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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Wie wird Geschichte sichtbar?

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergDienstag, 05.01.2021
Häufig hört oder liest man, dass die Pandemie offenlegt, was schon da war. Aber was ist das und wie geschieht es? 


Vor Corona publizierte der in Jugoslawien aufgewachsene und in den USA lebende Ökonom und Ungleichheits-Experte Branko Milanović "Capitalism, Alone. The Future of the System That Rules the World". Während der Pandemie erschien die deutsche Übersetzung bei Suhrkamp.

Im Gespräch mit Daniel Binswanger für die Schweizer Republik erläuterte der Ökonom, was die Seuche offenlegt: zerklüftete Gesellschaften.

Ungleichheit erschöpft sich nicht darin, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung sehr viel Geld hat. Sie charakterisiert sich dadurch, dass sich die Privilegien auf Kinder und auf Kindes­kinder ausdehnen. Wenn dieser Zustand zu lange anhält, wird das Versprechen von Chancen­gleichheit und demokratischer politischer Gestaltungs­macht hinfällig. Dann wird das Fundament des politischen Systems bedroht.

Branko Milanović sieht keine Konvergenz der verschiedenen kapitalistischen Systeme, der parlamentarisch-demokratischen, der autoritären und der breiten Skala der hybriden Zwischenstufen. Aber überall separieren sich die Herrschenden wie eine neue Aristokratie.

Das ganze System muss so reformiert werden, dass die öffentliche Bildung besser wird als die private. Sonst kann die Verbindung zwischen dem Einkommen der Eltern und dem Erfolg der Kinder nicht durch­brochen werden. Doch wenn man die reale Entwicklung in den USA anschaut, kann man nur feststellen, dass sowohl die Bildungs­politik als auch die Steuer­politik immer weniger liberal im Sinn von Rawls werden.

Dadurch wird ein Problem relevant, das schon Marx und Schumpeter beschäftigte, die Fähigkeit einer Gesellschaft,

Talente auch aus ihren unteren Schichten zu rekrutieren. Wenn das nicht mehr klappt, hat sie ein bedrohliches Problem.

Zwar gefährden die verschiedenen Ausformungen des globalisierten Kapitalismus das gesellschaftliche Zusammen­leben, aber dennoch wirken viele dieser Formen noch anziehend. Deshalb wünscht die Mehrheit die Rückkehr zur "Normalität".

Der Erfolg des Kapitalismus beruht darauf, dass er mit unserem eigentlichen Werte­system übereinstimmt. Wenn die überwältigende Mehrheit der Erden­bürgerinnen nicht bereit wäre, die Anhäufung von Vermögen und die Steigerung von Einkommen zum obersten Ziel zu machen, würden wir weder hart genug arbeiten noch verschwenderisch genug konsumieren, um das kapitalistische System zu erhalten und seine permanente Expansion zu ermöglichen. ... Das Profit­streben gibt ihm eine unbegrenzte Dynamik. Und jeden Tag von neuem legen wir den Beweis ab, dass es das oberste unserer Handlungs­motive ist: Denn ein Gesellschafts­system, das nicht den Grund­werten seiner Akteure entspricht, kann sich nicht durchsetzen.

Das führt überall zu Zeitdruck und kurzfristigen "Lösungen". Deshalb setzt Daniel Binswanger mit Hinweis auf Branko Milanović mit einem Beitrag Die Welt von morgen die Debatte fort:

In der Pandemie­bekämpfung wie in der Klima­politik muss die Politik aufgrund von wissenschaftlichen Prognosen weitreichende Entscheidungen treffen, in der Gegenwart handeln, um künftige Schäden abzuwenden, wirtschaftlich extrem kostspielige Massnahmen ergreifen, die sich rechnen, aber erst auf lange Sicht. ... Die westlichen Demokratien sind in der Corona-Krise mehrheitlich daran gescheitert, zwei, drei Monate voraus­zublicken.

Wie das zu machen ist, das ist überwältigend unbeantwortbar, weshalb Daniel Binswanger Fragen stellt:

Sitzt uns diese Katastrophe tief genug in den Knochen, dass wir aus ihr wirklich lernen? Dass wir die Verteilungs­probleme, welche die heutigen Demokratien bedrohen, entschiedener angehen? Dass wir den Staaten die nötige Handlungs­fähigkeit restituieren? Dass wir mit der Umwelt und mit epidemiologischen Externalitäten einen rationalen Umgang finden? Oder werden wir auch diese Krise aussitzen und warten, bis die nächste kommt? Bis autoritäre Regierungs­formen dem liberalen Verfassungs­staat den Rang schliesslich abgelaufen haben?

Aber wo bleiben die Antworten?

Da kann man den Schweizer Künstler Friedrich Dürrenmatt zitieren, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, mit seiner 18. seiner berühmten Thesen zu den "Physikern":

Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.

Gestern & Heute: Wie wird Geschichte sichtbar?

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Kommentare 1
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

    Immerhin hat Corona schon eines fest und erneut etabliert: der Staat wird wieder stark gewünscht.

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