Und sie sind alle gratis wieder am Set aufgetaucht,

so log Ridley Scott über den Nachdreh seines historischen Films ALLES GELD DER WELT mit dem Ziel, Kevin Spacey aus dem Film schneiden zu können. Ein Vorgang, den man bislang nur aus Diktaturen kannte.

Nun zeigte sich, dass Mark Wahlberg dafür 1,5 Millionen Dollar erhielt, seine Kollegin Michelle Williams dagegen nur knapp 1000 Dollar. Ertappt twitterte Wahlberg, er werde das Geld spenden.

Die sexuellen Übergriffe von Spacey scheinen nicht so eindeutig zu sein wie beim Produzenten Weinstein. Auf jeden Fall gibt es keine Anklage, dennoch wird ein Teil von Spaceys Werk vernichtet und die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung verdrängt und der verbliebene Rechtsstaat unterhöhlt.

Im Zeitalter der globalen Kulturindustrien verliert die Kunst ihre relative Unabhängigkeit, es geht nur noch um ALLES GELD DER WELT. Man wagt schon gar nicht im Fall Spacey Goethes Unterscheidung zwischen „privater und poetischer Persönlichkeit“ zu erwähnen, zu niedrig ist das Niveau der Debatte, nein: des Treibens.

Zeigt sich hier nicht der Niedergang der USA, die ihre Führungsriege aus Wall Street, Las Vegas und Hollywood rekrutieren? 

Das ist ohne europäische Arroganz notiert; passend scheint mir, um die Fälle zu bündeln, was der große John Berger in BENTOS SKIZZENBUCH bereits 2011 (deutsche Übersetzung 2013 bei Hanser) schrieb:

Das Besondere an der heutigen globalen Tyrannei ist ihre Geschichtslosigkeit. … Der Abstand zwischen den Armen und den relativ Vermögenden wird zu einem Abgrund. Traditionelle Beschränkungen und Empfehlungen werden in den Wind geschlagen. Die Konsumgesellschaft zehrt alle Fragen auf. Die Vergangenheit wird obsolet. In der Folge verlieren die Menschen ihr Selbst, das Gefühl für ihre Identität, und dann spüren sie einen Feind auf, um sich selbst zu definieren. Und dieser Feind – ganz egal, welcher ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit – ist immer unter den Ärmsten zu finden. Dieses Grundmuster ist ein Teufelskreis.