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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Der Autor Eugen Ruge und der Whistleblower Assange

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergDonnerstag, 16.12.2021

Alt ist die Beziehung zwischen Whistleblowern und Autoren. In diese Tradition stellt sich Eugen Ruge, der mit seinen auf seine Familiengeschichte beruhenden Romanen ein internationales Publikum erreichte.

Sein Plädoyer für Julian Assange ist nicht blind, aber stichhaltig:

Nein, Assange ist kein Engel. Er hat Fehler gemacht. Er ist, hört man, kein sympathischer Typ. Aber geht es darum? Worum es hier geht, ist, dass statt des Verbrechers derjenige plattgemacht werden soll, der das Verbrechen offengelegt hat. Das ist Mafia.

Er stützt sich in seinem Meinungsstück auf Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter für Folter, der hier in einem älteren Stück zeigt, was eine Auslieferung wahrscheinlich bedeuten würde:

Assange wird vor ein Geschworenen­gericht in Alexandria, Virginia, kommen. Vor den berüchtigten «Espionage Court», wo die USA alle National-Security-Fälle führt. Der Ort ist kein Zufall, denn die Geschworenen müssen jeweils proportional zur lokalen Bevölkerung ausgewählt werden, und in Alexandria arbeiten 85 Prozent der Einwohner bei der National-Security-Community, also bei der CIA, der NSA, dem Verteidigungs­departement und dem Aussen­ministerium. Wenn Sie vor so einer Jury wegen Verletzung der nationalen Sicherheit angeklagt werden, dann ist das Urteil schon von Anfang an klar. Das Verfahren wird immer von derselben Einzel­richterin geführt, hinter geschlossenen Türen und aufgrund geheimer Beweis­mittel. Niemand wurde dort in einem solchen Fall jemals freigesprochen. Die meisten Angeklagten machen daher einen Deal, in dem sie sich zumindest teilweise schuldig bekennen und dafür eine mildere Strafe bekommen.

Sie sagen: Julian Assange wird in den USA kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen?

Ohne Zweifel. Solange sich US-Staats­angestellte an die Befehle ihrer Vorgesetzten halten, können sie Aggressions­kriege, Kriegs­verbrechen und Folter begehen im Wissen, dass sie nicht verfolgt werden. Wo ist da die Lektion der Nürnberger Prozesse? Ich habe lange genug in Konflikt­gebieten gearbeitet, um zu wissen, dass in Kriegen Fehler passieren. Das ist nicht immer gewissenlose Kriminalität, sondern vieles passiert aus Stress, Überlastung und Panik heraus. Deshalb kann ich es durchaus nachvollziehen, wenn Regierungen sagen: Wir bringen die Wahrheit zwar ans Licht, und wir übernehmen als Staat die Verantwortung für den angerichteten Schaden, aber wenn das individuelle Verschulden nicht allzu schwer wiegt, fällen wir keine drakonischen Strafen. Wenn die Wahrheit aber unterdrückt wird und Verbrecher nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, wird es extrem gefährlich. In den Dreissiger­jahren des vergangenen Jahrhunderts traten Deutschland und Japan aus dem Völkerbund aus. Fünfzehn Jahre später lag die Welt in Trümmern. Heute sind die USA aus dem Menschen­rechts­rat der Uno ausgetreten, und weder das «Collateral Murder»-Massaker, die CIA-Folterungen nach 9/11 oder der Aggressions­krieg gegen den Irak haben zu strafrechtlichen Untersuchungen geführt. Jetzt folgt Grossbritannien diesem Beispiel: Dort hat das eigene Parlament, das Intelligence and Security Committee, 2018 zwei grosse Berichte veröffentlicht, die bewiesen, dass Grossbritannien viel tiefer involviert war in die geheimen CIA-Folter­programme als bisher angenommen. Das Komitee verlangte eine gerichtliche Untersuchung. Die erste Amts­handlung von Boris Johnson war, dass er diese Untersuchung annulliert hat.

Eugen Ruges Position ist klar und überzeugend:

In diesen Tagen, Wochen und Monaten wird eine Weiche gestellt. Wenn Assange ausgeliefert und verurteilt wird, ohne dass die europäische Politik ernsthaft zu intervenieren versucht, disqualifiziert sie all ihre künftigen Warnungen im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit in anderen Ländern zu hohlem Gerede.

Für mich persönlich wäre das ein politischer point of no return, eine durch nichts wiedergutzumachende Unterlassung.

Übrigens, die britische Botschaft in Berlin befindet sich in unmittelbarer Nähe zur russischen. Die berechtigten Demonstranten gegen das Verbotsfahren gegen "Memorial", dem bekannten Netzwerk internationaler Menschenrechtsorganisationen, könnten ja einfach weitergehen.

Gestern & Heute: Der Autor Eugen Ruge und der Whistleblower Assange

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Kommentare 2
  1. Anke Giesen
    Anke Giesen · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

    "Memorial" ist keine "russische" Menschenrechtsorgansation, sondern ein internationales Netzwerk von Organisationen in Russland, der Ukraine, Tschechien, Deutschland, Italien, Frankreich und Belgien, dessen Existenz mit der Gründung der ersten Organisation (von Andrej Sacharow und anderen) im sowjetischen Moskau seinen Anfang nahm. Die beiden derzeit anhängigen Verbotsverfahren beziehen sich auf den internationalen Dachverband und auf dessen Moskauer Mitgliedsorganisation "Menschenrechtszentrum Memorial". Die sich darauf beziehenen Kundgebungen vor der russischen Botschaft werden von MEMORIAL Deutschland organisiert, dessen Mitglieder und Unterstützer gegen den Versuch der Schließung ihres eigenen Dachverbands protestieren.
    Das Hauptziel von Memorial-Organisationen ist die Aufklärung der von sowjetischen Behörden begangenen Menschheitsverbrechen wie den leninschen "roten Terror", die stalinistischen Verbrechen im Rahmen der Kollektivierung der Lanwirtschaft (ukr. "Holodomor"), der sogenannten "Säuberungen" der Jahre 1937/1938, des vom GULag verwalteten Lagersystems, der Massendeportationen von ethnischen Gruppen (Wolga- und Schwarzmeerdeutsche, Krimtataren, Tschetschenen...) während des Zweiten Weltkrieges, der Durchführungen willkürlicher Erschießungen und Verschleppungen in von der UdSSR besetzten Teritorien in der Nachkriegzeit (Baltikum, Osteutschland) und schließlich die politische Verfolgung währen der Breschnew-Ära (Strafpsychiatrie, Haft in sogenannten "Politlagern"...) u.a.
    Die vielen Memorial-Organisationen in Russland und Europa beobachten zudem die Menschenrechtslage im postsowjetischen Raum, untersuchen die Praktiken in den aus den sowjetischen "ordnungserhaltenden" Diensten hervorgegangenen Behörden und unterstützen deren Gefangene, wenn sie als "politische" erachtet werden. Mitglieder und Unterstützer/innen von Memorialorganisationen beobachten die Entwicklungen in bisher als demokratisch und rechtsstaatlich eingeschätzten Ländern mit Sorge, sich um sämtliche Opfer von Entwicklungen des Rechtsstaats- und Demokratieabbaus weltweit zu kümmern, würde das Mandat von Memorial jedoch hoffnungslos überdehnen.
    Anke Giesen, Mitglied des Vorstands von Memorial International und MEMORIAL Deutschland e.V.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 2 Jahre

      Danke für die Korrektur, die ich im Piq nun verbesserte.

      Da ich einige der Gründungsmitglieder aus sowjetischer/russischer Zeit kannte, die mittlerweile leider verstorben sind, unterschätzte ich die internationale Dimension.

      Allerdings ist mein Vorschlag, unabhängig von mir, Realität geworden: Etliche PEN-Mitglieder, darunter der Präsident Deniz Yücel, protestierten vor der russischen Botschaft und forderten gleichzeitig die Freilassung von Assange.

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