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Zeit und Geschichte

Die Geschichte in der Gegenwart

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerSonntag, 31.07.2022

Faschismus, Genozid, Vernichtungskrieg. Wie verhält es sich heute mit Begrifflichkeiten, die auf Verbrechen in der Vergangenheit verweisen und sie beschreiben, sowie mit dem Blick auf sie entstanden und geprägt wurden? Wie verändern sie sich? Der englische Historiker Christopher Clark schrieb hier bereits über historische Vergleiche.

In der öffentlichen Debatte wird nach Antworten und historischer Einordnung gesucht. Der Historiker Ulrich Herbert erklärt in einem Interview mit taz, dass etwa der Begriff "Vernichtungskrieg" nicht in die Gegenwart geholt werden könne, er sei ein singuläres Ereignis: der Krieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion. Ihn zu benutzen habe nur den Zweck, einen "appellativen Raum" zu schaffen (Hans Magnus Enzensberger). Als plausiblen Vergleich sieht Herbert die postjugoslawischen Kriege. Putins Russland habe mit dem Faschismus nichts zu tun.

Auch Norbert Frei pflichtet Ulrich Herbert bei (und widerspricht Timothy Snyder), es fehle die Massenbewegung, die charakteristisch für faschistische Herrschaft sei. Führerkult, Einparteiensystem, Medienkontrolle, Propaganda existierten hingegen. Aber, so Frei, sei es noch "schlimmer": Putin als Diktator wisse den Großteil seiner Landsleute hinter sich, unklar sei nur, ob sich der Rückhalt aus einem stillgelegten politischem Interesse speise, oder dem verhängnisvollen Versprechen eines völkisch-imperialen Großmachtdenkens zuzuschreiben sei. Vermutlich beidem.

In diesem Beitrag fordert Martin Schulze Wessel, Professor für Ost- und südosteuropäische Geschichte einen neuen Horizont, der auch schon in Norbert Freis Text anklingt. Schulze Wessel stellt einen eklatanten Mangel historischer und kulturwissenschaftlicher Informiertheit in der deutschen Politik fest. (Und verweist auch auf die problematische Zusammenarbeit in der Vergangenheit mit Sergej Naryschkin, der Chef des Auslandsgeheimdienstes, ehemaliger Vorsitzender der Staatsduma und zum engsten Kreis Putin gehörig. Für die Möglichkeit historische Forschung zu betreiben wurde ein politischer Preis bezahlt.)

Er widerspricht Herbert, dass es sich nach Butscha und dem Umschwenken der russischen Kriegsführung um keinen Vernichtungskrieg handeln könne, weil der Begriff historisch bereits "reserviert" sei.

Faschismus, Vernichtungskrieg, Genozid – die Vokabeln, mit denen wir das Geschehen in der Ukraine beschreiben, rühren an das eigene historische Selbstverständnis Deutschlands. Wer sie in Be­zug auf Russland verwendet, tut dies in­des nicht in der Absicht, die deutschen Verbrechen im 20. Jahrhundert zu relativieren. 

Doch wohin führt die Debatte? Wieso soll man sie überhaupt führen? 

Die „Rückkehr der Geschichte“ bedarf einer tiefgreifenden Reflexion über das, was Historiographie leisten soll. Dies muss bei den Grundlagen des Fachs an­setzen. Die Katastrophe des Krieges macht deutlich, dass Geschichtswissenschaft als historische Kulturwissenschaft tief verwurzelte Denkmuster und Mythologien analysieren muss. Ohne einen entsprechenden Begriffsapparat sind die historisch-kulturellen Grundlagen des Kriegs, wie zum Beispiel der Kult des Militärischen und die Homophobie in Russland, nicht erkennbar. Es ist aber auch eine Erneuerung der Politikgeschichte nötig. Dabei geht es nicht nur um die Re-Integration an den Universitäten vernachlässigter Felder wie der Di­plomatie- und Militärgeschichte im Sinne einer modernen Geschichte internationaler Beziehungen. Nötig ist auch ein tieferes Verständnis von Zäsuren und Entscheidungen.


Die Geschichte in der Gegenwart

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

    Danke, eine sehr interessante Darstellung der Diskussion …..

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