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Zeit und Geschichte

Wer hat Angst vorm roten Mann? – Ein Extremismus der Bürger zeigt sich in Thüringen

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergDonnerstag, 06.02.2020
Der 5. Februar 2020 ist ein historisches Datum. Eine Wahl eines Ministerpräsidenten erfolgte mit den Stimmen von Rechtsextremen. Sie ereignete sich in Thüringen, also genau dort, wo im Jahre 1930 ein nationalistisches Bürgertum der NSDAP ihren ersten parlamentarischen Erfolg bescherte. Damals wie heute kamen wichtige Akteure aus dem Westen und sahen in Thüringen ein Sprungbrett.


Das alles stellt zementiert scheinende Geschichtsbilder in Frage, die systemrelevant wie Großbanken sind. Die Weimarer Republik ist nicht, wie es oft heißt, durch Extremisten von rechts und links zerstört worden.

Das belegt der Beitrag Bürger für Hitler:

Die Fehler von SPD und KPD waren gravierend, aber eines kann man ihnen nicht vorwerfen: zur Machtübertragung an Hitler oder zur Konsolidierung der Diktatur aktiv beigetragen zu haben. ... Ganz anders die alten Eliten, die traditionellen Oberklassen des Kaiserreiches in Militär, Justiz, Verwaltung und Bildung, die durch die abgebrochene Novemberrevolution in Amt und Würden geblieben waren und sich nicht mit der Republik anfreunden wollten: Sie waren für die Übertragung der Macht an Hitler und für die Konsolidierung der faschistischen Herrschaft geradezu unverzichtbar.

Kurz vor der Machtübertragung - Albert Scharenberg meidet das gängige Ergreifung - kippte die Stimmung in der Wirtschaft zugunsten von Hitler.

Dass dieser in internen Gesprächsrunden mit Vertretern der Wirtschaft sein Programm sehr freimütig erläuterte und dabei auch erklärte, Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden rasch von allen führenden Positionen in Deutschland entfernen zu wollen, tat dem Zuspruch keinen Abbruch, im Gegenteil.

Wer glaubt, dass sowas nur in der Rosa-Luxemburg-Stiftung möglich sei, der lese Die Tagesordnung von Eric Vuillard, ein Werk, für das er den Prix Goncourt erhielt, den renommiertesten Literaturpreis Frankreichs. Im Interview erläutert er das Verhalten vieler Wirtschaftsbosse:

Man stellte sich genauso einfach auf die Nazis ein, wie vorher auch auf die Weimarer Republik. Vielleicht sogar besser, da die Nazis sofortige Profitmöglichkeiten versprachen. Man sieht diese fehlende Überzeugung auch darin, dass sobald der Krieg als verloren gilt, als die ersten Niederlagen erlitten werden, die Industriellen plötzlich nicht mehr gewillt sind ihre Vermögen zu investieren. Sobald sich der Wind dreht, wird das Regime im Stich gelassen. Das einzige Gesetz, das in der Wirtschaft zählt, ist das Mehr an Reichtum.

Zurück zum Artikel von Albert Scharenberg, der zeigt, dass trotz "diktatorischen und außenpolitisch expansiven Programm" die politische und finanzielle Unterstützung der NSDAP 1933 jäh anschwoll.

Während die Kommunisten verboten wurden, viele Sozialdemokraten fliehen mussten und

die verbliebenen SPD-Abgeordneten geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten, fand sich auf Seiten von Zentrumspartei, Bayerischer Volkspartei und Deutscher Staatspartei (zu deren Abgeordneten auch der spätere Bundespräsident Theodor Heuss zählte) keine einzige Gegenstimme. Sie alle votierten für die Selbstabschaffung der Demokratie und die Errichtung der Nazi-Diktatur.

Wer glaubt, das war Zufall, lese ein liberales Zeugnis zum Mussolini-Faschismus:

Es kann nicht geleugnet werden, dass der Faschismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. Das Verdienst, das sich der Faschismus damit erworben hat, wird in der Geschichte ewig fortleben.

Das stammt aus dem 1927 erschienenen Buch Liberalismus des einflussreichen Neoliberalen Ludwig von Mises. Unkommentiert legte es 2006 die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung erneut auf - als Band Eins der marktextremen Reihe Klassiker der Freiheit.

Scharenbergs Fazit:

Das Bürgertum hatte bei der Verteidigung der Demokratie in vollem Umfang versagt. Anders ausgedrückt: Die Weimarer Republik ist nicht durch «die Extremisten von rechts und links» zerstört worden. Sie wurde vielmehr durch die NS-Faschisten und die alten Eliten und deren – anfangs zur Herrschaftskonsolidierung unerlässliche – Unterstützung durch weite Teile des Bürgertums zu Grabe getragen.

Soweit sind wir heute nicht, aber Parteien links der Mitte sollten nicht nur die Demokratie verteidigen, sondern diese ausweiten - bis in die Wirtschaft.

Und den Parteien der Mitte sollte das Verhalten ihrer Vorgänger bei der Machtübertragung an die Nazis ein Menetekel sein, dass sie nicht noch einmal einer extremen Rechten zur Macht verhelfen.

Wer hat Angst vorm roten Mann? – Ein Extremismus der Bürger zeigt sich in Thüringen

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Kommentare 4
  1. Markus Vorzellner
    Markus Vorzellner · vor 4 Jahren

    Die Frage ist: Wo ist der Extremismus? Doch wohl nicht bei einer Partei, die innerhalb des Verfassungrahmens agiert? Doch wohl eher bei den CDU-Verbrechern, die seit 2015 permanent Gesetze brechen und jetzt auch demokratisch voll und ganz legitimierte Ergebnisse abschaffen wollen, weil sie ihnen nicht passen. In obigem Beitrag ist die Optik in eine leichte bis mittelschwere Schieflage geraten.

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 4 Jahren

    aber Parteien links der Mitte sollten "nicht nur die Demokratie verteidigen, sondern diese ausweiten - bis in die Wirtschaft." - die "Alternativen" und Gegen-die-da-oben-Schreier fordern doch auch gern mehr Demokratie; wenn es aber um die Wirtschaft geht, wird sowas gleich als Stalinismus verunglimpft.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      Verunglimpft stimmt, aber dennoch wird es nötig sein.

  3. Florian Schairer
    Florian Schairer · vor 4 Jahren

    word

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