Anne Applebaum ist nicht nur Kolumnistin der Washington Post und vielfach ausgezeichnete Osteuropa-Historikerin. Sie ist auch die Ehefrau des ehemaligen polnischen Verteidigungs- und Außenministers Radosław Sikorski und lebt seit gut zehn Jahren in Warschau. Sie weiß also, wovon sie spricht, wenn sie zum Jahresausklang konstatiert:

The Polish piece of this [european] drama is both strange and tragic.

Die polnische Tragödie der Gegenwart besteht vor allem darin, dass das Land, das vor 100 Jahren seine Unabhängigkeit wiedererlangte und vor rund 30 Jahren den diktatorischen Sowjetkommunismus besiegte, nun in die Hände einer Regierung gefallen ist, die Freiheit und Demokratie mit den Mitteln der Demokratie attackiert - und zwar fundamental. Die PiS-Regierung in Warschau ist dabei, mit ihrer parlamentarischen Mehrheit den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung abzuschaffen.

Der Begriff "in die Hände gefallen" ist natürlich nur bedingt richtig, denn die Polen haben die PiS 2015 bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen gleich doppelt demokratisch gewählt. Darauf weist Anne Applebaum auch ausdrücklich hin. Allerdings lässt sich mit guten Gründen annehmen, dass die Wähler in Polen 2015 nicht ahnten, was die PiS nach der Wahl tun würde:

Two years ago, a democratically elected Polish government, led by a party that calls itself Law and Justice [PiS], began illegally dismantling its own constitution.

Das wahre polnisch-europäische Drama, so sieht es Applebaum, steht deshalb 2018 erst noch bevor. Vor den regulären Wahlen in Polen 2019 wird sich zeigen, ob die EU in der Lage ist, dem nationalen Irrsinn zwischen Oder und Bug etwas entgegenzusetzen:

Europeans are learning whether their system can withstand a member state that doesn’t respect it.