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Zeit und Geschichte

Unpiq: Bleibt beim Streit um die "Cancel Culture" nur das Weder-Noch?

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMontag, 31.08.2020

Fast immer, wenn ich Beiträge lese oder höre, die die sogenannte  "Cancel Culture" (ein Favorit für das Unwort des Jahres) positiv einschätzen, bin ich dagegen. So auch bei dieser Anmaßung: Hier gilt Günter Grass nicht als Autor des Jahrhundertromans "Die Blechttrommel" und vieler anderer Bücher und bildender Künstler von Rang, sondern vor allem als SS-Mann oder über Bismarck heißt es, man könne von ihm nur „Strategien zum Verhökern eines ganzen Kontinents“ abschauen und Humboldt war - na, was denn? - ein Kleptomane.

Aber wenn man die Kritiker dieser "Abbruchkultur" liest oder hört, findet man etliche, wo man merkt, das Gegenteil eines Fehlers ist oft wiederum ein Fehler.

So beim Text von Torsten Krauel, der seit 2012 Chefkommentator für "Die Welt" ist.

Er freut sich, dass es in seiner Kindheit und Jugend keine „Cancel Culture“ gab, die er so charakterisiert:

die Vertreibung der lebenden Vergangenheit aus dem Gesichtsfeld.

Nein, er meint nicht die Umbenennung der Mohrenstraße, gegen die sich Widerspruch formiert, sondern es lebten damals Zeitzeugen, nein: Täter, die allen bekannt waren:

Ein paar Kilometer vom Elternhaus entfernt zum Beispiel Richard Baer, letzter Kommandant in Auschwitz und Mittelbau Dora.

Ach, ein Massenmörder lebte unbehelligt. Nicht erwähnt wird, dass er einer der Hauptangeklagten im Auschwitz-Prozess werden sollte, aber vor Beginn des Hauptverfahren verstarb er.

Der Klassenlehrer des kleinen Torsten Krauel war bei der Beisetzung des SS-Generals Sepp Dietrich dabei. Das war 1966, also in der Hochphase der Auschwitz-Prozesse, die auch diesmal im Artikel nicht erwähnt werden. Vielmehr wird vom Klassenlehrer berichtet:

Vor uns Fünftklässlern schwärmte er von seinen SS-Taten. ... 45 Jahre später sah ich im National Archive Washington: Der Lehrer war offenbar nie bei der SS gewesen, im Gegensatz zu seinen Brüdern, und er kompensierte das noch 1966 mit Hochstapelei.

Die andere Seite - eine Jüdin und Vertreter der Bekennender Kirche - werden nicht mit Anekdoten kenntlich gemacht. Sein Fazit:

Es waren zwei Welten, aber man wusste voneinander, man mied sich oder traf sich, manchmal auch zum Gespräch. Das war rückblickend so unerträglich wie richtig. Es gab viel zu wenig NS-Prozesse, aber es gab keine Rache. Rache ist das zweifelhafte Privileg von Diktaturen.

Bizarr, was sich vor der 1968er Revolte so tat in der guten alten Bundesrepublik. Beim Aufstand der Jugend war etliches überspannt - damals wie heute. Das ist wohl immer so. Emphase schlägt in der Pubertät Erfahrung.

Immer wenn ich etwas von den konservativen Gegnern der "Cancel Culture" höre oder lese, denke ich mir, trotz aller Überspitzungen: Vielleicht wird daraus doch noch was.

Was meint Ihr?

Unpiq: Bleibt beim Streit um die "Cancel Culture" nur das Weder-Noch?

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Kommentare 2
  1. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als 3 Jahre

    Bei Übermedien wurde der Krauel-Kommentar eingeordnet und ebenfalls scharf kritisiert. "Es gibt Texte, bei denen fragt man sich auch nach mehrfachem Lesen, ob man seinen Augen wirklich trauen kann. Torsten Krauel, der Chefkommentator der „Welt“, hat wohl einen der bizarrsten Artikel des Jahres geschrieben." https://uebermedien.de...
    Auf Twitter fand ich diesen Kommentar: "Hier der entsprechende Kommentar von Chefkommentator Torsten Krauel - den die @welt
    auf keinen Fall löschen, sondern mit einer Entschuldigung an alle Opfer des Nationalsozialismus versehen sollte." https://twitter.com/th...
    Bzgl der Cancel Culture-Ausführungen Krauels finde ich die Ausführungen Sascha Lobos im ersten Teil seines Reaktions-Podcasts zur Spiegel-Kolumne gelungen. Und in einigen Punkten auch auf den Krauel-Kommentar anwendbar. Hier ist die Empfehlung von Benjamin Freund dazu: https://www.piqd.de/me...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 3 Jahre

      Danke für die Ergänzungen und Erweiterungen.

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