Der US-Kongress versucht, Tiktok in die Hände US-amerikanischer Eigner zu zwingen - sonst soll die App dichtgemacht werden. Der Autor Paris Marx beschreibt den Fall in seinem Newsletter als reine Macht- und Standortpolitik der USA. Der power move der USA habe mit "Desinformation", Spionage oder möglicher chinesischer Einflussnahme, um welche die öffentliche Debatte ausschließlich geführt wird, nichts zu tun. Ich finde es etwas eindimensional, weil diese Themen ja durchaus relevant sind und sich wie bei allen Plattformen im Falle Tiktok eventuell noch stärker stellen. Allerdings geht die Dimension, die Marx betrachtet, sonst in der Berichterstattung meist unter, da die meisten, die darüber schreiben, der US-Politik die Story von der manipulativen China-App unkritisch abkaufen.

Marx verweist darauf, dass die US-Regierung die zentrale Rolle der US-Unternehmen beim Aufbau des Internets von Anfang an unterstützte. Das Internet sei quasi US-amerikanische soft power. Weshalb der Aufstieg eines ersten nennenswerten Konkurrenten des Silicon Valley - Chinas Tech-Branche - quasi als Eindringling in angestammtes Territorium gesehen wird. Zugleich setze die US-Regierung ihre Macht immer wieder ein, um "ihre" Tech-Konzerne vor der harten Hand anderer Staaten zu schützen - auch in der EU, wo sie als Lobbyist für die Branche auftritt.

Und die Frage, ob China über Tiktok Amerikaner ausspioniert? Marx relativiert sie dadurch, dass China sich die Daten über US-Amerikaner auch einfach bei Datenbrokern kaufen kann - wie die US-Regierung auch. Die ist ohnehin keine moralische Autorität dafür, die Menschen vor Internet-Überwachung zu schützen - siehe Snowden und die NSA, die das Netz anzapfte. US-Unternehmen wie Facebook und Co. machten dabei mit - so, wie die USA es derzeit Tiktok vorwerfen.

Eine lesenswerte Einordnung zum großen Ringen um Tiktok, dass in diesem Wahljahr noch Wellen schlagen wird. Und dass einen Vorgeschmack auf die Kämpfe um die Kommunikationsräume der Zukunft gibt.