Eines vorweg, bevor es Haue gibt: Um mehr als den Anriss dieses Textes zu lesen, muss man sich das Magazin bestellen. Mir ist schon klar, dass das der ein oder andere nicht mag, aber hin und wieder will ich es mir nicht nehmen lassen und hier Reportagen vorstellen, die einzig auf dem guten alten Papier stehen. Für die Zeitschrift mare ist der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew auf die Solowezker Inseln im Weißen Meer gereist und hat das dortige berühmt-berüchtigte Kloster besucht: Es gilt als wichtigste Stätte der orthodoxen Christenheit, aber auch als Ur-Gulag. Hier stand das erste große Häftlingslager, das zu einem Modell für das sowjetische Lagersystem wurde.

Oder wie Jerofejew schreibt:

"Jedenfalls sind die Solowki zum Modell der Auslöschung der Russen durch Russen geworden. Wobei sich die heiligen Väter selbst als die grimmigsten Kerkermeister erwiesen. Seit den Zeiten Iwans des Schrecklichen wurden Gegner von Regime und Kirche zum Verbüßen ihrer Strafe in das Kloster verbracht."

Zusammen mit dem spanischen Fotografen Juan Manuel Castro Pietro hat sich Jerofejew mit den Verwerfungen des Ortes auseinandergesetzt. Dabei wird das Vermächtnis und die Bürde der Geschichte in den Fotografien auf eindringliche, teilweise bedrückende Weise sichtbar (einige dieser Bilder stehen übrigens im Netz). Bewegend war der Aufenthalt auch für Jerofejew, der von den Mönchen nicht nur misstrauisch beäugt wurde, sondern vor Ort zufälligerweise einen alten Weggefährten und heutigen Putin-Freund traf. "Wir begegneten uns als politische Antagonisten", notiert Jerofejew und fragt sich: "Wen von uns beiden werden diese Inseln wohl wiedersehen?" Exemplarisch führt der Schriftsteller mit seinen Fragen und Reflexionen, mit Anmerkungen und Kurzkommentaren vor, wie sich historische Stoffe für ein heutiges Publikum aufbereiten lassen.