In Russland wird an diesem Sonntag ein Präsident gewählt, und (fast) niemanden in Deutschland und Europa scheint es wirklich zu interessieren. Die klassische Vorwahl-Berichterstattung wird eher pflichtschuldig abgehakt. Hier und da gibt es nette Bilderstrecken. Das hat natürlich einen handfesten Grund: Eine echte Wahl haben die Russen nicht. Der einzige ernst zu nehmende Oppositionelle, Alexei Nawalny, darf zur Wahl nicht antreten. Der Sieger, über den es auch nichts Neues mehr zu sagen gibt, steht längst fest: Wladimir Putin.

In diesem Umfeld hat dekoder.org alles Wichtige zur Präsidentenwahl für den eiligen Leser in sechs FAQ und sechs knappen Antworten zusammengefasst. Das ist gekonnt gemacht, und wer doch etwas mehr Zeit mitbringt, der kann sich in das Dossier Wlast – Russlands Machteliten durchklicken, was ich sehr empfehle, denn dort sind dann eben doch spannende Hintergründe zu lesen über ein Land, das vielen Menschen im Westen nach dem Aufbruch in den 90er Jahren längst wieder fremd zu werden droht. Ein Appetizer:

Wie geht es zusammen, dass über 80 Prozent der Menschen in Russland Zustimmung für den Präsidenten äußern und zugleich nur sechs Prozent meinen, dass die Staatsmacht gerecht sei?

Die Lösung des Rätsels liegt im aufgeladenen und widersprüchlichen Phänomen namens Wlast. Dieser Begriff kann sowohl den Macht- und Herrschaftsbegriff umfassen, als auch die Staatsmacht, Regierung, Behörden, Oligarchen oder auch irgendeine Obrigkeit – mit entsprechenden Schwierigkeiten bei der Übersetzung in andere Sprachen. Je nach Interpretation kann Wlast außerdem ganz andere Bedeutungsinhalte haben: Von der personifizierten Staatsmacht Putins, über die Anonymität und Unsichtbarkeit der Macht, wie man es etwa bei Kafka kennt, bis hin zum Orwellschen Unterdrückungsapparat.

Statt sich weiter dem Overkill an Trump-Berichterstattung hinzugeben, empfehle ich daher dringend: Klickt euch auf dekoder.org durch!