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Zeit und Geschichte

"Erschossen in Moskau": Feature von Mario Bandi über rund 1.000 deutsche Opfer des Stalinismus

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerSonntag, 02.02.2020

Ein Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, das mir bislang nicht bekannt war, vielleicht weil ich letztlich eine westdeutsche Brille aufhabe. Allerdings fürchte ich, dass auch viele Ostdeutsche von den in diesem dreiviertelstündigen Feature geschilderten Verschleppungen nichts wissen. Zur Zeit der DDR wurde über diese Fälle sicher nicht groß gesprochen: Zwischen 1950 und 1953 ließ der Geheimdienst des NKWD rund tausend Menschen aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet im Osten Deutschlands nach Russland verschleppen, wo man sie hinrichtete oder zu sehr langer Zwangsarbeit verurteilte. Es geht also nicht um ein paar wenige Opfer. Aktueller Anlass für dieses Feature ist, dass die russische Stiftung "Die letzte Adresse" erstmals auch in Deutschland mit Gedenktafeln an die Opfer des Stalinismus erinnert.

Mich wundert, dass dieses Thema nicht mehr Aufmerksamkeit erfährt. Während das Neue Deutschland zumindest vor einigen Jahren einen kurzen Text über die russische Stiftung "Die letzte Adresse" gebracht hat (zumindest einen, der sich frei im Netz finden lässt), findet sich im öffentlich zugänglichen Archiv der Wochenzeitung Freitag nichts, obwohl sich das Blatt lange Zeit explizit als Stimme der Ostdeutschen verkauft hat ("Ost-West-Wochenzeitung").

"Erschossen in Moskau": Feature von Mario Bandi über rund 1.000 deutsche Opfer des Stalinismus

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Kommentare 19
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 4 Jahren

    Drei Gründe dürften hier eine Rolle spielen:

    Es waren vor der Auseinandersetzung mit den Millionen von Toten und Vertriebenen nicht einmal 1000 Personen.

    Erschossene können kein Zeugnis ablegen und selbst Überlebende wie Brechts Meisterschüler Horst Bienek sahen, als sie nach Workuta im Westen waren, in der millionenfachen Vertreibung der Deutschen und zuvor deren Untaten in der NS-Zeit den ungleich größeren Stoff.
    https://www.perlentauc...

    Die fundamentale stalinistische Prägung der DDR erfolgte im Großen Terror der 1930er Jahre. Immerhin übernahm die Gruppe Ulbricht entscheidende Funktionen zuerst in der sowjetischen Besatzungszone, später in der nie wirklich unabhängigen DDR. Gerade noch in den Bestsellerlisten:
    https://www.perlentauc...

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 4 Jahren

      Alles richtig - und trotzdem ein Einwand: Wenn man sich im Vergleich mal anschaut, wie intensiv heutzutage sogar das Gladbecker Geiseldrama oder das Münchner Oktoberfestattentat medial behandelt werden (sie sind im historischen Gedächtnis der Deutschen jedenfalls viel präsenter), dann kommen diese Verschleppungen ganz schön schlecht weg. Also sie könnten zumindest allmählich mal etwas mehr Aufmerksamkeit erfahren.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Dirk Liesemer Einverstanden!

      Aktivitäten wie die der Stiftung DIE LETZTE ADRESSE, die der Opfer des Stalinismus gedenkt bis hin zu den deutschen Toten und Verschleppten, finde ich gut.

      Ebenso das Feature.

      Wenn aber nicht gefilmt worden ist und nicht mal sprachmächtige Opfer, die umfangreiche Romane publizierten, nur wenige Skizzen auf dem Totenbett hinterlassen, die dann auch noch ein Vierteljahrhundert später publiziert werden, ist die heutige Lage verständlich.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Es gibt doch genug Zeugnisse. Ich denke eher, dass ein guter Teil der deutschen Linken ihre Positionen, ihre graduelle Hegemonie in den westlichen Medien und auch in den Sozialwissenschaften genutzt haben, diese gesamte Terror-Seite der Geschichte des Bolschewismus und Sozialismus zu relativieren. Nicht nur der westliche Historikerstreit steht dafür .... Die DDR als das bessere Deutschland zu sehen (bei aller Kritik), war ja damals nicht unüblich.

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Das Beispiel Bienek zeigt aber, dass diese Einschätzung falsch ist.

      Richtig dagegen war die Kritik an Nolte im Historikerstreit.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Nein, die Kritik an Nolte war der Versuch das eigene Weltbild zu retten. Das Totschlagargument war, wer vom Gulag als ein Vorläufer und Ideengeber des KZ spricht relativiert den Faschismus. Also relativiert man lieber den Stalinismus ....

    6. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Die Diskussion ging aber um den Rassismus von Nolte. Hitler hätte. das kritisierte Habermas zu Recht scharf, beim Holocaust eine "asiatische Tat" begangen.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Also ich habe sowohl Nolte als auch die Diskussion studiert. Rassismus war nicht das Problem. Habermas Vorwurf war der "eines revisionistischen Trends in der Geschichtswissenschaft, die NS-Verbrechen durch aufrechnende Vergleiche mit anderen Massenverbrechen zugunsten eines einheitlichen, nationalkonservativ nutzbaren Geschichtsbilds zu relativieren und einzuebnen".
      https://de.wikipedia.o...

    8. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Neben Habermas, könnte ich auch das aus Deinem Link zitieren:

      Eberhard Jäckel schrieb in der Zeit vom 12. September 1986, dass die Frage nach der Einzigartigkeit des Holocausts gar nicht so entscheidend sei. Wichtiger sei die Behauptung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen bolschewistischen und nationalsozialistischen Morden. In diesem Punkt kritisiert er die seiner Meinung nach „abstruse […] Assoziationskette“ Noltes, mit der Rattenkäfig-Anekdote und dem Wort von der „asiatischen Tat“. Dass zuerst der Gulag, dann erst Auschwitz kam, also „post hoc, ergo propter hoc“, sei kein ausreichender logischer Schluss, „es sei denn, es gelinge der Nachweis, daß Hitlers Entschluß, die Juden zu töten, von solchen Ängsten bestimmt war.“ Hitler habe hingegen viele Male ausgesprochen, dass er die Juden töten wolle. Ein Rattenkäfig oder eine Angst vor den Bolschewiki komme darin nicht vor. „Im Gegenteil war Hitler immer der Ansicht, Sowjetrußland sei, gerade weil es von Juden beherrscht werde, ein wehrloser Koloß auf tönernen Füßen. Der Arier hätte keine Angst vor slawischen und jüdischen Untermenschen“, dagegen habe Hitler es jedoch „vorzüglich“ verstanden, die „antibolschewistischen Ängste der Bourgeoisie für seine Zwecke zu mobilisieren“. Noltes These vom kausalen Nexus wolle „die These von einem Präventivmord“ suggerieren.

    9. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Das Nolte das will, ist die Behauptung seiner Kritiker. Man sollte ihn schon selber lesen und als ganzes würdigen. Nicht nur die oft aus dem Kontext gerissenen Sätze. Diese Methoden sind nicht fair aber verbreitet. Die Argumentation Jäckels ist übrigens in sich selbst unlogisch. Wenn bei Hitler die Arier keine Angst vor den Bolschewisten hatten, warum konnte er dann überhaupt Ängste ausnutzen?
      Natürlich hat Hitler von einer „jüdisch-bolschewistischen Verschwörung“ gesprochen. Das er die Sowjetunion und die Menschen dort unterschätzt hat, das ist eine andere Frage. Und die antibolschewistischen Ängste der Bourgeoise konnte er nur mobilisieren, weil es dafür berechtigte Gründe gab. Und es waren ja nicht nur die bürgerlichen Kräfte oder russische Emigranten, die Angst haben mußten. Auch die Sozialdemokraten wurden ja von den Stalinisten in Deutschland als Sozialfaschisten bezeichnet. Wer den roten Terror kannte wußte, was ihm blüht.

    10. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Die Kritiker sind nahezu alle namhaften Historiker und Gesellschaftswissenschaftler - bis heute.

      Der Rassismus von Nolte wird an zahlreichen Stellen belegt und ist keine Behauptung.

    11. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Immer noch autoritätsgläubig? Namhafte Historiker können nicht irren? Habermas gar ist heilig? Oh man, wo führt das hin ......

    12. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Klar, immer können auch Intellektuelle irren. Und das tun sie häufig. Manchmal gibt es bei Debatten ein unentschieden.

      Deshalb sind Belege wichtig und die sind in diesem Fall eindeutig.

    13. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Ich kenne keine in der Frage eindeutigen Belege. Sie sind im Fall nicht exakter Wissenschaft wohl auch schwierig. Da ist zuviel Ideologie und recht bzw. Links behalten dabei. Es wird zu viel unterstellt, aus dem Kontext gerissen und bei Sachfragen dann normativ geurteilt Wie das Beispiel Jäckel so schön zeigt. ...... Die übliche Diskussionskultur zur Wahrung der Meinungshoheit - leider ohne herrschaftsfreien Diskurs. Den beherrscht Habermas nur theoretisch.

    14. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Der Mord an den europäischen Juden wird bei Nolte zu einer "asiatischen Tat".

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      @Achim Engelberg Und was „belegt“ das? Die Diskussion wurde eigentlich um komplexere Dinge geführt.

    16. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      Die Geschichte der Familie Ruge würde ich auch empfehlen. Die Verdrängung des Gulag hat ja über DDR-Generationen gewirkt.

      https://www.perlentauc...

    17. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Naja, teilweise. Eugen ist ja auch deswegen vor dem Mauerfall in den Westen gegangen und zwar früher als im Roman erzählt. Die zeitliche Nähe war aber dramaturgisch richtig.

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

    Im Kontext dazu wäre die Biographie von Erich W. Gniffke "Jahre mit Ulbricht" interessant. Gniffke begann 1945 (gemeinsam mit Grotewohl) in Berlin in der sowjetischen Besatzungszone mit dem Wiederaufbau der SPD. Er unterschrieb dann für die Ost-SPD die Einheitsfronterklärung zur Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED. Beim Vereinigungsparteitag April 1946 wurde Gniffke in den Parteivorstand der SED gewählt. Damit war die SPD als Machtfaktor in der sowjetischen Besatzungszone ausgeschaltet. 1948 verließ er die SED und die DDR Richtung Westen. In seinen Memoiren schildert er die Ausschaltung der nichtkonformen Genossen, insbesondere ehemaliger SPD-Mitglieder. Die Methoden dieser Stalinisierung sind hinterlistig und brutal. Willkürliche Verhaftung durch den militärischen Geheimdienst der Sowjets waren ein häufiges Druckmittel. SPD-Funktionäre landeten in ehemaligen KZ.s

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