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Medien und Gesellschaft

Wolfgang Michal: Politikberatungs­journalismus

Christoph Zensen
Informationswissenschaft, Medieninformatik, Produktmanagement

#ViewFromSomewhere #MovementJournalism

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Christoph ZensenSonntag, 25.04.2021

Wolfgang Michal ist einer der besten Medienkritiker in Deutschland (und sogar ein Medienkritikkritiker). Immer wieder finde ich in seinen älteren Blogartikeln und Zeitungsbeiträgen sehr kluge Perspektiven, die man nirgends so gebündelt bekommt.

Er kennt sich unfassbar gut aus. Als ich einmal bei Twitter fragte:

Wer kennt ein gutes Buch über die Dynamik in deutschen Redaktionen in den 70er und 80er Jahren?

So wie "On Press" von @matt_pressman, aber für Deutschland.

Kam wenig später die Antwort:

So was gibt's hierzulande für diesen Zeitraum nicht. Die "Redaktions-Dynamiken" muss man sich aus den Memoiren und Tagebüchern von Günter Gaus bis Fritz J. Raddatz zusammenbasteln.

Viele Recherchestunden später musste ich feststellen, dass es genau so war, wie Wolfgang Michal angesagt hat.

In dem hier gepiqten Text von 2017 beschreibt er ein Phänomen im Politikjournalismus, das mich sehr umtreibt und zu dem ich hier schon mehrere Piqs geschrieben habe:

Politikberatungs­journalismus

Wolfgang Michal beschreibt diese ungute Tendenz als Politikberatungs­journalismus und trifft es damit ziemlich gut. Den perfekten Begriff gibt es vielleicht gar nicht.

Michal schreibt:

Der politische Journalismus bietet heute ein solches Übermaß an Politikberatung, dass man bisweilen den Eindruck hat, die Redaktionen fungierten als Planungs- und Krisenstäbe des Kanzleramts und der Parteien.

Ich nicke mit Kopf 🙆

Ihre Sätze beginnen mit „Man müsste“, „Man sollte“ oder „Man darf jetzt auf keinen Fall“, wobei sie ungeniert politische Strategien und Verhaltensregeln für Parteien und Kanzlerkandidaten entwerfen.

Bravo 🙌

Ich gehe allerdings mit dem Text nur solange mit, wie sich Michal auf die strategische Ebene beschränkt. Später im Text schreibt er, dass Journalist:innen auch inhaltlich keine Vorschläge machen sollten.

Die politische Redaktion der Zeit ist eine Mischung aus Think-Tank und Schattenkabinett. [... ]„Was jetzt zu tun ist“, „Was die neue Regierung tun muss“, „Was Griechenland jetzt tun muss“, „Was Europa jetzt tun muss“, „Jamaika muss Europa retten“, „Das sind die wichtigsten Aufgaben“, „Regelt das endlich!“, „Nehmt diese Wähler endlich ernst!“ So dröhnt es pausenlos aus der Zeit.

Politikjournalismus als parteistrategischen Think-Tank lehne ich ab. Aber Politikjournalismus als eine Art Schattenkabinett finde ich überhaupt nicht abwegig. Politikjournalist:innen sollten nach politischen Lösungen für Probleme suchen. Erfolgreiche Lösungen aus anderen Ländern, politische Lösungen aus den Wissenschaften, von Publizist:innen oder von der politischen Opposition.

Mit solchen Lösungen im Gepäck lässt sich doch wunderbar eine inhaltlich-kritische Auseinandersetzung bewerkstelligen. Es ist legitim eine Regierung genau so zu stellen. Warum macht ihr es so und nicht anders? Jener Weg ist offenbar effektiver, effizienter, gerechter, leichter umzusetzen oder erzeugt weniger schlechte Nebenwirkungen. Warum macht ihr es nicht so?

Am Ende kommt Michal – aus meiner Sicht – wieder in die richtige Spur. Da schreibt er:

Seinen Höhepunkt erreicht der Politikberatungsjournalismus natürlich in Wahljahren. Aber so dreist wie 2017 war er noch nie. Denn die Aussicht auf eine Jamaika-Koalition versetzt viele Politik-Journalisten in Euphorie: „Warum Jamaika ein Erfolg werden muss“ heißt es dann, oder „Jamaika darf nicht scheitern“.

Vier Jahre später – im Wahljahr 2021 – läuft der Politikberatungsjournalismus erneut auf Hochtouren. Obwohl es mich nicht interessiert, weiß ich schon was Laschet jetzt tun müsste, um die Union zu einen. Was Söder tun sollte, um die Union nicht weiter zu spalten. Was Scholz jetzt tun müsste, um besser wahrgenommen zu werden. Und wie klug es war, dass die Grünen Habecks Koalitionsbildungs-Kompetenz aus Schleswig-Holstein für eine Teamlösung ins Spiel gebracht haben, um den Kritikern von Baerbocks mangelnder Regierungserfahrung das Wasser abzugraben.

Wenn doch dieselbe Energie in das Für und Wider wirksamer Klimaschutzpolitik oder die besten Konzepte zur Herstellung von sozialer Gerechtigkeit fließen würde, dann wäre ganz viel gewonnen. Zeigt mir die besten Konzepte für eine vorausschauende Gesundheitspolitik und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik und konfrontiert die Parteien – insbesondere die Regierungsparteien – damit.

Wolfgang Michal: Politikberatungs­journalismus

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Kommentare 2
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 3 Jahren

    "Wenn doch dieselbe Energie in das Für und Wider wirksamer Klimaschutzpolitik oder die besten Konzepte zur Herstellung von sozialer Gerechtigkeit fließen würde, dann wäre ganz viel gewonnen."
    Leider weiß man ja immer erst hinterher, wie gut die Konzepte waren. Aber ein wenig tiefer und breiter könnte der Journalismus da schon graben. Erfahrungen aus der Vergangenheit gibt es ja genug .... 😏

  2. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor 3 Jahren

    Einen Haken hat ein lösungsorientierter Politikjournalismus natürlich. Die Redaktion müsste sich dazu erst einmal einem Set von Werten verschreiben. Des einen Lösungen sind schließlich des anderen Untergangsphantasie.

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