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Europa

Inflation: Warum Preise nicht sinken sollten

Tanja Kuchenbecker
Journalistin, Auslandskorrespondentin

Seit 1991 arbeitet Tanja Kuchenbecker in Paris als Auslandskorrespondentin für deutsche Medien. Sie schreibt über die unterschiedlichsten Frankreichthemen, vor allem über Wirtschaft und Politik und hat mehrere Bücher über Frankreich veröffentlicht.

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Tanja KuchenbeckerDonnerstag, 28.03.2024

Überall in Europa und weltweit beschweren sich Konsumenten über gestiegene Preise in den verschiedensten Bereichen des alltäglichen Lebens. Können die Preise wieder fallen?

Mit dieser Frage beschäftigte sich Asterès, der französische Wirtschaftsberater, der auch umfassende Studien zur Konjunktur und internationalen Wirtschaft durchführt. In einer kurzen Abhandlung zum Thema Inflation analysiert Asterès die Gründe, warum es nicht möglich und nicht wünschenswert ist, dass die Preise wieder das niedrigere Niveau des Jahres 2021 erreichen. Nur weniger Inflation passt in das internationale Wirtschaftskonzept. 


                                                             TEXT Asterès

Inflation: Es ist wünschenswert, dass die Preise nicht auf ihr vorheriges Niveau zurückkehren.

Die Inflation sinkt, aber es ist weder wünschenswert noch vorstellbar, dass die Preise wieder auf ihr Durchschnittsniveau von 2021 zurückfallen.

Die Preise sind in den letzten drei Jahren stark gestiegen, aber auch die Löhne. Damit die Preise wieder das Niveau von 2021 (vor dem Inflationsschock) erreichen, müssten auch die Löhne sinken, da sonst die Lohnkosten der Unternehmen zu hoch würden. Allerdings herrscht eine Lohnstarrheit nach unten, das Szenario einer Rückkehr zum Preis- und Lohnniveau von vor drei Jahren ist daher unwahrscheinlich. Dies stellt an sich kein Problem dar. Das normale Funktionieren einer Wirtschaft besteht darin, dass die Preise um etwa 2 % pro Jahr steigen und nicht, dass sie fallen, was (unter anderem) die Durchführung der Geldpolitik erschweren würde.

   1) Rückgang der Inflation: Nicht mit einem Preisverfall verwechseln

Die Inflation ist in den letzten Monaten stark zurückgegangen, so dass die Preise immer noch steigen, wenn auch weniger schnell. Nachdem die Inflation im Februar 2023 mit 6,3 % im Jahresvergleich ihren Höchststand erreicht hatte, ging sie kontinuierlich zurück und erreichte im Februar 2024 3,0 %. Die Preise steigen daher weiter, allerdings mit einer weniger schnellen Steigerungsrate. Seit Januar 2021 sind die durchschnittlichen Verbraucherpreise in Frankreich um 12 % gestiegen und werden nicht auf ihr vorheriges Niveau zurückkehren.

   2) Preisverfall: ein unwahrscheinliches Szenario, das mit einem Rückgang  der Löhne einhergehen sollte

Die Preise sind in den letzten zwei Jahren rasant gestiegen, aber auch die Löhne.

Zwischen dem ersten Quartal 2021 und dem vierten Quartal 2023 stiegen die Preise um 12 % und die Löhne um 9 %. Momentan verlief die Inflation dynamischer als der Lohnanstieg, aber die Situation kehrt sich gerade um, was bei einem Inflationsschock häufig vorkommt, da sich die Löhne mit einer Verzögerung an Preisschwankungen anpassen. So stieg im vierten Quartal 2023 das monatliche Grundgehalt um 3,8 % und die Preise um 3,6 %. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Niveau der Grundgehälter in den kommenden Quartalen wieder dem Preisniveau entspricht.

Ein Preisverfall sollte mit einem Rückgang der Löhne einhergehen, was nicht möglich erscheint.

Würden die Preise wieder auf das Niveau von Anfang 2021, also vor dem Inflationsschock, zurückkehren, müssten auch die Löhne (die ebenfalls ein Preis sind, nämlich der Preis der Arbeit), wieder auf das Niveau von vor drei Jahren zurückkehren. Dies hätte einen Lohnrückgang von etwa 10 % zur Folge. Würden die Preise bei gleichbleibenden Löhnen sinken, würden die Lohnkosten der Unternehmen in die Höhe schnellen, was zu Insolvenzen und Arbeitslosigkeit führen würde. Ein deutlicher Preisverfall müsste daher mit einem Lohnrückgang einhergehen, was äußerst unpopulär wäre. Die Erfahrung zeigt, dass es auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zu einer starken Abwärtsstarrheit der Löhne kommt, da die Arbeitnehmer sich grundsätzlich weigern, niedrigere Löhne zu akzeptieren. In Spanien beispielsweise lag die Arbeitslosigkeit nach dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 2008 bei über 25 %, aber die Löhne waren nicht gesunken, sondern hatten lediglich ihre Steigerungsrate verlangsamt. Da die Lohnkosten der Unternehmen aufgrund der Inflation gestiegen sind, ist es daher nicht möglich, dass die Preise deutlich sinken.

   3) Optimale Inflation: Etwa 2 %

Es ist wünschenswert, dass die Preise nicht fallen.

Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank liegt bei 2 %. Während die Höhe des Ziels umstritten ist, denkt niemand darüber nach, eine dauerhaft negative Inflation, also eine Deflation, anzustreben. Es ist normal, dass die Preise in einer Volkswirtschaft regelmäßig steigen. Dadurch ist es nämlich auch möglich, ein Trendniveau der Zinssätze größer als Null zu etablieren, so dass die Zentralbank im Krisenfall Handlungsspielraum hat, um die Zinssätze zu senken und so die Wirtschaft anzukurbeln. Wenn Inflation und Zinssätze regelmäßig bei 0 % lägen, wäre die Zentralbank nicht in der Lage, bei Bedarf Geldpolitik durchzuführen. Das Ziel der Zentralbanken besteht derzeit also darin, die Inflation auf etwa 2 % zu senken, keinesfalls jedoch darin, die Preise zu senken. Eine Inflation von 2 % bedeutet nicht, dass die Arbeitnehmer unwiderruflich an Kaufkraft verlieren, wenn ihre Entlohnung einer identischen (oder sogar höheren) Entwicklung folgt wie die Preise.

Sylvain Bersinger, Chefökonom bei Asterès

Inflation: Warum Preise nicht sinken sollten

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Kommentare 9
  1. Hartmut Bischoff
    Hartmut Bischoff · vor 2 Tagen

    Im Artikel steht einiges an Wahrheit, aber auch viel Quatsch.
    Grundsätzlich ist es gut, wenn Löhne steigen, weil die Produktivität steigt. Was aber passiert ist: Die Löhne sind gestiegen, weil die Preise allgemein gestiegen sind. Die Vorteile (Gewinne) akkumulieren sich am Beginn der Prozessketten, also bei der Rohstofferzeugung, i.d.R also in autokratischen Staaten. Alle anderen verlieren bei diesem Prozess. Das wird durch die Lohnzuwächse allerdings kaschiert.
    Jetzt gibt es zwei mögliche Zukunftsszenarien: Lohn-Preis-Spirale (Fortbestand der Wohlstandsillusion) oder Austeriät (Realitätsschock für die Meisten).
    Argentinien macht gerade vor, wie hart es ist, vom Szenario 1 zum Szenario 2 zu wecheln. Die FDP fordert vehement einen Wechsel zu Szenario2 auch in Deutschland. Mit dem Ergebnis ist allerdings niemand zufrieden. Und eine einfache Lösung ist nicht in Sicht, solange die geopolitischen Konflikte sich weiter aufschaukeln.

  2. Ferdinand H
    Ferdinand H · vor einem Monat

    Grundsätzlich stimme ich dem Artikel zu. Allerdings ist es in Deutschland so das die Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Der Zuwachs an Produktivität und damit der Zuwachs an Gewinnen wurde ungleich verteilt. Die Eigentümer der Unternehmen haben überproportional viel von dem Zuwachs bekommen, während die Arbeiter unterproportional wenig bekommen haben. Ein Lohnanstiegt von 20-30% könnte diese Ungleichheit ausgleichen und ist notwendig.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat

      Der Zuwachs an Produktivität war allerdings marginal in D …. Ca. 2,7 % gegenüber 2007. wo sollen da 20 -30% Lohnerhöhung herkommen?

      https://de.statista.co...

    2. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor einem Monat

      @Thomas Wahl Habe noch zwei andere Statistiken gefunden die frei zugänglich sind und meinen Punkt untermauern. Leider nicht mehr so ganz aktuell und von 2014 und 2015.

      Hier sieht man die Entwicklung des Lohns im Vergleich zum Unternehmensgewinn. 2000-2015 und eine Lücke von etwa 30%.
      https://wipo.verdi.de/...

      Hier sieht man die Arbeitnehmerproduktivität pro Stunde vs Lohneinkommen pro Stunde 1991-2012. Da gibt es eine Lücke von etwa 20%. https://www.blickpunkt...

      Gewinne die dann einmal abgeschöpft wurden und dann angelegt werden, steigen dann nochmal deutlich höher als Löhne. Dies sieht man an der Börsenentwicklung.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 30 Tagen · bearbeitet vor 30 Tagen

      @Ferdinand H Bei Verdi findet man bei der Lohnquote immer den Trick, dass man ein günstiges Startjahr auswählt (niedrige Unternehmensgewinne) sowie bei einem passenden wieder aufhört (hohe Unternehmenseinkommen). Die starken Schwankungen bei den "Unternehmenseinkommen" (die es bei Lohneinkommen nicht gibt) muß man schon rausrechnen. Das nicht zu tun ist nicht seriös und ein grundsätzliches Problem bei der Betrachtung von Lohnquote und Unternehmenseinkommen. Wenn man die Ausschläge langfristig rausrechnet liegt die deutsche Lohnquote heute da, wo sie auch 1991 lag (um die 70%) und weit über dem Niveau der 50er und 60er Jahre.

      Auch sind die Vermögens- und Unternehmereinkommen nicht der Gewinn. Er enthält als Restvariable die Selbstständigeneinkommen, die Unternehmereinkommen und die Nettobetriebsgewinne.

      Das Arbeitnehmerentgelt ist von 1991 bis 2021 von 856 Milliarden Euro auf 1 920 Milliarden Euro gestiegen (+ 124 %).

      Das Selbstständigeneinkommen hat sich knapp verdoppelt (78%), die Unternehmens- und Vermögenseinkommen insgesamt zwischen 1991 und 2019 ungefähr verdoppelt (von ca. 380 Mrd. auf 780 Mrd.). Die Relationen zw. Löhnen und Unternehmenseinkommen haben sich also insgesamt nicht verschoben. Und man muß, wenn man von den Wachstumsraten der BIP-Komponenten auf die Verteilungsspielräume schließen will, immer auch auf die Größen-Relationen sehen.

      Laut Destatis ergeben sich, bezogen auf das Volkseinkommen 2019 so folgende Relationen: "Mehr als 81 % des Volkseinkommens entfielen im Jahr 2019 auf die Entlohnung der gesamten Arbeitsleistung. Gut 71 Prozentpunkte trägt das Arbeit­nehmerentgelt dazu bei, 10 Prozentpunkte die model­lierten Selbstständigeneinkommen. Der Rest, nämlich knapp 19 % des Volkseinkommens, entfällt dann auf den Kapitaleinsatz."

      https://www.destatis.d....

      Für das Argument von Verdi heißt dies, selbst wenn man das größere Wachstum als langfristige Tatsache nähme, könnte man aus der Verteilung des Wachstums von 30% bei den sogenannten Unternehmenseinkommen (die nur knapp 30% der Grundgesamtheit ausmachen) nicht auf eine gleich hohe Steigerung bei den 71 % der abhängig Beschäftigten kommen oder gar bei den 81 % der Arbeitseinkommen.

      Man müßte zu der Frage Lohnquote, n, Gewinnquoten, Produktivität etc. noch viel mehr sagen, die Fragen sind komplex. Über Faktorpreise, Kapitalintensität, Arbeitsintensität etc. haben wir noch gar nicht gesprochen. Also die einfachen Schlüsse, wo man zw. absoluten und relativen Zahlen hin und her hoppelt, zw. Netto, Brutto oder nominal, zw. Wunsch und Wirklichkeit das ist wenig verläßlich.

      Z.B. https://www.iwkoeln.de...

    4. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor 30 Tagen · bearbeitet vor 30 Tagen

      @Thomas Wahl Ich vermute Mal das Einkommen der Selbstständigen ist dadurch beeinflusst das wir viele Solo-Selbstständige haben die unter prekären Bedingungen arbeiten.

      Natürlich ist Verdi ein Zahlendreher. So wie alle anderen leider auch. Statistiken werden immer so gedreht das es einem besser passt.

      Aber Fakt ist, 1991 war es einer Familie im Mittelstand möglich mit einem Einkommen ein Haus zu kaufen und ein relativ (in Relation zu den anderen Haushalten) gemütliches Leben zu führen. Dies ist heute unerreichbar. Und es gibt viele Dinge die dazu geführt haben. Eines davon sind die Löhne, die ungleich gewachsen sind zu den Vermögen. Vermögen sind zu großen Teilen Unternehmensanteile.

      Interessant wäre in dem Zusammenhang auch Aktienrückkaufprogramme. Die sind ja erstmal eine Ausgabe des Unternehmens, aber eigentlich ein versteckter Gewinn den Unternehmensanteilbesitzer (aka. Unternehmer).

      Aber ich gebe dir Recht, die Thematik kann hier in den Kommentaren nur unterkomplex behandelt werden.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 30 Tagen

      @Ferdinand H Ich denke, das mit dem Hauskauf bei einem Einkommen 1991 ist etwas nostalgisch. Es waren auch Häuser mit weniger Ausstattung und Dämmung etc..Wir haben es damals mit zwei Einkommen nicht gemacht. Aber sicher ist die Inflation bei Häusern und Wohnungen in Ballungszentren besonders drastisch. Auch wegen der Knappheit. Und es sind dafür auch andere Ansprüche gestiegen. Die Arbeitsvolumen sind gesunken. Pro Kopf und in der Volkswirtschaft stagnierend. D.h. auch, Familien mit zwei Einkommen arbeiten nicht das Doppelte.
      https://www.sozialpoli...

      Die Wohneigentumsquote war in D schon immer niedrig. Viel niedriger als z.B. in vielen ärmeren Ländern. Offensichtlich sind Ansprüche doch unterschiedlich.
      https://wohnglueck.de/...

    6. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor 30 Tagen

      @Thomas Wahl Vielleicht noch kurz zu deinen Zahlen. Ich vermute die sind nicht Inflationsbereinigt. Inflation zwischen 1991-2023 liegt bei 93%.
      Insofern bleibt nach Inflation ein Plus bei dem Arbeitnehmern und ein Minus bei den Selbstständigen.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 30 Tagen

      @Ferdinand H Nein, die Inflation betrifft alle.

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