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Volk und Wirtschaft

Die Welt und ihre Wirtschaft wird indischer

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 21.06.2023

Migration ist ein globales und offenbar extrem komplexes Phänomen. Insofern ist der Blick aus der Vogelperspektive, den der „ECONOMIST„ auf das weltweite, von indischen Migranten angeführte Phänomen wirft, spannend.

Von den 281 Millionen Migranten, die sich heute rund um den Globus verteilen - allgemein definiert als Menschen, die außerhalb ihres Geburtslandes leben - sind nach den jüngsten Schätzungen der UNO aus dem Jahr 2020 fast 18 Millionen Inder. Mexikanische Migranten, die die zweitgrößte Gruppe bilden, zählen etwa 11,2 Millionen. Die Auslandschinesen kommen auf 10,5 Millionen.

Das sind ganz andere Gruppen, als die, die wir in Deutschland aufnehmen, wahrnehmen oder gar fürchten. Der Artikel betont dabei den quantitativen, aber auch qualitativen Erfolg indischer Refugiés, die auch für das Image ihres Landes stehen. Während die Inder im Ausland eher positiv wahrgenommen werden, schlägt den Chinesen eher Misstrauen entgegen. Was auch auf geopolitische Verwerfungen hindeutet.
Eine große Zahl von Chinesen der zweiten, dritten und vierten Generation lebt im Ausland, vor allem in Südostasien, Amerika und Kanada. Doch in vielen reichen Ländern, darunter Amerika und Großbritannien, übersteigt die Zahl der in Indien geborenen Menschen die der in China geborenen.
Indisch stämmige Migranten verteilen sich über den ganzen Globus. So etwa in den westlichen Staaten:
  • 2,7 Millionen leben in Amerika, 
  • über 835.000 in Großbritannien, 
  • 720.000 in Kanada und 
  • 579.000 in Australien. 
Junge Inder strömen in den Nahen Osten, wo niedrig qualifizierte Jobs im Baugewerbe und im Gastgewerbe besser bezahlt werden als im Heimatland: 
  • 3,5 Mio. indische Migranten leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten  
  • 2,5 Mio. in Saudi-Arabien
Weitere findet man in Afrika und anderen Teilen Asiens und der Karibik.

Bekanntlich leisten gerade Arbeitsmigranten meist auch einen wichtigen Beitrag zum BIP ihres Heimatlandes. So erreichten Indiens Überweisungen aus dem Ausland 2020 einen Rekordwert von fast 108 Mrd. $, etwa 3 % des BIP und damit mehr als in jedem anderen Land. Aber die Inder in Übersee mit ihren guten Sprachkenntnissen, dem hohen Bildungsstand und ihrem Know-how fördern auch intensiv den grenzüberschreitenden Handel und die Investitionen.

Indien hat wesentliche Voraussetzungen, um ein führender Exporteur von Talenten zu sein: eine große Zahl junger Menschen und eine erstklassige Hochschulbildung. Dass die Inder die englische Sprache beherrschen, ein Erbe der britischen Kolonialherrschaft, ist wahrscheinlich auch hilfreich. Nur 22 % der indischen Einwanderer in Amerika, die älter als fünf Jahre sind, geben an, dass sie nur begrenzte Englischkenntnisse haben, verglichen mit 57 % der chinesischen Einwanderer, ... .

Dazu kommt, die Einwanderungsregeln vieler reicher Länder filtern nach gefragten hohen Qualifikationen. Was z.B. dazu führte, dass 2022 73 % der amerikanischen h-1b-Visa, die an Spezialisten in "Fachberufen" wie Informatiker vergeben werden, an in Indien geborene Menschen gingen. Was als "Brain Drain" für das Geburtsland sicher auch Nachteile hat. So analysierte eine Studie den Verbleib

von Studenten, die 2010 die hart umkämpften Aufnahmeprüfungen für die Indian Institutes of Technology, die Elite-Ingenieurschulen des Landes, absolvierten. Acht Jahre später stellten die Forscher fest, dass 36 % der 1 000 Besten ins Ausland abgewandert waren, unter den 100 Besten waren es sogar 62 %. Die meisten gingen in die USA.

Eine andere Studie untersuchte die besten 20 % 

der Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz (definiert als diejenigen, deren Arbeiten im Wettbewerb für eine Konferenz im Jahr 2019 angenommen wurden). Dabei wurde festgestellt, dass 8 % ihren ersten Abschluss in Indien gemacht haben. Aber nur eine winzige Anzahl von Forschern arbeitet heute dort.

Und so besitzen auch fast 80 % der in Indien geborenen Bevölkerung im schulpflichtigen Alter mindestens einen Bachelor-Abschluss. 

Bei den in China geborenen Amerikanern sind es nur  50 % und lediglich 30 % der amerikanischen Gesamtbevölkerung können dies von sich behaupten. Und so verwundert es nicht, dass Inder die am höchsten verdiente Migrantengruppe in Amerika sind -  mit einem mittleren Haushaltseinkommen von fast 150.000 Dollar pro Jahr. Das ist doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt und weit vor chinesischen Migranten, mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von über 95.000 Dollar. In Australien liegt das mittlere Haushaltseinkommen unter indischen Migranten bei fast 87.000 Dollar pro Jahr, verglichen mit einem Durchschnitt von etwa 62.000 Dollar in allen Haushalten und etwa 58.000 Dollar bei den in China geborenen.

Und so steigen Mitglieder der indischen Diaspora auch zunehmend an die Spitze der Geschäftswelt sowie der Politik auf. So sind heute bei den amerikanischen S&P 500-Unternehmen 25 Geschäftsführer indischer Abstammung, gegenüber 11 vor einem Jahrzehnt. 

In der Technologiebranche war es, laut Vinod Khosla, Mitbegründer von Sun Microsystems, für indische Unternehmer noch in den 1980er Jahren schwierig, in Amerika Geld zu sammeln. 

"Sie waren Leute mit einem lustigen Akzent und einem schwer aussprechenden Namen und sie mussten höhere Hürden überwinden", sagt er. Jetzt werden Adobe, Alphabet, Googles Muttergesellschaft, ibm und Microsoft alle von Menschen indischer Abstammung geführt. Die Dekane an drei der fünf führenden Business Schools, einschließlich der Harvard Business School, sind es auch.

Vergleichbares gilt ebenfalls für die Politik. Johns Hopkins-Forscher zählten im britischen Unterhaus 19 Mitglieder indischer Abstammung, darunter Premierminister Rishi Sunak. Man identifizierte sechs Indischstämmige im australischen Parlament und fünf im amerikanischen Kongress. Amerikas Vizepräsidentin Kamala Harris hat eine tamilisch-indische Mutter. Chef der Weltbank ist Ajay Banga, geboren in Pune in Westindien, nachdem er mehr als ein Jahrzehnt lang MasterCard geführt hatte. 

Die chinesische Diaspora ist die einzige andere Gruppe mit vergleichbarem Einfluss in der Welt. Eine Analyse von The Economist, die zu Beginn der Covid-19-Pandemie durchgeführt wurde, schätzt, dass mehr als drei Viertel des gesamten 369-Milliarden-Dollar-Vermögens der Milliardäre in Südostasien von huaqiao kontrolliert werden, einem Mandarin-Begriff für ethnische Chinesen, die Bürger anderer Länder sind.

Vergleicht man Südostasien mit Europa und Nordamerika, sieht dieses Bild etwas anders aus. Es gibt z.B. weniger Chefs chinesischer Abstammung, die S&P 500-Unternehmen leiten, als Chefs indischer Abstammung. Man vermutet, dass sich viele der chinesischen Geschäftsleute eher dafür entscheiden, in China zu arbeiten und zu investieren. Gibt es doch genügend schnell wachsende chinesische Unternehmen, wie etwa den Smartphone-Hersteller Xiaomi, den Internet-Suchdienst Baidu und ByteDance, die in Peking ansässige Muttergesellschaft von TikTok, einer global agierenden Social-Media-App.

Der wachsende indische Einfluss wird zunehmend auch gestützt durch das westliche Misstrauen gegenüber China und seiner aggressiven Politik. Viele Westler sehen das Land zunehmend als Feind, der auf einen neuen Kalten Krieg zusteuert. Das belastet die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen gegenüber China.
Huawei, ein chinesischer Telekommunikationsausrüster, der in der Vergangenheit verdächtigt wurde, Embargos zu brechen und ein Kanal für die Spionage der chinesischen Regierung zu sein, wurde in Amerika verboten. Einige europäische Länder sind dem Beispiel gefolgt. Strenge Überprüfungen ausländischer Investitionen in amerikanische Unternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit zielen offen auf chinesisches Geld im Silicon Valley. Einzelne Personen, die im Verdacht stehen, auf Chinas Geheiß zu handeln, darunter ein ehemaliger Harvard-Professor, wurden bestraft. 

Auch wenn Modi und seine hindunationalistische Bharatiya Janata Party Anlass zur Sorge gibt, indische Firmen können hier viel freier agieren.
Indiens Anspruch, eine von liberalen Werten geprägte Demokratie zu sein, erleichtert der Diaspora die Integration im Westen. Die Diaspora wiederum bindet Indien an den Westen. Ein verblüffendes Beispiel dafür war 2005, als die USA ein Abkommen schlossen, das Indien faktisch als Atommacht anerkannte, obwohl das Land sich weigerte, den Atomwaffensperrvertrag … zu unterzeichnen. Lobbyarbeit und Geldbeschaffung durch indische Amerikaner halfen dabei, das Abkommen durch den Kongress zu bringen.

Sicher, unter Modis Führung werden Indiens Verbindungen zum Westen einem Stresstest unterzogen. Im Land wächst die nationalistische Rhetorik und liberale Freiheiten werden angegriffen. Außenpolitisch ist Indien kein williger Follower der USA oder des Westens. Es betont seinen Status als unabhängige Macht, hat sich geweigert, Russlands Invasion der Ukraine zu verurteilen und kauft billig russisches Öl und Dünger. Indien ist eine gewichtige Stimme der BRICS-Staaten, einer Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften. Die Abkürzung „BRICS“ steht für die Anfangsbuchstaben der fünf zugehörigen Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Der Club erwägt gerade, Saudi-Arabien und den Iran beitreten zu lassen. Das alles könnte den Ruf Indiens gefährden und der indischen Soft Power schaden. Andererseits werden die Übersee-Inder das versuchen auszugleichen. Und in der Konfrontation mit China wäre der Westen um so mehr auf Indien angewiesen. Ebenso wie auf die fachlich guten indischen Migranten. Es bleibt also spannend.

Die Welt und ihre Wirtschaft wird indischer

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 11 Monaten

    Eine Aktualisierung und Ergänzung:

    https://www.noahpinion...

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