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Zeit und Geschichte

Kampf der Systeme: China und die Ineffizienz der Demokratie

Gabriel Koraus

•Ausbildung als Sinologe und Religionswissenschaftler
•Arbeit in der Outdoorbranche mit Fokus auf soziale Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortung in globalen Lieferketten

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Gabriel KorausDonnerstag, 21.01.2021

Sehr lesenswerter, überblicksartiger Artikel, der ein paar häufig zu kurz kommenden Aspekte in der Debatte über die Forderung nach Demokratisierung in mehr oder weniger autokratischen Ländern beleuchtet. 

Meiner Ansicht nach kommen die inhärenten Defizite im Gesellschaftssystem der VR China ein wenig zu kurz (und auch die einleitende Kritik an demokratisch konstituierten Gesellschaftssystemen gerät selbstverständlich sehr schematisch und wenig differenziert), aber ein erwähnter Punkt wird häufig vergessen. Bei aller berechtigten Kritik an der Menschenrechtssituation und der Intransparenz der Entscheidungsfindung auf allen administrativen Ebenen muss doch konstatiert werden: den allermeisten (Han-) Chinesen geht es jetzt sehr viel besser als noch vor 10, nicht zu reden von vor 20 oder 30 Jahren.  

Aus dem Artikel:

"In einem atemberaubenden Tempo hat das Reich der Mitte in fast allen Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung den Abstand zu den westlichen Gesellschaften verringert. Dies gilt für die Wohlstandsentwicklung und die Anzahl der Menschen, die jenseits der Armutsgrenze leben, ebenso wie für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und neuer Technologien, für die Wissenschaftsentwicklung, die Entwicklung des Bildungssektors und den Aufbau von Stadtkernen mit globaler Strahlkraft wie in Schanghai (...), (sowie die) die Verbesserung der Konsummöglichkeiten, die innere und äußere Sicherheit, die Verbesserung der Bildung und nicht zuletzt eine gute Gesundheitsversorgung. Sind Gesellschaftsordnungen erfolgreich im Erreichen der skizzierten Ziele, dann sind die Bürger zufrieden und unterstützen ihr Gesellschaftssystem, auch wenn sie selbst nur wenig Einfluss auf die Entscheidungen haben. Eine gute Performanz sichert zumindest partiell die Legitimität einer Gesellschaftsordnung.

(...) Wer innerhalb von drei Jahrzehnten mehrere hundert Millionen Menschen aus der absoluten Armut befreit, kann auf einen historisch einmaligen Erfolg verweisen."

Und noch ein weiterer Absatz verdient es, zitiert zu werden:

"Das chinesische System ist mehr als nur ein Selbstbedienungsladen der Herrschenden. Und wer ein solches Ausmaß an gesellschaftlicher und politischer Veränderung zulässt, wie das China seit einigen Jahrzehnten tut, ist mehr als eine plutokratische Diktatur, die nur durch Angst der Bevölkerung und eine Kooptation der Eliten zusammengehalten wird. Sie unterscheidet sich auch von den totalitären Apparaten des Nationalsozialismus und des Stalinismus, die die Gesellschaft in eine allumfassende Ideologie gepresst haben. China ist eine technokratische Autokratie mit einer erkennbaren Gemeinwohlorientierung und einer Verpflichtung auf den Erfolg."

Denn dies ist der erste Teil der vielleicht entscheidenden Frage bei diesen Betrachtungen überhaupt:

'Was leisten politische Ordnungen für ihre Bürger?'

Allerdings begeht der Autor des Artikels bei aller gewollter Distanz zu eurozentrischen Analyseperspektiven dennoch wieder einen klassischen Präsuppositionsfehler. Denn der zweite Teil der oben erwähnten Frage sollte m.A.n. lauten: 

'Und welche Kosten gehen damit einher?'

Statt dessen formuliert der Autor den zweiten Teil so: "(...) und in welchem Maße sind sie demokratisch und erlauben ihren Bürgern, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden?"

Wenn er die Legitimität eines wie auch immer gearteten Gesellschaftssystems von der demokratischen Verfasstheit jenes Systems abhängig macht, so erzeugt er eine ideologische Verknüpfung und verlässt die empirische Analyseebene. Denn so sehr man geneigt ist, dieser Voraussetzung werturteilsbasiert zuzustimmen, so sehr muss doch anerkannt werden: Legitimation kann auf alle mögliche Arten geschehen - demokratisch, religiös oder auch schlicht durch autoritäre Machtmittel. Legitimation und Demokratie sind keine genuine Dichotomie. 

Überhaupt erachte ich das Narrativ von der "Konkurrenz der Systeme" als fehlgeleitet, kompetitiv und dogmatisch. Es setzt nämlich voraus, dass es einen beliebig replizierbaren Idealtyp des perfekten Systems geben könnte, und da überwiegen bei mir persönlich doch eher dezisionistische Grundannahmen. So erachte ich denn auch die im zweiten Teil des Artikels getroffenen Beobachtungen als ideologisch spekulativ, denn ob nun China oder Europa, also demokratisch oder nicht demokratisch verfasste Gesellschaftssysteme, die Pandemiebewältigung "gewonnen" haben, erscheint mir eine höchst unsachliche Perspektivwahl, bei welcher eine Unmenge an Variablen unbeachtet bleibt.  


Kampf der Systeme: China und die Ineffizienz der Demokratie

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Ich glaube eigentlich nicht, dass es bei der Konkurrenz der Systeme um einen "beliebig replizierbaren Idealtyp des perfekten Systems" geht. Ideale oder perfekte Systeme gibt es eh nicht. Es geht eigentlich darum, welches real existierende, sich entwickelnde System in seiner Zusammensetzung aus Teilsystemen produktiver ist, welches System seinen Bürgern "suggeriert", dass es deren "Bedürfnisse" halbwegs befriedigt und letztendlich geht es darum, welches System überlebt. Im Systemwettstreit zw. West und Ost haben sich die westlichen Systeme recht eindeutig als überlebensfähiger erwiesen. Ob das im Wettstreit mit China auch so ist und ob sich die Demokratie als hilfreich erweist, dass wird man sehen.

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