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Fundstücke

Der "Judas" der ostdeutschen SPD

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannMontag, 02.07.2018

Ibrahim Böhme war der große Hoffnungsträger der SPD in Ostdeutschland nach der Wende. Ein Ossi, ein Intellektueller, einer, wie man glaubte, ohne politische Vorgeschichte, der sich als Bürgerrechtler einen Namen gemacht hatte. Böhme stieg blitzartig auf, tourte mit Willy Brandt über die proppenvollen Marktplätze, reiste nach Moskau, wurde zum Medienphänomen.

Bald kam heraus, Böhme war jahrzehntelang Stasi-Spitzel gewesen: IM Paul Drempker, IM Dr. Rohloff, IM Paul Bonkarz, IM Maximilian. Böhme war eine der großen Fehlentscheidungen der SPD (eine andere war zum Beispiel, kategorisch keine ehemaligen SED-Mitglieder aufzunehmen), die heute in ihrem Stammland Sachsen weniger als 4000 Mitglieder hat.

Ich bin beim Fotofestival f/stop in Leipzig auf die fantastische Portraitserie von Ute Mahler gestoßen, die Böhme damals für den Stern begleitete (der Stern hatte übrigens kein einziges der Bilder gedruckt, die in der Ausstellung zu sehen waren). Die Kuratoren haben das Festival unter das Motto "Zerrissene Gesellschaft" gestellt, sich u. a. auch mit dem Erbe des Uran-Abbaus unter dem sowjetischen Staatsunternehmen Wismut in der DDR beschäftigt und dem Leben der Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe NSU. Die Geschichte Ibrahim Böhmes - ebenso wie die Geschichte der Fotografin Mahler, die die renommierte Agentur Ostkreuz für ostdeutsche Fotografen mitgründete, zeigt also nur einen dieser Risse, und ich fand besonders faszinierend daran, dass es sich dabei um einen Riss handelt, der mit den Mitteln des Journalismus nur schwer sichtbar zu machen ist. Der NSU hinterließ Opfer und mündete im größten Gerichtsprozess seit Jahrzehnten, die Wismut ist ein lebendiges Erbe, Teil der geografischen und sozialen Geschichte des Erzgebirges. Die Episode Böhme hingegen ist historisch ohne greifbare Bedeutung, kaum eine Marginalie in den Geschichtsbüchern, eine Prozentzahl hinter dem erfolgreichen Gegenkandidaten der CDU für das Amt des letzten Ministerpräsidenten der DDR: Lothar de Maiziére. Trotzdem hinterließ Böhme tiefe Spuren im politischen Unterbewusstsein der Ostdeutschen, die die ersten Schritte der neuen Demokratie auf ihrem Boden betrachteten, glaube ich. Birgit Lahann fängt das in diesem wütenden, traurigen Portrait für die Berliner Zeitung ein. Und das gelingt ihr nur, weil sie einem, der objektiv nicht zu fassen ist, mit radikaler Subjektivität begegnet: 

(Böhme) beteuert noch immer seine Unschuld, tritt aber von allen Ämtern zurück und taucht unter. Heute ist er krank. Seit Jahren schon. Und seit Jahren spricht er auch vom Tod. Vom Sensenmann, dessen Gerippe draußen vor der Tür klappert. Hören Sie ihn nicht?Nein. Rollen, Rollen, alles Rollen. Böhme hat mir viele vorgespielt. Den gefallenen Engel Luzifer, den Todeskandidaten, den Memoirenschreiber, den Fensterputzer, den Universitätsdozenten. (...) Einmal versucht er, sich das Leben zu nehmen. Man findet ihn am Morgen in einer Blutlache. Er hat behutsam in den Puls geschnitten, ist darum auch noch recht lebendig. Jede Rolle spielt er unübertrefflich. In unterschiedlicher Verkleidung. Mal mit Jeans und Vollbart, mal mit langem Haar und Morgenmantel, mal geschoren im Pyjama und im Gesicht Dreitagestoppeln. Nur eine Rolle hat er nie gespielt. Sich selbst. Manfred Böhme. Der schöne Name Ibrahim nämlich, Abraham, Vater des Volkes, ist auch eine Rolle.
Der "Judas" der ostdeutschen SPD

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