"Unruhiger Schlaf. Wegen des Tuchs." 

Marcus Ertle (Mitpiqer in diesem Kanal) hat für den Tagesspiegel ein sehr lustiges und feinsinniges Beobachterexperiment gemacht: In Deutschland gehen täglich unzählige Dinge verloren, wir finden uns damit ab, nun ja. Ende der Geschichte? Aber in diesem Fall eben nicht, denn in diesem Fall jagt der Autor einem ominösen weißen Tuch hinterher - besser: der Besitzerin oder dem Besitzer -, das er zufällig auf den Straßen Berlins findet. 

Der Text lebt primär von den Einsichten des Finders, der noch dazu - das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen - ein sehr redlicher Mann ist:

"Als wäre das Halstuch mit einer Verpflichtung verbunden. Dabei weiß ja niemand auf der Welt, dass ich es besitze. Ich könnte es behalten. Aber dafür ist man ein zu guter Mensch. Kurzer Moment der Rührung. Nein, selbstverständlich behalte ich ein solches Tuch nicht." 

Ertle stellt also alles rund um den Fundort auf den Kopf, verbindet das mit der berühmten Theorie, dass wir jeden über sieben Ecken kennen müssten, verbindet das mit den Zahlen, mit dem Papst; malt sich Szenarien aus, sucht eine Spur, verliert eine. Will aufgeben, fängt wieder an. 

"Letztes Jahr gingen in Berlin mehr als 96 000 Dinge offiziell verloren und wurden damit zu Fundsachen. 13 025 Geldbörsen, rund 2 300 Handys, mehr als 4000 Schlüssel, 140 Rollatoren (wirklich unheimlich), 62 Kinderwagen und gut 6000 Kleidungsstücke." 

Ob er jemanden findet, kann ich an dieser Stelle natürlich nicht sagen; was ich sagen kann: Diese Suche hat sich wirklich gelohnt.