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Was „Grenzen setzen“ wirklich heißt

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
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Theresa BäuerleinDienstag, 29.08.2023

Es gibt zunehmend ein Phänomen namens „Therapeutensprech“. Er bedeutet, dass Menschen Psychologiejargon und Konzepte aus der Psychologie verwenden, die sie oft kaum verstanden haben – oder, schlimmer noch, nutzen, um andere Menschen zu manipulieren, um sie zu kontrollieren. Das sind z. B. Konzepte wie „Grenzen setzen“, „Gaslighting“ oder „Narzissmus.“

Ein hervorragendes Beispiel, über das auch die taz geschrieben hat, ist der Fall Sarah Brady/Jonah Hill. Vor ein paar Wochen veröffentliche Brady, eine semi-professionelle Surferin, Textnachrichten, die sie und ihr Exfreund Hill einander geschickt hatten. Hill ist ein US-amerikanischer Schauspieler und Regisseur und anderem bekannt aus dem Film „Moneyball“. Darin schreibt Hill ihr, um seine Grenzen zu respektieren, müsse Brady diverse Regeln befolgen: Nicht mit anderen Männern surfen, keine engen Freundschaften mit anderen Männern haben, keine engen Freundschaften mit Frauen aus ihrer „wilden Vergangenheit“, keine nicht von ihm abgesegneten Fotos im Bikini auf Instagram posten etc. (wie gesagt, sie ist Surferin!). Er verdiene nämlich Respekt, so Hill, und wenn sie nicht bereit sei, diese Grenzen zu respektieren, könnten sie die Beziehung beenden „no hard feelings“.

Also ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Mann versucht eine Frau zu kontrollieren, nur jetzt halt mit Therapeutensprech. Deswegen ist es gut, dass die Autorin in dem hier empfohlenen Artikel klar erklärt, was „Grenzen“ in Beziehungen eigentlich bedeuten.

Obwohl die genaue Definition von Grenzen sehr unterschiedlich zu sein scheint, kann man sie am besten als eine Reihe innerer Regeln verstehen, die festlegen, was man bereit ist, von anderen Menschen zu tolerieren. Instagram-Therapiekonten und verschiedene Websites bieten Anleitungen zum Setzen von Grenzen an, und das Elternportal TikTok ist voll mit Videos über "feste Grenzen" bei Ihren Kindern, während Sie ihnen irgendwie nie nein sagen (…) Wenn man möchte, dass jemand etwas tut, kann das Wort "Grenze" der Bitte einen Anstrich von therapeutischer Legitimität verleihen. 

Genau das ist das Problem: Grenzen werden im populären Gebrauch jetzt als „Regeln für andere“ verstanden. Tatsächlich geht es beim Setzen von Grenzen erst einmal darum, für sich selbst zu definieren, womit man sich wohlfühlt, und zu entscheiden, was man tut, wenn jemand die Grenze überschreitet. Grenzen setzen ist zuallererst Selbstverantwortung für die eigenen Gedanken, Gefühle, Handlungen und Meinungen. Dazu gehört auch, dass andere Menschen ein Recht auf ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Handlungen und Meinungen haben. 

 Das ist eine wichtige Unterscheidung, denn der wahre Test für eine Grenze ist, wie man reagiert, wenn jemand etwas tut, was man nicht möchte, dass er es tut. "Es gibt keine Grenze ohne innere Konsequenz", sagt Laura Vladimirova, eine aus der Ukraine stammende Therapeutin in Brooklyn. "Sagen wir, du bist meine Schwester, und ich sage zu dir: 'Hey, ich will nicht mehr, dass du unangemeldet vorbeikommst.' Dann ist meine Vermutung – und das ist eine falsche Vermutung –, dass sie auf mich hören wird und nicht mehr unangemeldet vorbeikommt."                                                                             
Aber Ihre Schwester – und auch andere Menschen – sind vielleicht nicht mit Ihrer Grenze einverstanden. An diesem Punkt müssen Sie entscheiden, was Sie tun werden. Wenn Ihre Schwester ohne Vorwarnung vorbeikommt, lassen Sie sie dann herein? Bitten Sie sie, später wiederzukommen? Distanzieren Sie sich eine Zeit lang? Diese Logik gilt auch für die Festlegung von Grenzen bei Kindern. Eltern denken vielleicht, dass eine Grenze eine Regel ist, die ihr Kind befolgen muss – zum Beispiel: "Du musst deine Schuhe anziehen, bevor du nach draußen gehst." Aber in Wirklichkeit kommt es darauf an, was die Eltern tun, wenn das Kind die Grenze überschreitet. (Wahrscheinlich ziehen sie die Schuhe selbst an, während sie mit winzigen Tritten attackiert werden.) 
(…) Die letzte falsche Annahme, die Menschen oft im Zusammenhang mit Grenzen machen, ist die, dass ein Grenzverletzer automatisch und dauerhaft aus Ihrem Leben ausgeschlossen werden sollte. "Manchmal denken wir, dass bei Grenzen immer die härteste Konsequenz nötig ist", sagte mir Tawwab. Aber wenn wir Beziehungen jedes Mal beenden würden, wenn unsere Grenzen verletzt werden, "hätten wir gar keine Beziehungen mehr". Wenn jemand zum ersten Mal gegen Ihre Grenzen verstößt, können Sie ihn einfach an Ihre Grenzen erinnern. Beim nächsten Mal könnten Sie beschließen, eine Woche lang nicht miteinander zu sprechen, zum Beispiel. Nur in extremen Fällen sollten Sie den Kontakt ganz abbrechen.
Was „Grenzen setzen“ wirklich heißt

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Kommentare 2
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 9 Monaten

    wohl wahr. ähnlich übrigens mit dem Begriff der toxischen Beziehung. Da wird viel Geschwafel genutzt. auch wenn es natürlich an sich auch gut ist, wenn eine breitere Öffentlichkeit über mehr Allgemeinbildung bei Psychologischen Konzepten verfügt.

    1. Theresa Bäuerlein
      Theresa Bäuerlein · vor 9 Monaten

      Oh JA, die toxische Beziehung. Auch sehr weit verbreitet. Ja, es ist super, wenn man Begriffe hat, einfach um über etwas reden zu reden, das man vorher vielleicht mühsam umschreiben musste. So weiß jeder, was gemeint ist, aber dadurch wird es leider manchmal auch verflacht oder missbraucht, wie vermutlich im Fall von Hall/Brady.

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