russland-Krieg?
    Die Ukraine hat bis jetzt viel gewaltigeren, das ganze Land durchdringenden, Leiden standgehalten. Und auch historisch durch den Stalinschen Golodomor und die deutsche Okkupation unvergleichlich stärker gelitten, als Großteile des russischen Hinterlands.
    Ganz zu schweigen vom rein materiellen Leidensdruck der Deutschen wegen der Energiepreise etc.

    Alles in allem fand ich, dass die aktive Rolle der Ukraine in dem Gespräch zu kurz kam. Die beschriebenen möglichen Szenarien lassen ein neues Jahr der Ungewissheiten erwarten.

    Gegen den Russozentrismus, der in der Geschichts-, aber auch Kunst- und Kulturwissenschaft des Westens nach mehr als zwei Jahrzehnten nach Zerfall des Ostblocks nicht überwunden ist, wandte sich z.B. Karl Schlögel: https://www.fr.de/kult...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten

      Ja, da ist was dran.

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 4 Monaten

    Ich habe zunehmend den Eindruck, dass D seinem eigenen moralischen und politischen Anspruch nicht gerecht wird. Warum Scholz, dieser Zögerer so handelt, erschließt sich mir nicht. Es könnte aber für die Zukunft der Demokratien zur Katastrophe auswachsen.

    1. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor 4 Monaten

      Es ist nicht nur Scholz, auch Biden.

      In der Berliner Zeitung vom 05.12.2023 erschien ein ganzseitiges Interview mit dem US-amerikanischen Ex-Nato-Oberbefehlshaber Philip M. Breedlove.
      Für die Lage findet er deutlichere Worte als Neitzel und fordert eine grundlegend andere Politik:
      „Wir sagen den Ukrainern ständig: Wir geben euch alles, was ihr braucht. Und wir werden euch so lange unterstützen, wie es nötig ist. Jeder Militärangehörige und Generalstabsplaner wird Ihnen sagen: Das sind unvollständige Sätze. Der Zweck der Unterstützung bleibt völlig unklar.“
      Frage: „Warum bleibt es jedes Mal bei diesen unvollständigen Sätzen?“
      „Weil die führenden westlichen Politiker nicht wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Wenn es nach den Ukrainern geht, müssten diese Sätze so vervollständigt werden: Wir geben euch alles, was ihr braucht, um die russischen Besatzer von eurem Staatsgebiet zu vertreiben. Wir unterstützen euch so lange, bis die russische Armee besiegt ist. Aber das wird niemals jemand so deutlich sagen, denn das ist nicht das Ziel der wichtigsten westlichen Politiker. Die Ukrainer brauchen endlich Klarheit ... Wenn es mittelfristig bei dieser minimalen militärischen Unterstützung bleibt, mit der die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann, dann wird sie ihn nicht überleben. Bald wird in unseren Ländern gewählt. Die Inflation schlägt zu Buche, viele Wähler sind sehr skeptisch, was mit den Geldern passiert, die wir für die Ukraine aufwenden. Die Unterstützung für die Ukraine wird langsam dahinschwinden. … Viele westliche Staaten haben Angst davor, was ein Sieg der Ukraine in diesem Krieg bedeuten könnte. ... Sie wären sehr froh, wenn sich die Ukraine jetzt an den Verhandlungstisch setzen und einen Frieden aushandeln würde. Insofern wäre es nur konsequent, wenn sie die Ukraine jetzt dazu bringen wollen würden, noch mehr Land und Soldaten für ‚unseren Frieden‘ und ‚unsere Sicherheit‘ zu opfern. Nur: Die Welt würde dadurch nicht zu einem sichereren Ort werden.“
      https://www.berliner-z... (Paywall)

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten · bearbeitet vor 4 Monaten

      @Lutz Müller Das erscheint mir irgendwie unklar, wenig logisch? Für wen spricht er da? Wenn er sagt: "Viele westliche Staaten haben Angst davor, was ein Sieg der Ukraine in diesem Krieg bedeuten könnte." Wieviele westliche Staaten haben denn Angst davor, was aus einem russischen Sieg folgt? Klar ist auch Biden in seiner Handlungsfreiheit beschränkt. Sehen wir ja gerade. Schei …Politik.

    3. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor 4 Monaten · bearbeitet vor 4 Monaten

      @Thomas Wahl Breedloves Urteil finde ich ziemlich hart. Seine Analyse ist schonungslos.

      Im Interview spricht er von fehlender Risikobereitschaft - Putins Drohungen mit Atomwaffen müsse man ernst nehmen, ohne aber vor ihm einzuknicken. Kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine sagte die amerikanische Regierung zu Putin, sie wolle keine Ausweitung des Krieges und keine Eskalation mit Einsatz taktischer Atomwaffen. Das sei ein Fehler gewesen,
      „mit dessen Folgen wir uns noch sehr lange beschäftigen müssen. ... Putin verstand die Passivität unserer Regierung als Freibrief zum Einmarsch.“

      Breedlove nennt es nicht Appeasement, sondern spricht von mehrfachen Belohnungen an Russland für Regelbrüche:
      Einmarsch in Georgien 2008, Krimannexion 2014, danach die „Überschreitung sämtlicher roter Linien“ in Syrien, was für Russland kaum zu Konsequenzen führte.

      Und es ist die lähmende Angst vor dem Risiko, was nach einer russischen Niederlage käme. Viele Politiker im Westen
      „kaufen Putin seine vermeintliche Alternativlosigkeit ab, anstatt Strategien für die Nachkriegszeit auszuarbeiten".

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten

      @Lutz Müller Wenn ich mich richtig erinnere hat Beiden gesagt, dass er strikt gegen eine taktische atomare Ausweitung sei aber wenn notwendig, dann angemessen reagieren würde? Und langfristige Strategien für die Nachkriegszeit gibt es doch eine ganze Reihe. EU-Beitritt, wirtschaftliche Unterstützung, NATO-Beitritt etc..

    5. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor 4 Monaten · bearbeitet vor 4 Monaten

      @Thomas Wahl 18.02.2022: Biden im Weißen Haus, geplantes Treffen Lawrow-Blinken für 24.02.2022
      https://www.handelsbla...

      In den folgenden Tagen: Putins Tiraden gegen die Ukraine, sie strebe nach Atomwaffen.

      23.02.2022 - das Treffen wurde abgesagt
      https://www.zeit.de/po...
      Was könnte zwischenzeitlich noch hinter den Kulissen gelaufen sein?

      *** Strategien für die Nachkriegszeit: 
      Das denkt Breedlove, wie ich es lese, militärisch.

      Tiefere Einblicke in die Geschichte der ukrainischen Atomwaffen nach dem Zerfall der UdSSR, die NATO-Osterweiterung und dazu, wie das Wissen um die Geschichte genutzt werden kann, Putin zu entwaffnen, gibt Mary Elise Sarotte: „Der Frieden in Europa hängt von der Ukraine ab“
      https://www.piqd.de/fu...

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten

      @Lutz Müller Auch solche Träume von Großungarn oder -serbien spuken ja offenbar noch rum - verrückt:

      "WELT: Laut dem ehemaligen polnischen Außenminister, Zbigniew Rau, ist die Position Ungarns damit erklärbar, dass sich das Land nach wie vor als imperiale Nation betrachtet, gleichberechtigt mit Österreich, innerhalb des österreich-ungarischen Reiches. Ungarn hat den Verlust von 70 Prozent seiner Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg nie überwunden, vor allem aber nicht den von Transkarpatien an die Ukraine.

      Bottoni: Diese Komponente muss sehr ernst genommen werden. Ungarn hatte sehr viel in Transkarpatien investiert, an menschlichen Ressourcen, Infrastruktur, politischen Verbindungen und Staatsbürgerschaft (durch die Verteilung ungarischer Pässe, Anm. d. Red.). Man könnte fast sagen, es hat die Infrastrukturen eines Parallel-Staates und einer Parallel-Gesellschaft geschaffen. In den 1920er- und 1930er-Jahren haben die Ungarn ihre revisionistischen Gebietsansprüche immer wieder auf den Tisch gelegt. Es ist faszinierend zu sehen, dass die ungarischen Eliten jetzt anscheinend erneut in Versuchung geraten, auf diejenigen zu hören, die ihnen zuflüstern, sie könnten ihre Beschwerden jetzt wieder verlauten lassen und dafür die so bedeutenden Errungenschaften der euroatlantischen Integration aufgeben. Diese Eliten denken auch heute noch daran, dass man sie verletzt und nicht genug „respektiert“ hat. Es ist genau wie bei den Russen, die ständig „Respekt“ fordern, fast ein wenig wie Mafiosi. Aber was soll das eigentlich heißen, Respekt? Dass besondere Privilegien zugestanden werden?
      WELT: Benimmt sich Orbán deshalb so stur, weil er sich in einer stärkeren Position fühlt, wenn er auf Putin setzt?
      Bottoni: Meiner Ansicht nach sieht Orbán in dieser Krise immer noch eine Chance, nicht nur an der Macht zu bleiben, sondern sie sogar noch auszubauen. Dabei sieht er zwei wichtige Termine vor sich. Erstens: die Europawahlen und die Aussicht auf sehr gute Ergebnisse für die rechtsnationalen und rechtsextremen Parteien in ganz Europa. Der zweite Termin ist die Chance auf einen Sieg von Donald Trump. Er setzt, bildlich gesprochen, eine Menge Geld auf die Wahlen in den USA. Es ist ein gefährliches Pokern, doch Orbán ist auch ein typischer Pokerspieler. Das erkennt man daran, wie er Milliarden auf Milorad Dodik, den Serbenführer in Bosnien, oder in Serbien gegen den Kosovo setzt. Und in diesem trüben Spiel, das darauf abzielt, auf dem Balkan Chaos zu stiften, wird Orbán zum Agenten Putins."
      https://www.welt.de/po...

  4. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 4 Monaten

    Aufschlussreiches Gespräch; der Vergleich des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg mit dem heute in der Ostukraine ist ausgezeichnet.

    Ergänzend: https://internationale...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Monaten

      Mich erinnert dass alles an die Apeasment-Politik gegenüber Hitler. Und es ist nicht nur die Rüstungsindustrie an sich. Ich vermute, Europa hat z.Zt. grundsätzlich nicht die industrielle und energetische Basis für eine längere „Kriegswirtschaft". Eine strategische Gefahr erster Ordnung. Dazu die Gefahr, das sich die USA abwendet.

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