CNN-Reporterin Jessica Ravitz begibt sich auf eine Tour de Force, um Paulette Leaphart zu folgen, einer Krebsüberlebenden mit amputierten Brüsten, die sich auf einen 1.000-Meilen-Oben-Ohne-Marsch nach Washington begab und mit ihrer Geschichte zum Facebook-Star geworden ist. 

Die Reportage beginnt wie die typische Geschichte von jemandem, der etwas Schreckliches in seinem Leben durchmacht, es überwindet und es dann zu seiner eigenen Angelegenheit macht, Menschen in der gleichen Situation zu helfen.

Doch je länger sie unterwegs ist, desto größer werden die Löcher in Leapharts Geschichte: ihre Krebsdiagnose und -behandlung, ihre finanzielle Situation, ihre Motivation für den Marsch, ihre Beziehung zu verschiedenen Berühmtheiten und Dokumentarfilmschaffenden – nichts ist erfunden, aber vollkommen richtig ist eben auch nichts. Ravitz fängt an zu begreifen, wie sehr man sich hinter Nacktheit und Betroffenheit verstecken kann, und wie in sozialen Medien aus den Lebensgeschichten Sinnsuchender schnell die Überlebensstrategien Ausgestoßener werden können. 

Ein großes Plus der Reportage ist, dass die Autorin uns ständig über ihre eigenen Gefühle und Gedanken auf dem Laufenden hält, während sie Leapharts Ungereimtheiten aufdeckt. Zuerst wirkte das auf mich etwas nervig, ich dachte immer wieder, warum bist du in dieser Geschichte so präsent, Reporterin? Aber dann macht es Sinn. Denn ohne ihren persönlichen Beitrag hätte die Geschichte als eine Art Hexenjagd gelesen werden können, und was noch wichtiger ist, sie beschreibt genau die Enttäuschung und Verwirrung, die jemand empfindet, wenn eine Person, zu der man aufschaut, sich als nicht so bewundernswert erweist (ich denke da zum Beispiel an Louis CK oder Woody Allen).