In dem Dokumentarfilm Searching for Sugarman geht es um die Suche nach einem Musiker, von dem die Legende sagt, er sei tot. Seine Musik, obwohl in seiner Heimat USA völlig unbekannt, ist in Südafrika so legendär wie das Werk der Beatles, und so wollen eine Reihe von Leuten nicht wahrhaben, dass es so gar nichts über den Mann herauszufinden gibt. Man erwartet als Zuschauer nie, dass er tatsächlich gefunden wird. Aber plötzlich, in der Mitte des Films, öffnet ein Mann ein Fenster eines Mietshauses in Detroit und lächelt uns in Backstein gerahmt entgegen: Sugarman. Für mich ist diese Szene eine der emotionalsten der Filmgeschichte. Für alle, die nach Sugarman gesucht hatten, einer der emotionalsten Momente ihres Lebens. Der Protagonist selbst: beinah amüsiert über all die Gerührtheit.

Eine ähnliche Geschichte erzählt diese großartige Reportage über die Suche nach der Identität von „B.K. Doe“, einem Mann, der 2005 nackt und bewusstlos hinter einem Burger King in Georgia gefunden wurde. Er konnte sich an fast nichts weiter aus seiner Vergangenheit erinnern als an sein Geburtsdatum. Er war auf den Tag genau zehn Jahre älter als Michael Jackson. Es beginnt eine mehr als zehn Jahre währende Suche nach der Identität des Mannes, die Matt Wolfe für New Republic aufwändig und aufmerksam erzählt. Man lernt dabei unter anderem etwas darüber, welche forensischen, journalistischen und kriminologischen Möglichkeiten es gibt, jemandes Identität festzustellen, welche Ursachen es für Gedächtnisverlust gibt und wie sich das von Amnesie und Trauma abgrenzt, welch einen bürokratischen Wahnsinn es bedeutet, seine Identität zu verlieren, und landet schließlich bei den ganz großen Fragen: Was genau ist Identität und welches Recht auf Anonymität hat ein Mensch? B.K.Doe jedenfalls hat sein früheres Leben nicht wirklich interessiert.