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Literatur

Schwimmer und Nichtschwimmer

Schwimmer und Nichtschwimmer

Monika Rinck
Autorin
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Monika RinckSamstag, 23.01.2016

Die Höhle der Schwimmer – auf dem Gilf el-Kebir-Plateau in der Sahara – erhielt ihren Namen aufgrund der dort entdeckten Höhlenmalerien von schwimmenden Figuren, deren Entstehung auf etwa 9000 vor Christus geschätzt wird. In der Altägyptischen Zeit finden sich mehrere Hieroglyphen für das Schwimmen, was für seine Geläufigkeit spricht. Die Antike bringt Zeugnisse seiner Wertschätzung: „Für Sokrates war es eine entscheidende Fähigkeit des Lebens. Schwimmen, so sagte er, rette ‚die Menschen vom Tode‘.“ So zu lesen in „Swim“, einer launischen Kulturgeschichte des Schwimmens von Lynn Sherr, die 2013 in deutscher Übersetzung erschien.

Roland Barthes berichtet über Eurylochus, einen Schüler von Pyrrhon (viertes vorchristliches Jahrhundert): „In Elis ward er einmal im Verlaufe gewisser Erörterungen durch die Fragen seiner Schüler in eine so verzweifelte Abspannung versetzt, dass er, sein Gewand von sich werfend, über den Alpheios, den Fluss, der durch Olympia fließt, hinüberschwamm“ – das sei „die köstlichste aller schiefen Erwiderungen“, kommentiert Barthes.

Julius Cäsar war für seinen behänden Schwimmstil bekannt, schwimmende Soldaten waren von Vorteil – das galt bis in das durch Rüstungen beschwerte Mittelalter. Hier erfolgte ein Bruch. „Einige Historiker schieben den Niedergang des Schwimmens auf die Kirche. Andere meinen, die Verbannung einer Vermischung von Wasser und Fleisch – selbst Baden galt als ein heidnisches Ritual – habe an einer fehlgeleiteten Medizin mit ihren garstigen Warnungen vor der krankmachenden Wirkung verseuchten Wassers gelegen“, so Sherr. In der Renaissance kehrte das Schwimmen zurück, maßgebliche Schwimmfibeln entstanden in dieser Zeit: Colymbetes, sive de arte natandi (der Schwimmer und die Schwimmkunst) von Nicolaus Wynmannus, und 1587: De arte natandi: Über die Schwimmkunst von Everand Digby, einem englischen Theologen und Philosophielehrer, der den Skeptikern die vielen vor der englischen Küste ertrunkenen Nichtschwimmer entgegenhielt. Um auch Frauen das Schwimmen zu lehren, brauchte es einige schwere Schiffsunglücke, wie die Havarie eines Schaufelraddampfers im Jahr 1878 auf der Londoner Themse (von 339 Frauen überlebte eine), oder den Untergang eines Passagierdampfers auf dem New Yorker East River im Jahr 1904.

Ein Sprung in die USA des 20. Jahrhundert – wo Schwimmen in den 20er und 30er Jahren zur populärsten Freizeitbetätigung wurde. Schwimmbäder als riesige aquatische Spielplätze, Becken mit siebeneinhalb Millionen Litern Wasser, Busby Berkeley-Choreographien wie „By a Waterfall“. „Vor dem Bürgerkrieg sind in den USA mehr Schwarze als Weiße geschwommen. Aber als die Weißen das Schwimmen für sich entdeckten, hat man die Schwarzen von den sicheren Stränden und aus den Schwimmbädern vollständig verbannt. (..) Und die Weißen haben sich gegen die Integration in den Schwimmbädern noch heftiger gewehrt als anderswo“, so Bruce Wigo, Präsident der International Swimming Hall of Fame in Fort Luderdale, Florida. Viele Bäder schlossen, als es gesetzlich geboten war, die Segregation aufzugeben. Danach wurden vor allem Sportbäder für das Wettkampfschwimmen erbaut, ohne „gesellige Attraktionen wie Rutschen, Restaurants, Tanzflächen und künstliche Strände“. In den 1940er Jahren entstand eine Initiative zur Schaffung „farbiger Bäder“, „um getrennte, aber gleiche Einrichtungen bereitzustellen“, aber zu diesen Zeitpunkt sei die Schwimmkultur der schwarzen Bevölkerung bereits zerstört gewsen, so Wigo. Nichtschwimmer kam als Codewort für Minderheiten in Gebrauch. Pools wurden in den Gartenanlagen der Reichen ausgehoben – die „The Swimmer“ Neddy Merrill in einer Kurzgeschichte von John Cheever nach einer Poolparty als Wasserstraße – einen nach dem anderen – nutzen will, um so nachhause zu schwimmen. Erst bei den Grahams, den Lears, den Hammers, den Howlands, dann den Crosscups. Dann müsste er die Ditmar Street queren und käme, nach einem kurzen Transfer über Land zu den Levys, den Welchers, dem öffentlichen Schwimmbad von Lancaster. Dann waren da die Hallorans, die Sachses, die Biswangers, Shirley Adams, die Gilmartins und die Clyses. „The day was lovely, and that he lives in a world so generously supplied with water seemed like a clemency, a beneficence.“ Das Ende aber wird öd und leer.

Lynn Sherr: SWIM. Über unsere Liebe zum Wasser. Übersetzt von Andreas Simon dos Santos. Haffmans und Tolkemitt, Berlin 2013

John Cheever: Der Schwimmer. Stories. Übersetzt von Thomas Gunkel. Heyne Verlag bei Randomhouse, 2011.

John Cheever: THE SWIMMER, in englischer Sprache, ist hier in voller Länge nachzulesen: bit.ly/1VgleV8

Roland Barthes: Das Neutrum. Übersetzt von Horst Brühmann. Suhrkamp Verlag 2005.

Busby Berkeley: By A Waterfall, auf youtube: bit.ly/1Puhpau

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Kommentare 1
  1. Annett Gröschner
    Annett Gröschner · vor 8 Jahren

    Danke! Darauf gehe ich doch gleich mal ins Schwimmbad und machs wie Eurylochus.

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